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Ausgabe 2/00, Juni 2000

Inhalt
  • Prof. Dr. Friedrich Thießen: Konferenzbericht: Aufbruch an Deutschen Hochschulen
  • Dipl.-Kfm. Alexander Aulibauer: SBF Sächsische Beteiligungsfonds GmbH - Kapital für Gründer
  • Dr. Thomas Steger: Individuelle Legitimität und Legitimation in ostdeutschen Industriebetrieben im Transformationsprozeß
  • Hubert J. Gieß: Softwarepreis für pfiffige Chemnitzer Studenten - Wie das Bezahlen mit Internet-Pfennigen erleichtert werden kann

  • Aufbruch an Deutschen Hochschulen - Symposium der Commerzbank AG und der Technischen Universität Chemnitz im Hause der Commerbank am 05.04.2000 -
    ein Konferenzbericht von Prof. Dr. Friedrich Thießen
    Am 5. April fand im Hause der Commerzbank in Frankfurt ein Symposium zum Strukturwandel an deutschen Hochschulen statt. Veranstalter waren Klaus Müller-Gebel, Mitglied des Vorstands der Commerzbank AG, und Prof. Dr. Christian von Borczyskowski, Rektor der Technischen Universität Chemnitz. Als Referenten waren die Spitzen derjenigen Verbände geladen, die den derzeitigen Strukturwandel maßgeblich mittragen. Daneben präsentierten fünf innovative Lehrstühle ihre Konzepte und berichteten von den Problemen, welche die Umsetzung von Innovationen in den herrschenden Universitätsstrukturen mit sich brachten. Klaus-Friedrich Otto, Verleger und Chefredakteur der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, leitete die Veranstaltung.
    Klaus Müller-Gebel fasst die Probleme des deutschen Hochschulwesens in drei Punkten zusammen, die eng miteinander verzahnt sind: Strukturproblem, Organisationsproblem, Mentalitätsproblem. Im deutschen Hochschulwesen existiert eine Vielzahl von institutionellen Bar-rieren, die das Anpassen an moderne Entwicklungen erschwert (Strukturproblem). Da kaum Wettbewerb der Einrichtungen untereinander besteht, wird das Verharren in den überkommenen Strukturen noch verstärkt. Das Organisationsproblem besteht darin, dass die Leitungs- und Führungsstrukturen veraltet sind und dringend einer Reform bedürfen. Dem Mentalitätsproblem zufolge begreifen sich Universitäten selbst als Orte, an denen Regeln, die in Wirt-schaft und Gesellschaft praktiziert werden, nicht gültig sind. Dies könnte eine Chance sein, fördert de facto aber das Festhalten an veralteten Strukturen. Müller-Gebel forderte schlagkräftigere Führungsstrukturen, eine stärkere Profilbildung, mehr Wettbewerb und Interdisziplinarität, eine Einbindung moderner Kommunikationsmittel ("virtual university") und eine stärkere Öffnung der Hochschulen gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft.
    Prof. Dr. Christian von Borczyskowski erinnerte an den Aufbruch des Hochschulwesens vor dreißig Jahren, der unter den Stichworten Bildungskatastrophe, Sputnikschock, Bildung für alle, Gruppenuniversität etc. letztlich nicht zu einer Gesundung des Hochschulbereichs führte, sondern in die chronisch unterfinanzierte Massenuniversität mündete, über deren Reform wir jetzt nachdenken. Universitäten sollten nicht jede Mode mitmachen. Er wies auf das hohe Alter der Institution Universität, die nach den Kirchen zu den ältesten Institutionen Europas zählen, hin. Aber Hochschulen sollten sich auch nicht hochmütig notwendigen Reformen verschließen. Von Borczyskowski erinnerte daran, dass Hochschulen Wissen und Kompetenz für Märkte generieren, die es heute noch gar nicht gibt. Eine zu enge Koppelung von Lehre und Forschung mit den aktuellen Arbeitsmärkten muss langfristig in eine Sackgasse führen. Die Gesellschaft sollte daher darauf achten, den Hochschulen die Freiräume zu geben, die sie brauchen, um langfristig erfolgreich zu sein.
    Der Vorsitzende des Vorstands des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, Dr. Arend Oetker, analysierte in seinem Beitrag die Stärken und Schwächen deutscher Universitäten aus den Erfahrungen der Wirtschaft heraus. Er wies auf das atemberaubende Tempo des Strukturwandels in der Wirtschaft hin, das an den Hochschulen keine Entsprechung findet, so dass letztere immer weiter relativ zurückfallen.
