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Im Rückblick: Sächsische Steuertagung 2014

260 Teilnehmer interessierten sich für Bilanzierung, Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung - Informative Vorträge und Diskussionen

Am 28. November fand an der Technischen Universität Chemnitz die 21. Sächsische Steuertagung statt. Zum Generalthema "Bilanzierung, Gewinnermittlung und Gewinnverlagerung" gab es fünf Fachvorträge aus Wissenschaft, Exekutive, Judikative und Praxis. Das Tagungsprogramm stieß mit 260 Teilnehmern auf großes Interesse. Nach einer kurzen Einführung durch die Tagungsleiterin Prof. Dr. Silke Hüsing, die die steuerlichen Gewinnermittlungsprobleme und die von steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften ausgehenden Lenkungswirkungen in Bezug zum Erfolg des Technologietransfers in die Wirtschaft setzte, begrüßte der Prorektor für Wissens- und Technologietransfer der TU, Prof. Dr. Andreas Schubert, die Teilnehmer. Im Rahmen der kurzen Vorstellung der Universität und ihres Exzellenzclusters MERGE und ihrer Charakterisierung als Keimzelle neuen Wissens, betonte er die Bedeutung, die der Transfer des Wissens von den Universitäten in die Anwendungspraxis angesichts dessen Halbwertszeit von ca. drei Jahren habe.

Mit dem Bezug auf die internationale Bedeutung des Wissensfortschritts und der damit verbundenen wirtschaftlichen Verflechtung leitete Prof. Hüsing zum ersten Vortrag zu „Standortwahl, Steuerwettbewerb und Verlagerung steuerlicher Gewinne“ über, den Prof. Dr. Jochen Hundsdoerfer von der Freien Universität Berlin hielt. Er beleuchtete den aktuellen Stand der empirischen Steuerforschung zur Bedeutung der Gewinnverlagerung multinationaler Unternehmen, die sich u. a. in konkreten Rückgängen von Steuersubstrat bei Anhebung der Nominalsteuersätze äußern. Können Unternehmen der Anhebung der Steuersätze nicht durch weitere Steuergestaltungsmaßnahmen ausweichen, verringern sich die Direktinvestitionen.

Die Bedeutung, die das geplante Country-by-Country-Reporting als eine der Maßnahmen des BEPS-Aktionsplans der OECD entfalten kann, wurde von Prof. Hundsdoerfer kritisch bewertet. Die Neigung der Unternehmen, ein solches Reporting zu implementieren schätzte er auf Nachfrage des Moderators, Prof. Dr. Michael Dobler von der TU Dresden, als nicht ganz gering ein, lägen doch bereits Beispiele entsprechender freiwilliger Berichterstattung vor. Seinen Vortrag beschloss er mit folgenden Thesen: Die Tatsache der Steuervermeidung durch multinationale Unternehmen habe negative und positive Effekte; die negativen sind die Reduktion des Steuersubstrats in Hochsteuerländern, die positiven die damit vermiedene Reduktion von Investitionsvolumen in eben diesen Ländern. Der OECD-Vorschlag zum Country-by-Country-Reporting führe eher zu einer Umverteilung von Besteuerungssubstrat denn zu Vermeidung von Minderbesteuerung. Schließlich werde sich das Körperschaftsteuerrecht für multinationale Unternehmen voraussichtlich verändern, da die Nachteile der Verrechnungspreisermittlung anderen Nachteilen eines Formula Aportionment gegenüber stünden; finanzierungsneutrale Besteuerungen entweder zu hohen Nominalsteuersätzen bei Verschonung von Eigen- und Fremdkapitalzinsen oder zu geringen Steuersätzen bei Aufwandsbesteuerung von Zinsen führen würden. Daher sei eine stärkere Betonung des Bestimmungslandsprinzips in der Körperschaftsteuer wahrscheinlich, da nur der Ort der Konsumenten nicht verlagert werden könne.

