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Wie schön müssen Häuser und Straßenzüge sein?

Prof. Dr. Friedrich Thießen, Inhaber der Professur Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre der TU Chemnitz, und Studentin Anne Richter zeigen in einer Studie, wie und nach welchen Kriterien Häuser und Straßenzüge bewertet werden

  • Blick auf einen Starßenzug mit historischen Häuserfassaden
    Am besten von den Probandinnen und Probanden bewertet wurde ein homogener Straßenzug im klassischen Stil. Foto: Anne Richter

„Wie schön müssen Häuser und Straßenzüge sein?“ – das ist das zentrale Thema einer neuen Studie an der Professur Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre der Technischen Universität Chemnitz (TUC), die im Juni 2023 im Bundesbaublatt erschienen ist. Veröffentlicht wurde sie vom Inhaber der Professur, Prof. Dr. Friedrich Thießen, und von Anne Richter, die an der TUC den Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften abschloss.

„Um ihre Wohnung kümmern sich die meisten Menschen liebevoll und verbessern ständig die ästhetische Gestaltung ihrer Räume. Liegt es da nicht nahe zu vermuten, dass auch die ästhetische Anmutung eines Gebäudes von außen eine Bewertung erfährt? Und gilt das auch für den gesamten Straßenzug und vielleicht auch für die Arbeitsumgebung, in die man jeden Tag fährt“, fragten sich beide zu Beginn ihrer Studie. Es gebe sogar ganze Städte, die als „schön“ bezeichnet werden, aber welchen Wert habe eigentlich diese Schönheit?

Um herauszubekommen, wie zufrieden Menschen mit dem Aussehen der Städte sind, und wie einzelne Gebäude oder Straßenzüge ihr persönliches ästhetisches Empfinden beeinflussen, führte Richter im Rahmen ihrer Bachelorarbeit mehrere Umfragen mit insgesamt 202 Probandinnen und Probanden im online-Format durch. Den Probandinnen und Probanden wurden Bilder von Gebäuden und Straßenzügen vorgelegt, die sich nur durch die abzuprüfenden ästhetischen Elemente unterscheiden. „Dann wurden unter anderem Gefallensurteile sowie Aussagen zu Mietzahlungs- und Einzugsbereitschaften erbeten“, so Richter.

Traditionell vs modern

Zu einigen der Ergebnisse der Studie: Traditionell anmutende Gebäude erzielten meistens höhere Bewertungen als moderne. „Aber ein generelles Modernitäts-Bashing ist nicht festzustellen“, sagt Richter. „Viele Architektinnen und Architekten oder Bauherrinnen und Bauherren greifen bei der ästhetischen Gestaltung ihrer modernen Bauten nur leider zu oft daneben. Die als Bauhausstil bekannt gewordenen meist weißen, schlichten, strukturlosen Gebäude mit Flachdach, die sich wie Löwenzahn überall verbreiten, werden eher schlecht bewertet“, fügt Thießen hinzu. Die Bauindustrie verkaufe den strukturlosen Stil dieser Gebäude als künstlerisch wertig, weil er das berühmte Bauhaus repräsentiere. „Vielleicht glauben einige Käufer auch, dass ihre Immobilie wegen der Bauhausnähe mehr Wert habe. Aber letztlich mögen die Menschen schlicht komponierte nackte Flächen nicht“, sagt Richter. Aus einer Reihe Einfamilienhäuser im Bauhausstil bevorzugten 70 Prozent der Befragten jenes Gebäude, welches den geringsten Grad an kahler, großflächiger Fassade aufwies.

Art der Strukturierungen bestimmt die Wertigkeit der Ausstrahlung

Welche Gestaltungen kommen am besten an? Ein reichhaltig strukturiertes Gebäude wurde im Vergleich mit einem wenig strukturierten Gebäude mit nackten Fassaden und ungestalteten Fensterhöhlen im Regelfall auf einer Zehner-Skala als attraktiver eingestuft „Insofern ist Geschmack weniger individuell, sondern eher ein Gruppenphänomen“, schlussfolgert Richter. Als man dann in der Studie tiefer ging und fragte, welche Strukturierungen vor allem präferiert werden, dann zeigte sich zunächst, dass es sowohl traditionelle als auch moderne Strukturierungen gibt, die hoch bewertet wurden. Wichtig scheinen vor allem die „Botschaften“ zu sein, welche die Strukturierungen transportieren. Wenn eine Strukturierung einer Fassade oder eines Gebäudes eine „wertige“, „edle“, „dominante“ Ausstrahlung vermittelt, dann wurde dies hoch bewertet. „Einladend“ und „gemütlich“ liegen deutlich dahinter. Wenn Linien dominieren, die keine interpretierbare Struktur haben, fiel die Bewertung schlechter aus. „Wertig anmutende Strukturierungen gelingen den Architektinnen und Architekten am ehesten, wenn sie klassische Stile nachahmen. Symmetrien, Umrahmungen oder an Säulen und Portale erinnernde Strukturen sind Beispiele für wertig anmutende Gestaltungen. Solche Strukturierungen müssen nicht teuer sein. Fensterfaschen in Putz ausgeführt, verursachen kaum Zusatzkosten“, so Thießen. Preiswert sei auch das Arbeiten mit Farben. „Zudem kostet die Tür in der Mitte eines Gebäudes nicht mehr als die Tür asymmetrisch in einer Ecke, wirkt aber wesentlich besser“, fügt er hinzu.

Regeln für Straßenzüge

In Bezug auf ganze Straßenzüge zeigt sich laut Richter Folgendes: „Straßenzüge sollten zunächst einmal einen homogenen Charakter haben. Sie sollten also durch einen einheitlichen Stil charakterisiert sein. Wenn nun ein homogener hochwertiger Straßenzug durch ein abweichendes Gebäude gestört wird, dann wird das stark abgestraft und führt zu einem Wertverlust der gesamten Straße.“ Straßenzüge im klassischen Stil des Fin de Siecle, wie sie am Chemnitzer Kaßberg in reichem Maß vorhanden seien, seien aus ihrer Sicht immer noch das Maß aller Dinge. Richter findet in Chemnitz aber auch ganz aktuelle Bauten, deren Architektinnen und Architekten es geschafft haben, moderne und trotzdem hoch bewertete Strukturen entstehen zu lassen. Beeindruckendes Beispiel ist ein Wohnheim (Am Brühl 65), das bei den Probandinnen und Probanden durch seine Fassadengestaltung Bewunderung und hohe Bewertungen auslöst. „Die meisten dachten, es wäre ein Appartementhaus mit teuren Wohnungen“, sagt Richter.

Weitere Ergebnisse der Studie können im Bundesbaublatt 6/2023 (https://www.bundesbaublatt.de/artikel/wie-schoen-muessen-haeuser-und-strassenzuege-sein-3966878.html) nachgelesen werden.

Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Friedrich Thießen, Telefon 0371 531-34174, E-Mail friedrich.thießen@wiwi.tu-chemnitz.de.

Mario Steinebach
28.06.2023

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