    Als Schwächen des deutschen Hochschulwesens aus Sicht der Wirtschaft nannte Oetker: starres Dienstrecht, unflexible Berufungspolitik und viel zu langsame Einrichtung innovativer Studiengänge, schlechte Bezahlung der Lehrenden, zu lange Habilitations- bzw. Qualifizierungsverfahren junger Nachwuchswissenschaftler.
    Oetker beschäftigte sich darüber hinaus mit der begrenzten Fähigkeit der Hochschulen, sich "strategisch" neu auszurichten. Das Gremienwesen, mangelnde autonome Gestaltungsmacht der Leitungen und der Einfluss der Ministerien bewirken, dass die Tanker "Hochschulen" kaum zu bewegen sind. Oetker schlug vor, über die Gliederung von Universitäten in Fakultäten kritisch nachzudenken. In der Wirtschaft zeigt sich der Strukturwandel gerade an ehemaligen Nahtstellen. Das Aufbrechen des Fakultätsprinzips könnte es den Hochschulen erleich-tern, Neuerungen aus der Wirtschaft aufzugreifen und in Lehre und Forschung umzusetzen.
    Schließlich forderte Oetker die Hochschulen auf, kundenfreundlicher zu werden. Sie müssten sich mehr um die Absolventen kümmern und von Karrieren und Karriereproblemen lernen. Die Selbstanalyse der Hochschulen sollte ein ständiges Instrument werden. "Die Hochschulen tun einiges", stellte Oetker fest, "aber tun sie wirklich genug, um die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen und zu bekämpfen?" Der Ruf der Hochschulen nach besseren Rahmenbedingungen sieht aus Sicht der Wirtschaft durchaus auch aus wie der Versuch, von der eigenen Reformunwilligkeit abzulenken.
    Der sächsische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, griff in seinem Vortrag das Problem des lebenslangen Lernens auf. In einer Gesellschaft, in der sich die Halbwertszeit des Wissens immer weiter verkürzt, wird das mehrfache Neu- und Dazulernen im Verlauf des Lebens unabdingbar. Abbrechende Lebensläufe mit totalen Neuanfängen - heute noch weitgehend Ausnahmen - werden zunehmen und zu einer Art Normalität werden. Die Universitäten sind aufgrund ihres Niveaus geeignete Institutionen, in diesem lebenslangen Weiterbildungsprozess eine wichtige Rolle zu spielen. In den herkömmlichen Strukturen wird es ihnen aber nicht gelingen, fruchtbringende Angebote zu erstellen. Sinnvoll scheinen dem Minister zweistufige Studiengänge mit Bakkalaureaus und Magister, wobei der Magister bedarfsorientiert auch auf die Weiterbildung abgestellt werden sollte. Das zweistufige System ermöglicht flexible und individuelle Bildungsbiographien, wie sie in Deutschland bisher kaum möglich waren. Abgesehen hiervon sollten Studiengänge durch eine Kombination von Präsenz- und Fernstudium zu bewältigen und so stark modularisiert sein, dass ver-schiedenste Kombinationen möglich werden.
    Eine interessante Frage warf der Minister abschließend auf: Wenn in Gesellschaften der Wandel i.d.R. von den Jüngeren getragen wird, wie bleiben dann alternde Gesellschaften wie die europäischen innovationsfähig? Die Innovationskraft muss auch von den Älteren ausgehen, ist die einzige Antwort. Dies ist eine Herausforderung für den Bildungsbereich allgemein und für die Hochschulen insbesondere.
    Prof. Dr. Theodor Berchem, Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, stellte sich in seinem Vortrag in gewisser Weise beschützend vor die Hochschulen. Er wies auf die Lasten hin, die deutsche Hochschulen durch die Bildungsexpansion der letzten Jahrzehnte zu tragen hatten und haben. Der Ausweitung der Studierendenzahlen standen keine im gleichen Maße vermehrten Mittelzuweisungen gegenüber, so dass sich die Qualität der Universi-tätsleistungen zwangsläufig verschlechtern musste. Der zunehmende Wettbewerb nimmt aber darauf keine Rücksicht. In Zukunft müssen die deutschen Hochschulen internationaler werden, wenn sie auf dem Bildungsmarkt in Zukunft eine Chance haben wollen. Theodor Berchem hält die Einführung international anerkannter Studiengänge, also die Übernahme des konsekutiven Bachelor-/Master-Systems, für notwendig, um international wettbewerbsfähig zu werden. Zum Schluss gab Theodor Berchem den Hochschulen einen Rat aus seiner Erfahrung im Umgang mit ausländischen Hochschulen: deutsche Universitäten brauchen eine bessere Selbstdarstellung, so wie sie im Ausland gekonnt angewandt wird. Denn so schlecht, wie oft behauptet, sind die Hochschulen in Deutschland nicht.
