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Harmonisierte digitale Formate und kleinere interaktive Lerneinheiten

Befragung unter Studierenden der Europa-Studien an der TU Chemnitz gibt Hinweise für die Weiterentwicklung der digitalen Lehre in Corona-Zeiten

Wir wirken sich die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung auf den Alltag von Studierenden an der Technischen Universität Chemnitz aus? Diese Frage untersuchten Studierende der Europa-Studien an der TU Chemnitz im Rahmen einer Methodenübung unter der Leitung von Prof. Dr. Birgit Glorius, Inhaberin der Professur Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung. An der Befragung als Online-Survey nahmen 41 Studierende aus den Bachelor-Studiengängen der „Europa-Studien“ teil. Zudem führte das Team zwei qualitative Interviews unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern durch. Knapp ein Viertel (22,5%) der Studierenden der Europa-Studien nahmen damit an der Befragung teil. „Damit sind die Ergebnisse zwar nicht repräsentativ, besitzen aber in ihrer Tendenz eine gewisse Aussagekraft und geben deutliche Hinweise auf zentrale Herausforderungen im Rahmen des universitären Lehrens und Lernens unter den Corona-bedingten Umständen“, macht Glorius deutlich. Den Fragebogen sowie Interviewleitfaden konzipierten die Studierenden selbstständig.

Gemischte Bilanz digitaler Formate – Hinweise auf nachhaltigeres Lernen durch Präsenz

Die Auswertung zeigt: Die Bilanz zum Studium im Home Office fällt gemischt aus. „Während der digitale Campus neue Formen der digitalen Lehre aufzeigt oder bereits bestehende zum tragenden Modell macht, bringt er zugleich die Bedeutung der echten raum-zeitlichen Interaktion zum Vorschein, die den sozialen Rahmen für nachhaltiges Lernen bildet“, fasst Glorius wesentliche Ergebnisse zusammen.

Hinsichtlich der Frage, was aus diesen Ergebnissen für ein weiteres „Corona-Semester“ abgeleitet werden kann, sollte laut Glorius sicherlich die Frage der Selbstmotivation und der sozialen Interaktionsmöglichkeiten von Studierenden inner- und außerhalb von Lehreinheiten stärker in den Blick genommen werden. Dies erscheine vor allem in Bezug auf die Studienanfängerinnen und -anfänger ratsam, die zum Wintersemester 2020/21 ihr Studium an der TU Chemnitz aufnehmen werden und das System Universität noch nicht so gut kennen.

Mangelnde Motivation und externe Störungen als größte Hindernisse

Gefragt nach den größten Problemen der aktuellen Vorlesungssituation benannten 90% der befragten Studierenden „fehlende Motivation“ gefolgt von „externen Störungen“ (64%) sowie schlechter Internetverbindung (56%). Die eigene technische Ausstattung zur Beteiligung an der digitalen Lehre war überwiegend unproblematisch.

Hinsichtlich der technischen Formate der digitalen Lehre nutzen über 90% der Befragten die Lernplattform „OPAL“, das datenschutzkonforme Konferenzsystem „BigBlueButton“ (BBB), sowie in einem geringeren Umfang Vorlesungsvideos, Zoom-Konferenzen und Skype.

Lehrqualität via Zoom besonders geschätzt

Hinsichtlich der technischen Qualität der Online-Angebote schnitten Zoom-Konferenzen mit 85,7% positiver Bewertung am besten ab, gefolgt von OPAL-Angeboten (76,3%), Vorlesungsvideos (75,9%) und BBB-Konferenzen (74,3%). In der Kommentarspalte zu dieser Frage wurden weitere technische Verbesserungen für das Konferenzsystem BBB empfohlen sowie klargestellt, dass eine Gesamtbeurteilung angesichts der sehr unterschiedlich ausgeprägten digitalen Kompetenz der Dozentinnen und Dozenten schwierig sei.

Hemmschwellen überwinden – Weniger digitale Formate und mehr direkteres Feedback gewünscht

Für die Zukunft regten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, die genutzten digitalen Formate zu reduzieren, damit Studierende nicht fortlaufend zwischen den Tools wechseln müssen. Viele Studierende vermerkten, sie würden kleinere digitale Gruppen-Events effektiver finden, in denen sie im direkten Kontakt mit den Dozentinnen und Dozenten Feedback erhalten. Dies würde besonders jenen Studierenden helfen, die eine größere Hemmschwelle verspüren, sich im digitalen Seminar zu Wort zu melden, wie das vor allem bei Studienanfängerinnen und -anfängern der Fall sein könne, weil sie den universitären Alltag und den Umgang mit den Lehrenden noch wenig eingeübt haben, macht Glorius klar. So habe eine der Teilnehmenden explizit darauf verwiesen: „Kleinere Unsicherheiten wurden zu großen Unsicherheiten während der Corona-Krise. Zum Beispiel bin ich mir gerade noch unsicherer, wie ich meinen Dozenten kontaktiere oder die richtigen Fragen stelle.“

Allgemeines Monotonie-Gefühl während des Lockdowns hemmt Lernmotivation

Der Online-Survey ging auch auf den studentischen Alltag ein und erkundete, welche Wechselwirkungen es zwischen den veränderten Lebensbedingungen während der Pandemie und den Studienaktivitäten gibt. „Die Befragung zeigte, dass durch den Lockdown mit der deutlichen Reduzierung von Sozialkontakten in Kombination mit wenig Anlässen, das eigene häusliche Umfeld zu verlassen, ein allgemeines Gefühl von Monotonie entstanden ist, das sich auch auf die Lernmotivation auswirkte“, erklärt Glorius. Auch diesen Aspekt macht ein Kommentar aus der Befragung deutlich: „Ich denke, die Kontaktbeschränkungen und damit das viele Alleinsein hat sich auf den generellen mentalen Zustand ausgewirkt, was das Lernen und Arbeiten für die Uni um einiges erschwert hat und auch die Motivation, dies zu tun, extrem gesenkt hat.“

