MADRID MONUMENTAL

 

JUNIORPROFESSUR KULTURELLER UND SOZIALER WANDEL

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Sie sind allgegenwärtig und bestens in das urbane Gewebe der Großstädte eingebettet. Sie dienen uns als Orientierungspunkt im Labyrinth von Straßen und Plätzen, wir verabreden uns in ihrer Nähe, zuweilen setzen wir uns sogar wartend, sinnierend oder für ein Foto lächelnd auf sie – Denkmäler gehören zu modernen Großstädten wie die Ahnenbilder zum Familienalbum.

Und dennoch: Verweilen wir einen Moment länger vor einem Denkmal als es die übliche Hast der Großstadt erlaubt, so fällt uns die Einzigartigkeit von solchen urbanen Artefakten auf. Für einen Augenblick werden die Geräusche der Metropole zu einer gedämpften akustischen Kulisse, und unsere Sinne wenden sich fragend den plastischen Menschenfiguren oder den abstrakten Formen des Denkmals zu. Wir spüren die mnemischen Wellen,[1] die sie aussenden und die die Kraft haben, uns durch die Erinnerung in eine ferne Vergangenheit zu versetzen.

Denkmäler sind einzigartig und fremd. Ihre Einzigartigkeit besteht in ihrer Funktion. Denkmäler werden eigens dafür errichtet, dass sich eine Gemeinschaft erinnert. Nicht zum Wohnen, nicht zum Arbeiten, nicht zum Vergnügen – schlicht und einfach zur Erinnerung sind sie da. Wie ein Muttermal an das genetische Erbe eines Menschen erinnert, so erinnern Denkmäler an das historische Erbe einer „vorgestellten Gemeinschaft“.[2] Die Vergangenheit, in die sie uns versetzen, ist eine doppelte: Denkmäler evozieren Ereignisse einer Gemeinschaft, die oft weit zurück liegen und uns zum Teil fremd geworden sind. Sie transportieren mit sich aber auch die Zeit, in der sie selbst entstanden sind.

Das Projekt Madrid Monumental knüpft an diesen Erkenntnissen an und widmet sich dem Erinnerungspotential öffentlicher Denkmäler in Madrid. Welche Ereignisse, welche Persönlichkeiten evozieren die zahlreichen Denkmäler, denen die Besucher in der spanischen Hauptstadt auf Schritt und Tritt begegnen? Wann und warum wurden sie errichtet? Was können wir daraus über die Wirkung offizieller Erinnerungspolitik lernen?

Auf den folgenden Seiten möchten wir die Ergebnisse unserer Beschäftigung mit dieser Thematik darstellen. Sie sollen zugleich zu einer faszinierenden Reise einladen, die im heutigen Madrid beginnt und uns über das Zeitalter des patriotischen Nationalismus in die Tiefe der spanischen Geschichte führt.

Teresa Pinheiro

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[1] Warburg 2000: 694.0
[2] Anderson 1983: 7.

Bibliografie:

  • Anderson, Benedict (1983): Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. New York: Verso.
  • Warburg, Aby (2000): Werke in einem Band. Herausgegeben von Martin Treml, Sigrid Weigel, Perdita Ladwig. Berlin: Akad.-Verl.