    Prof. Dr. Klaus Landfried, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, sprach über Anreizsysteme an Hochschulen. Dabei wandte er sich zunächst den Verwaltungen zu und stellte mit eindringlichen Beispielen deren begrenzte Leistungsfähigkeit dar. Konkrete Ansatzpunkte zu Verbesserungen im Verwaltungsbereich sind jedoch schwer zu finden, da die Verwaltung kaum Einblick gewährt. Auch die anschließende Diskussion mit den Zuhörern, die Landfried in diesem Punkt uneingeschränkt zustimmten, erbrachte keine konkreten Ansatzpunkte. Die staatliche Verwaltung im Hochschulbereich zählt damit zu den Schwachpunkten, für deren Beseitigung erst noch Konzepte entwickelt werden müssen.
    Detaillierte Vorschläge legte Klaus Landfried für den Bereich der Führungsstrukturen im Bildungswesen vor. Wichtig ist der Wettbewerb im Bildungswesen, der über positive Sanktionierung von Leistung angeregt werden soll. Dabei ist an Gehaltsbestandteile, die Mittelausstattung und andere Arbeitsbedingungen zu denken. In einigen Ländern, wie die Niederlande, Großbritannien, Skandinavien oder Israel, liegen Erfahrungen mit solchen Systemen vor. Mit-tel für Lehrbedarfe können nach Studentenzahlen und notwendigen Lehreinrichtungen vergeben werden. Mittel für Forschungszwecke können sich nach Kriterien wie Promotionen, referierten Journalbeiträgen, Drittmittel oder Evaluierungsergebnissen richten. Wichtig sind ex ante Leistungsvereinbarungen, wie sie auch in der Privatwirtschaft üblich sind. Die Frage, welche Leistungsindikatoren relevant sind, hält Landfried für geklärt. Diese Frage wird oft von denen gestellt, die von historisch gewachsenen Mittelverteilungen profitieren. Durch mehrjährige und flexibel verwendbare Hochschulhaushalte soll das optimale eigenverantwortliche Umgehen mit Mitteln gefördert werden. Die Jährlichkeit der Zuweisung sollte aufgehoben und die Deckungsfähigkeit verschiedener Ausgabekategorien muss eingeführt werden.
    Prof. Dr. Winfried Schulze, Vorsitzender des Wissenschaftsrates, setzte sich mit der Entwicklung des Hochschulwesens seit den "10 Thesen" des Wissenschaftsrates von 1992/93 auseinander. Wie sich heute zeigt, sind damals die richtigen Themen aufgegriffen worden. Viele der damals angeregten Veränderungen fanden zunächst keine breite Akzeptanz, sind heute aber dabei, umgesetzt zu werden. Dies zeigt, dass Reformdiskussionen durchaus auch längere Zeit andauern können, ohne schon als gescheitert gelten zu müssen. Eckpunkt der Reformvorschläge war die Erhöhung der Zahl der Studienanfängerquote, die nötig ist, um die Anforderungen des Arbeitsmarktes nach qualifizierten Berufseinsteigern zu erfüllen. Der Wissenschaftsrat hatte Empfehlungen für ein flexibles und reaktionsfähiges Hochschulsystem ausgesprochen, das eine weitere Erhöhung der Studienanfängerquote trägt, und in 10 Thesen zusammengefasst. Zu den meisten dieser Thesen hat der Rat bis heute Empfehlungen erarbeitet, die genauere inhaltliche Gestaltungsvorschläge der nötigen Reformen enthalten. Wichtige Themen sind: Studienstrukturen, Gleichberechtigung, Differenzierung des Hochschulsystems, Nachwuchsförderung oder Qualitätssicherung in der Lehre. Ideen zu Studiengebühren stießen 1992 auf breite Kritik auf Seiten der Politik und der Studentenschaft und wurden nicht in eine These aufgenommen. Die Diskussion ist seitdem aber nicht abgeebbt, und einzelne Bundesländer haben Teile der Ideen umgesetzt. Eine Bachelor/Master-Ausbildung hatte der Rat 1992 erwogen, aber nicht in eine These münden lassen. Seitdem sind im Verlauf der Diskussion die Vorteile konsekutiver Studiengänge aber deutlich geworden, so dass jüngst ein umfangreicher Vorschlag erarbeitet wurde. In Zukunft will der Wissenschaftsrat verstärkt den Hochschulen bei der Umsetzung von Reformvorschlägen helfen und aus den Erfahrungen konkreter Reformmaßnahmen lernen.