In der sich anschließenden Diskussion merkte Prof. Hüsing hierzu an, dass eine stärker auf den Konsum ausgerichtete Besteuerung den Interessen rohstoffreicher Länder zuwiderliefe. Dr. Reichl von PSP München wies zudem darauf hin, dass viele Aspekte im Rahmen des BEPS-Projekts sich vor allem mit der Verhinderung der Steuervermeidung beschäftigten, während Probleme einer drohenden Doppelbesteuerung bei neuen Anknüpfungspunkten für die Besteuerung bisher eher vernachlässigt wurden. Zudem stellte er die Frage, inwieweit mit einer baldigen Umsetzung der OECD-Maßnahmen zu rechnen wäre, die Prof. Hundsdoerfer derzeit frühestens um das Jahr 2020 sieht. Prof. Dr. Harald Jansen von der Universität Jena thematisierte den Zusammenhang zwischen fehlenden Wechselkursen und bestehendem Steuersatzgefälle in der EU.

Prof. Dr. Guido Förster von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beleuchtete die verschiedenen Fallkonstellationen, in denen „Disquotale Einlagen und disquotale Gewinnausschüttungen im Ertrag- und Erbschaftsteuerrecht“ zu verschiedenen ertrag- und erbschaftsteuerlichen Würdigungen finden. Für die steuerliche Beurteilung von Einlagen ist entscheidend, ob es sich um eigen- oder fremdnützige Einlagen handelt. Wie unterschiedlich die Ergebnisse ausfallen, demonstrierte Prof. Förster an den Beispielen eines überquotalen Forderungsverzichts, Nutzungs- und Leistungseinlagen sowie überquotalen Einlagen gem. § 20 UmwStG. Bei inkongruenten offenen Gewinnausschüttungen spielt die Abgrenzung zum Gestaltunsgmissbrauch nach § 42 AO eine gewisse Rolle, Die steuerlichen Folgen erläuterte Prof. Förster anhand von Familiengesellschaften, überhöhtem GF-Gehalt, und inkongruenten vGA an Nahestehende. Die Diskussion, angeleitet von Prof. Jansen von der Universität Jena, thematisierte, getrieben von Prof. Dr. Jochen Hundsdoerfer und befeuert von Prof. Dr. Gerhard Kraft von der Universität Halle-Wittenberg, die Bedeutung von Fiktionen für die steuerliche Würdigung von Sachverhalten. Die Wogen glättete BFH-Richter Wittwer durch Verweis auf das baldige Anstehen der höchstrichterlichen Entscheidung in einem der vorgetragenen Fälle.

Den dritten Vortrag nach der Mittagspause, bei der die Teilnehmer die Gelegenheit zum persönlichen Gespräch nutzten, hielt Stefan Winter, Referatsleiter Gewinneinkünfte, KSt, GewSt und InvZul im Landesamt für Steuern und Finanzen, zum Thema „Teilwertabschreibung, voraussichtlich dauernde Wertminderung, Wertaufholungsgebot – Das neue BMF-Schreiben vom 16.07.2014“. Unter Verweis auf die Aufnahme des Schreibens in der Literatur einschließlich der dort geäußerten Kritik an einzelnen Regelungen führte er das Auditorium durch das „Labyrinth“ der Teilwertanwendung in der Steuerbilanz. Die prägnante, gut nachvollziehbare und keineswegs humorlos vorgetragene Darstellung der Regelungen stieß auf ein reges Interesse im Auditorium – durch die anschließende Diskussion, die insbesondere auf die Abkehr der steuerbilanzrechtlichen Teilwertbewertung von den handelsrechtlichen GoB abstellte, führte Prof. Dr. Michael Hinz von der TU Chemnitz.