Rückkehr ins Elternhaus zur Dämpfung des Isolationsgefühls

Rund ein Drittel der Befragten ist während der Corona-Krise wieder ins Elternhaus zurückgezogen; teils um Geld zu sparen, teils um nicht alleine zu sein. Dies schlägt sich auch in der Bewertung der Kontakthäufigkeiten während der Corona-Krise nieder: Während jeweils 60% der Befragten angaben, der Kontakt zu Freundinnen und Freunden sowie Kommilitoninnen und Kommilitonen habe sich verringert, ist der Kontakt zur Familie bei jeweils einem Drittel der Befragten gleich geblieben oder hat sich erhöht. Allerdings sei es gerade der Kontakt zu den Kommilitoninnen und Kommilitonen, der eine Rückbindung an das studentische Leben erleichtere, so Glorius. Im Rahmen der qualitativen Interviews sagte einer der Befragten: „Normalerweise würde ich die anderen ja jeden Tag in der Uni sehen und man würde außerhalb der Vorlesung Aufgaben zusammen machen oder sich einfach über das austauschen, was grad so läuft. Das geht jetzt natürlich nicht.“

Die Befragten erlebten eine „Verflüssigung“ der zeitlichen und räumlichen Alltagsstrukturen, die sich negativ auf die Lernmotivation auswirkte. So sei die zeitliche Struktur der Lehrveranstaltungen vielfach ausgehebelt worden. Es habe die Interaktion mit Kommilitoninnen, Kommilitonen und Lehrenden gefehlt. Durch die Verlagerung ins Home Office seien auch die physischen Grenzen zwischen verschiedenen Lebensbereichen weggefallen. Einige Kommentare dazu: „Es gibt keine klare Trennung mehr zwischen Studium und Alltag.“; „Alles findet in demselben Raum statt, deshalb kann man nicht mehr abschalten.“; „Konzentration auf Veranstaltungen fällt schwerer, man braucht mehr Pausen.“

Höherer Grad an Eigenverantwortung

Ein weiteres Zitat aus dem qualitativen Interview gibt Aufschluss über den gestiegen Grad der Eigenverantwortlichkeit für den Lernerfolg: „Für mich ist es zu Hause im Vergleich zur Situation in der Uni schwieriger, die Motivation zu halten, mich hinzusetzen und mir die Vorlesungsvideos anzugucken oder die Folien durchzulesen.“

Digitale Lehrveranstaltungen senken Teilnahmemotivation

Im Vergleich zum Präsenzstudium empfindet die Hälfte der Befragten eine geringere Motivation, an digitalen Lehrveranstaltungen teilzunehmen. 55% der Befragten hat Motivationsschwierigkeiten, den Lehrstoff selbständig nachzuarbeiten, wobei sich zugleich bei 45% der Befragten das Lernpensum im Vergleich zum analogen Uni-Alltag erhöht habe. Dies wirkt sich auch auf die subjektiv wahrgenommene eigene Leistungsfähigkeit in der Prüfungsphase aus: Immerhin 43% der Befragten fühlen sich schlechter auf mündliche und schriftliche Prüfungen vorbereitet, während die übrigen Befragten keinen Unterschied feststellen oder sich zu einem geringen Anteil sogar besser gewappnet fühlen.

Allerdings gibt es auch Befragte, die durch die digitale Lehre nun weniger Reibungspunkte mit ihrem übrigen Alltag verspüren als sonst, wie diese offene Antwort im Survey deutlich macht: „Weniger [Reibungspunkte, Anm. d. Red.], da der Alltagsstress weniger geworden ist und durch die Online-Lehre die Uni flexibler geworden ist, was sehr angenehm ist.“

Wertschätzung von mehr Flexibilität

Ein im Rahmen eines qualitativen Interviews befragter Teilnehmer lobte die Verfügbarkeit flexibler Lerneinheiten, die eine bessere Vereinbarkeit von Studium und Nebenjob ermöglicht: „Es gibt ein PDF mit Tonspur, was ich persönlich sehr gut finde, denn es ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Studium. In diesem Aspekt, finde ich das, was durch Corona gerade passiert, echt super.“

Hintergrund: Methodenübung zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Studium an der TU Chemnitz

Die an der Professur Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung gestellte Forschungsfrage lautete, wie sich die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf das Studium und den Alltag von Studierenden auswirken. Die Studierenden konzipierten den Fragebogen und den Interviewleitfaden für die qualitativen Interviews selbständig. Folgende Frageblöcke gab es:

  • Probleme in der aktuellen Vorlesungssituation
  • Bewertung der Online-Formate (technisch und inhaltlich)
  • Einschätzungen zum eigenen Lernverhalten
  • Schwierigkeiten hinsichtlich Sprachkurs, Praktikum, Auslandssemester
  • Alltag: Wohnen, Finanzierung, Sozialkontakte

Befragt wurden Personen im Alter bis 20 Jahre (32,4%), 21 – 23 Jahre (56,8%) und über 23 Jahre (10,8%) Die Befragten waren zu 27% männlich und 73% weiblich.

(Autoren: Birgit Glorius und Matthias Fejes)

Matthias Fejes
16.07.2020

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