    Prof. Dr. Dietrich Ohse von der Universität Frankfurt stellte die Hintergründe der Veränderungen im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften dar. Der Fachbereich begann mit einer systematische Analyse seiner strategischen Position. Die Konzentration auf Kernkompetenzen wurde als Chance in einem zunehmend kompetitiven Bildungsmarkt erkannt. Es gab eine Auseinandersetzung um die Humboldtsche Idee eines universellen Stoffangebotes an Hoch-schulen. Neue Medien und gute Verkehrsverbindungen bewirken aber heute, dass ein universelles Angebot nicht mehr heißen muss, dass sich jede Bildungsinstitution breit ausrichtet.
    Aus der Nähe zur Europäischen Zentralbank, dem von einer Bankengruppe finanzierten Center for Financial Studies, sowie einigen traditionell erfolgreichen Lehr- und Forschungsgebieten des Fachbereichs wurde ein Schwerpunktkonzept abgeleitet, das die Bereiche Finanzen, Rechnungswesen und Neue Technologien umfasst. In diesen Bereichen möchte der Fachbereich Spitzenleistungen in Lehre und Forschung anbieten. Jeder Schwerpunkt des Fachbereiches hat ein Curriculum übertragen bekommen, das von den Kollegen des Schwerpunktes gemeinsam angeboten wird. Einzelne Hochschullehrer bringen ihre Spezialgebiete ein und brauchen nicht mehr das gesamte breite Stoffgebiet mitzuschleppen. Dadurch kann die Aktualität und das Niveau gesteigert werden. Die relativ große Zahl an Hochschullehrern in einem Schwerpunkt sichert eine Fülle, aus der die Studenten nach ihren unterschiedlichen Neigun-gen auswählen können. In der Forschung ist beabsichtigt, lehrstuhlübergreifend im Team zu arbeiten und Projekte abzustimmen.
    Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl von der Universität Augsburg wies in seinem Referat auf die in den letzten Dekaden extrem verschlechterte Wettbewerbssituation deutscher Hochschulen hin. Er zeigte, dass die Betreuungsrelationen an amerikanischen Hochschulen um den Faktor 10 bis 100 besser sind als hierzulande. Gleichzeitig fordert der Arbeitsmarkt immer mehr gut ausgebildete Spezialisten in Nischen- und innovativen Fächern. Beides, also Massenuniversi-täten und Höchstleistungen auf innovativen Gebieten, ist nicht zu realisieren.
    Die Universität Augsburg betreibt aus diesem Grund die Strategie, Kernkompetenzen zu entwickeln und die Ressourcen in den Schwerpunkten sukzessive auszubauen. Die Universität hat sich aufgrund vorhandener Strukturen für das Financial Management und Electronic Commerce als Schwerpunkte entschieden.
    Um der Nachfrage bestmöglich zu dienen, wird das Diplom in diesen Schwerpunktbereichen durch konsekutive Studiengänge ersetzt, die mit Bachelor und Master abschließen. Die Einführung von Masterstudiengängen hat mehrere Vorteile: Sie ermöglicht den Übergang von der Massenuniversität zu einer Hochschule, die sich Eliten zuwendet. Sie ermöglicht den Einstieg in den gebührenpflichtigen Bildungsmarkt durch Einführung von Executive-Master-Programmen. Und sie ermöglicht Angebote im Rahmen des "lebenslangen Lernens", das in Zukunft immer wichtiger werden wird.
    Auf einen interessanten Zusatzaspekt wies Hans Ulrich Buhl hin: Durch die Schwerpunktbildung und den Aufbau spezieller Kompetenz in den Schwerpunkten kann sich die Universität in die Position eines Netzwerkzentrums bringen, die eine Plattform anbietet, auf der sich Wissens- und Erfahrungsaustausch vieler Interessierter entfalten kann.