Die überaus komplizierte Materie der „modifizierten Trennungstheorie“, bei der es um die Bewertung der (steuerpflichtigen) Entnahme bei teilentgeltlichen Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern geht, fand eine herausragend gut nachvollziehbare Darstellung im Vortrag von RiBFH Meinhard Wittwer. Der Vergleich der Ergebnisse bei modifizierter Trennungstheorie zur „reinen“ (oder auch strengen) Trennungstheorie, die die Finanzverwaltung anwendet, und die zu höheren steuerpflichtigen Entnahmen beim Übergeber und gleichzeitig aber höherem Abschreibungsvolumen beim Übernehmer führt, erschloss sich dem Zuhörer mit erstaunlicher Leichtigkeit. Die unangenehme Botschaft für die Praxis liegt in der Aussicht auf einen noch Jahre währenden Verfahrensweg bis zur endgültigen Rechtssicherheit in der Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, da die befassten Senate am BFH, der IV. und X. Senat, mit nicht ganz geringer Wahrscheinlichkeit zu verschiedenen Würdigungen gelangen werden. Der zweite Teil seines Vortrags war der Problematik des Verlustvortrags bzw. des Verlustuntergangs in doppelstöckigen Personengesellschaften bei der Gewerbesteuer gewidmet, der u. a. davon abhängt, ob der Betrieb übergeht oder der Mitunternehmeranteil.

Die Moderatorin Prof. Hüsing stellte fest, dass viele der vorgestellten Streitpunkte in der Unternehmensbesteuerung mit der Teilrechtsfähigkeit von Personengesellschaften zusammenhingen. Auf die Frage hin, welche Änderungen der Richter vorschlagen würde, könnte er von der Rechtsanwendung abrücken und rechtsgestaltend tätig werden, identifizierte BFH-Richter Wittwer die Gewerbesteuer selbst als das treibende Problem. Ihre Abschaffung sei jedoch politisch wohl kaum durchsetzbar. Prof. Kraft von der Universität Halle-Wittenberg warf in der Diskussion schließlich die Frage nach der schleichenden Internationalisierung und Personalisierung der Gewerbesteuer auf, die eigentlich als Objektsteuer ausgestaltet sei. Eine vollständige Transparenz sei, so die Antwort, wie bei den Immobilienfonds erkennbar, faktisch nicht durchführbar. Die politische Umsetzbarkeit anderer kommunaler Finanzierungsmöglichkeiten bestimmte die anschließende Diskussion.

Den Tag rundete ein Vortrag zu den Problemen ab, die bei der Lösung ganz praktischer Fragestellungen auftreten können, z.B. bei der Optimierung der Präsenz eines Unternehmens in Suchmaschinen. Die wirtschaftlich vernünftige Lösung einer Treuhand-KG führt zu diversen steuerlichen Problemen, die von StB Sören Münch von der eureos GmbH steuerberatungsgesellschaft rechtsanwaltsgesellschaft in seinem Vortrag „Die Treuhand KG als Gestaltungsinstrument in der Steuerberatung“ beleuchtet wurden: Für die Umsatzsteuer müssen zwei getrennte Buchhaltungen geführt werden, die dann zu konsolidieren sind; lohnsteuerliche Schlechterstellung von Arbeitnehmern, Umgang mit Ergebnisabführungsvertrag bei Zwischenschaltung der Treuhand-KG, Behandlung von Quellensteuern, Haftungsfragen, Gefahr des Gestaltungsmissbrauchs, Antragsberechtigung bei der Investitionszulage. Genügend Stoff für die von Prof. Jörg Röhner von der FH Zwickau moderierte anschließende Diskussion über die Frage der Behandlung von zwei Bilanzen in der E-Bilanz, die Zusammenarbeit mit dem Finanzamt, den Umgang mit der dem Modell innewohnenden erheblichen Unsicherheit, etwaigen Folgewirkungen im Falle einer Insolvenz. Es zeigte sich, dass die zur Lösung nicht-steuerlicher Herausforderungen entwickelte zivilrechtliche Gestaltung massive steuerliche Unsicherheiten und Schwierigkeiten auslöst.

(Autorin: Prof. Dr. Silke Hüsing)

Mario Steinebach
06.12.2014

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