    Dipl. Ök. Stephan A. Jansen und Prof. Dr. Birger P. Priddat stellten die Strategie der privaten Universität Witten/Herdecke vor, die im Rahmen des "Institute for Mergers & Acquisitions" verfolgt wird. Besonderes Anliegen der Universität ist es, das Lehrangebot schnell auf neue Bedarfe ausrichten zu können. Dies ist für das Fach M & A mit der Gründung des Instituts und der Aufnahme des Lehrbetriebs Anfang 1999 gelungen. Die Zeit der Vorbereitungen betrug nur rund 1 Jahr. Solch kurze Installationszeiten werden als zwingend angesehen, um dem rasanten Wandel der Gesellschaft in der Ausbildung zu folgen. Wandel heißt aber nicht nur Aufbau, sondern auch Abbau. Die Universität achtet darauf, dass aufgebaute Studiengänge auch wieder eingestellt werden können, wenn der Bedarf nach den speziellen Inhalten zurückgeht. Notwendig für derart flexibles Agieren sind die unbürokratischen Strukturen privater Universitäten. Um schnell das notwendige Fach-Know-How für die Lehre verfügbar zu haben, ist die Einbeziehung von Praktikern in die Lehre unabdingbar. Dadurch wird aber auch gleichzeitig eine Praxisnähe erreicht, wie sie die klassische Hochschulausbildung nicht gewährleistet. Dass die private Universität Witten/Herdecke auch auf anderen Gebieten innovativ oder unorthodox vorgeht, wurde am Rande deutlich. So wird auf die klassische Vorlesung verzichtet. Stattdessen lernen die Studenten den Stoff in Kleingruppen durch Diskussion und Auseinandersetzung anhand von vorbereiteten Texten.
    Prof. Dr. Günter Franke von der Universität Konstanz berichtete über die Einführung des innovativen Studiengangs "Mathematische Finanzökonomie" als gemeinsamem Ausbildungs-gang der Fakultäten "Wirtschaftswissenschaften" und "Mathematik und Statistik". Ausgangspunkt der Innovation war die Beobachtung, dass mehr und mehr Tätigkeiten im Finanzmanagement bei Banken und Versicherungen mathematisch orientiert sind und dabei sowohl mathematische Methoden- als auch betriebswirtschaftliche Finanzmarktkenntnisse erfordern. Währenddessen wurden die Hochschulabsolventen bisher im traditionellen Sinne entweder mathematisch oder betriebswirtschaftlich ausgebildet. Dieses Entweder-Oder ist übrigens kein rein deutsches Problem, betonte Franke; auch an amerikanischen Hochschulen zeigen sich Defizite bei integrierten Ausbildungsgängen.
    Der in Konstanz entwickelte integrierte Studiengang behandelt im Grundstudium schwerpunktmäßig die Methoden und im Hauptstudium die Anwendungen. Probleme bei der Einführung standen im Zusammenhang mit dem Innovationsgrad des Ausbildungskonzeptes, vor allem der Tatsache, dass nur auf wenige traditionelle Universitätsstrukturen Rücksicht genommen wurde. Dies provozierte von vielen Seiten Bedenken. Durch Verlagerung der vorbereitenden Arbeiten auf eine kleine motivierte fakultätsübergreifende Arbeitsgruppe und anschließende Unterstützung durch das Ministerium, das mit sanftem Druck bei notwendigen Zustimmungen von Gremien half, ließ sich die Innovation mit viel, aber noch erträglichem Aufwand einführen. Jetzt haben die Studenten an den hohen Anforderungen zu knabbern. Vor allem der Aufwand für den Mathematikteil wurde von einigen unterschätzt. Durch persönliche Zulassungsprüfungen soll in Zukunft sichergestellt werden, dass nur geeignete Studenten das Studium beginnen.
    Prof. Dr. Friedrich Thießen von der Technischen Universität Chemnitz erläuterte die Strategie der Universität im Bereich Investment Banking. Die Universität hatte sich zuletzt in einer Vielzahl von Rankings, die renommierte Institutionen wie Stiftung Warentest, Spiegel, Focus und andere durchführten, als innovative attraktive Universität mit sehr guten Studienbedingungen erwiesen und durchweg vorderste Plätze belegt.
    Anders als andere Universitäten will die TU Chemnitz im Bereich Wirtschaftswissenschaften jedoch keine Fokussierungsstrategien betreiben. Die Region sieht ihren Bedarf in technisch-naturwissenschaftlich ausgebildeten Spezialisten und möchte von den Wirtschaftswissenschaften ein umfassendes und eher breites Angebot. Die Studenten sollen gleichwohl international, aktuell und auf hohem Niveau ausgebildet werden. Für das Fachgebiet Bankbetriebslehre/Finanzwirtschaft wurde als Konsequenz eine Umstellung der Lehre derart in Gang gesetzt, dass der herkömmlichen kreditorientierten Ausbildung eine wertpapierorientierte Ausbildung, das Investment Banking, hinzugefügt wurde.
    Das Investment Banking - und das ist eine wirkliche Innovation - wurde "breit" aufgebaut. Es umfasst nicht nur Spezialaspekte des Portfoliomanagements, des Derivateeinsatzes oder der Optionspreisbildung, sondern betrachtet das Wertpapiergeschäft als Ganzes und schließt alle Aspekte der Kapitalbeschaffung, -transformation und -anlage ein. Es bietet damit einen umfassenden Grundstock, der es Absolventen - welcher beruflichen Richtung auch immer - ermöglicht, sich wissenschaftlich fundiert in der modernen Finanzwelt zurechtzufinden. Der Erfolg der Ausbildung bei Studierenden zeigte, welch großer Bedarf an diesem und vielleicht auch generell an breit angelegten modernen Ausbildungsgängen besteht. Sicher sind fokussierte auf Eliten und Spezialisten zielende Ausbildungsgänge wichtig; aber den großen Bedarf an breiteren Ausbildungswünschen unbefriedigt zu lassen, wäre sträflich. Um ein sehr hohes Niveau und größtmögliche Aktualität der Ausbildung zu sichern, wurde mit traditionellen Strukturen gebrochen: Die Ausbildung wird gemeinsam von der Fakultät für Mathematik, der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und der Commerzbank AG, Frankfurt, getragen.
    Klaus-Friedrich Otto, der Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, hatte die schwierige Aufgabe, das Symposium zusammenzufassen. Es wurde deutlich, dass die Reform des deutschen Hochschulwesens nicht einfach wird. Die vielen überzeugenden Beiträge des Symposiums bewiesen, dass an vielen Stellen im Hochschulwesen Änderungen notwendig sind. Klaus-Friedrich Otto fasste die von den Referenten angeregten Reformen in 10 Punkten zusammen:

    1) Die staatliche Steuerung der Hochschulen (Dienstrecht, Finanzkontrolle, Aufgabenzuweisung) ist an ihre Leistungsgrenze gestoßen. Hochschulen sollen eigenverantwortlicher wirtschaften dürfen.
    2) Im Lehrangebot der Hochschulen stecken viele Rationalisierungsreserven: nicht jede Universität muss jedes Fach anbieten.
    3) Hochschulen müssen strukturell flexibel werden. Rektoren müssen Gestaltungsmacht bekommen.
    4) Bildungsexpansion ohne entsprechende Mittel führt ins Abseits. Der Staat oder die private Wirtschaft kommen nicht umhin, mehr zu tun als bisher.
    5) Die Hochschulen und ihre Mitglieder müssen stärker an Erfolgskriterien gemessen werden. Diese sind zu entwickeln.
    6) Wettbewerb in Verbindung mit spürbaren Sanktionen ist notwendig. Gehälter und Mittelausstattung sind denkbare Ansatzpunkte.
    7) Die Hochschulen müssen internationaler werden. International anerkannte Abschlüsse (Bachelor, Master) können dabei ein wichtiger Schritt sein.
    8) Die Hochschulen müssen den Weiterbildungsmarkt erobern. Fokussierte Lehrangebote und ein zweistufiges Studiensystem wären sinnvoll.
    9) Hochschulen müssen sich mehr um ihre Klienten kümmern. Die Alumniarbeit ist zu intensivieren.
    10) Den Massenuniversitäten müssen Bildungsstätten für eine Elite hinzugefügt werden. Ein zweistufiges Studiensystem (Bachelor/Master) scheint vorteilhaft.
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    SBF Sächsische Beteiligungsfonds GmbH - Kapital für Gründer
    von Dipl.-Kfm. Alexander Aulibauer
    Junge, innovative Unternehmen haben es schwer - bevor aus einer Geschäftsidee eine Erfolgsstory wird, sind meist zahlreiche Hürden und Stolpersteine zu überwinden. Eine Unternehmensgründung ist in der Regel mit sehr hohen Entwicklungs- und Anlaufkosten verbunden, die die wenigsten Jungunternehmer aus eigener Kraft finanzieren können. Häufig stehen jedoch klassische Bankkredite nicht zur Verfügung, weil Sicherheiten fehlen und Banken oft trotz der größeren Marktchancen nicht bereit sind, höhere Risiken zu übernehmen. So besteht das "Startkapital" eines Unternehmensgründers in erster Linie aus einer guten Idee und den damit verbundenen Marktchancen, seiner eigenen Managementfähigkeit sowie den meist hochmotivierten Mitarbeitern. Für den Vorstoß in dynamisch wachsende innovative Märkte ist jedoch ein besonders langer finanzieller Atem nötig.
    Aus diesem Dilemma, in dem sich viele Unternehmensgründer mit guten Ideen und wenig Kapital befinden, können Venture-Capital-Gesellschaften helfen, die technologieorientierten Unternehmen mit guten Wachstumschancen Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mittel zur Verfügung stellen. Auf diese Weise ebnen sie den Weg in die Selbständigkeit und ermöglichen dynamisches Unternehmenswachstum. Durch ausreichendes Eigenkapital lassen sich in der Frühentwicklungsphase typische Anlaufverluste leichter auffangen. Zudem wird der Zugang zu Bankkrediten geöffnet, so dass das Risikokapital eine sinnvolle Ergänzung zum klassischen Bankgeschäft bildet.
    Eine dieser Venture-Capital-Gesellschaften ist die SBF Sächsische Beteiligungsfonds GmbH (Beteiligungsfonds), die seit dem Frühsommer 1996 am Markt aktiv ist. Der Beteiligungsfonds ist indirekt eine 100%-ige Tochtergesellschaft der Landesbank Sachsen Girozentrale (Sachsen LB), die sich mittlerweile als jüngste und einzige eigenständige Landesbank aus den neuen Ländern am Markt fest etabliert hat. Die zur Geschäftsausübung benötigte Liquidität in Höhe von 21,5 Mio. stellt der Freistaat Sachsen dem Beteiligungsfonds zur Verfügung.
    Das Angebot des Beteiligungsfonds richtet sich an junge Unternehmen mit Sitz/Betriebsstätte in Sachsen, die ein starkes Unternehmenswachstum erkennen lassen. Die Beteiligungen, die der Fonds eingeht, sind in der Regel eine Kombination aus typisch stiller und direkter, unternehmerischer Beteiligung, wobei ausschließlich eine Stellung als Minderheitsgesellschafter angestrebt wird. Neben dem rein finanziellen Engagement berät und unterstützt der Beteiligungsfonds seine Partnerunternehmen auch im Bereich der Unternehmensführung, der Konzeption einer Vertriebsstrategie sowie des Controlling. Bisher konnte der Beteiligungsfonds mehr als 15,0 Mio. investieren und auf diese Weise dreizehn Unternehmen helfen, ihre innovativen Produkte am Markt zu etablieren. Im Zusammenhang mit diesem Engagement des Beteiligungsfonds wurden über 400 zukunftsträchtige Arbeitsplätze in Sachsen geschaffen.
    Natürlich müssen Unternehmen, die an den Beteiligungsfonds herantreten, gewisse Grundvoraussetzungen erfüllen. Grundlage für ein Engagement des Beteiligungsfonds sollte ein marktfähiges Produkt, zumindest aber die Basistechnologie zur Entwicklung eines solchen sein. Ein Branchenfokus seitens des Beteiligungsfonds besteht nicht. Ausschlaggebend sind allein die Innovationskraft und die wirtschaftlichen Perspektiven des anfragenden Unternehmens. Die Geschäftsfelder, in die der Beteiligungsfonds bisher investiert hat, reichen von der Bio- und Umwelttechnologie über die Kommunikations- und Datenverarbeitung bis hin zum Maschinen- und Gerätebau.
    Der Beteiligungsfonds ist ein engagierter Partner bei der Bereitstellung von Beteiligungskapital für junge, innovative Unternehmen. Haben auch Sie eine Geschäftsidee oder beabsichtigen Sie die Gründung eines "Technologie-Unternehmens", erreichen Sie die Projektmanager des Beteiligungsfonds unter folgender Adresse:
    Kontakt:
    SBF Sächsische Beteiligungsfonds GmbH, Löhrstraße 16, 04105 Leipzig
    Telefon: 03 41 / 979 60 01
    Telefax: 03 41 / 979 60 09
    eMail: sbf@sachsenlb.de, sbf@cfh.de
    Internet: www.cfh.de
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    Individuelle Legitimität und Legitimation in ostdeutschen Industriebetrieben im Transformationsprozeß
    von Dr. Thomas Steger
    Am 3. April 2000 verteidigte Herr lic. rer. pol. Thomas Steger seine Dissertation (zu obigem Thema) an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Gutachter waren Prof. Dr. Rainhart Lang (TU Chemnitz), Prof. Dr. Dieter Wagner (Uni-versität Potsdam) und Prof. Dr. Norbert Thom (Universität Bern).
    Im Rahmen des Transformationsprozesses werden die Menschen in den ostdeutschen Unternehmen sowohl durch die allgemeinen wie auch die betrieblichen Umwälzungen in besonderem Maße unter Druck gesetzt. Sie sehen sich mit einer massiv veränderten Umwelt und damit einher gehend neuen Anforderungen konfrontiert. In den allermeisten Fällen werden sie zu einer persönlichen Neufindung und Neuorientierung mehr oder weniger gezwungen. Dabei spielen Prozesse der individuellen Legitimation (1) zweifellos eine besondere Rolle.
    Mit Hilfe einer empirischen Untersuchung, die insgesamt 101 Interviews mit Angehörigen sämtlicher Hierarchieebenen in fünf Maschinenbau-Betrieben am Standort Chemnitz umfaßte, wurde diese Thematik näher untersucht. Das zentrale Thema der Gespräche bildete der (betriebliche) Wandlungsprozeß der vergangenen Jahre und die damit verbundenen individuellen Eindrücke und Meinungen. Die Auswertung der gewonnenen Daten orientierte sich vor allem am "grounded theory"-Ansatz von Glaser und Strauss.(2)
    In der Abbildung wird der Prozeß der individuellen Bewältigung des Transformationsprozesses dargestellt, der aus dem Datenmaterial heraus entwickelt wurde und der das eigentliche Herzstück der Arbeit ist.
    Grundsätzlich verdeutlicht dieses Modell drei Dinge: Erstens die hohe Komplexität von Bewältigungs- und Legitimationsprozessen, zweitens die vielfältigen Rückkopplungsschlaufen und Interdependenzen in diesem Prozeß sowie drittens die hohe Bedeutung von individueller Biographie und betrieblichem Handlungsrahmen als Ausgangspunkte und des Transformationsprozesses als genereller Hintergrund dieser Vorgänge. Das tiefere Verständnis dieses Modells bedarf einiger zusätzlicher Erläuterungen (siehe Abbildung).
    Als Ausgangspunkte des Modells können die individuelle Biographie und der betriebliche Handlungsrahmen betrachtet werden. Erstere wird vor allem be-stimmt durch Brüche (bedeutsame Einschnitte in der Biographie), Kapitalien (persönliche Fähigkeiten, Ressourcen) und Hypotheken (in der Vergangenheit unbefriedigte individuelle Bedürfnisse). Beim betrieblichen Handlungsrahmen andererseits sind die individuelle Einschätzung der Chancen (eigene Möglichkeiten), Risiken (Gefahren für die eigene Person) sowie des Umfeldes (innerbetriebliche Umwelt) entscheidend.
    Auslöser für den Bewältigungsprozeß im engeren Sinne ist ein persönliches Dilemma, womit eine individuelle Befindlichkeit umschrieben wird, die im Rahmen des Transformationsprozesses auftritt und mit einer schwierigen (bewußten oder unbewußten) Entscheidungssituation verknüpft ist. Solche Dilemmas konnten in sämtlichen Interviews festgestellt werden, es kann deshalb angenommen werden, daß sich allgemein Individuen im Transformationsprozeß ein- oder gar mehrmals mit solchen Situationen konfrontiert sehen. Die Vielfalt der unterschiedlichen Dilemmas entsprechend wurden bei der Analyse sechs verschiedene Typen herausgearbeitet.
    Die Legitimationsstrategien zielen nicht nur, wie in der obigen Definition ange-deutet, darauf ab, das Individuum mit seinen Handlungen und Ideen/Zielen zu rechtfertigen, sondern darüber hinaus das individuelle Selbst-Konzept zu stabilisieren, möglicherweise sogar neu zu ordnen. Daraus leiten sich entsprechend Interaktionsstrategien (individuelle Orientierungen bei der Gestaltung der eige-nen Sozialbeziehungen) und letztlich Handlungsmuster (konkrete individuelle Verhaltensweisen) ab. Auch hierzu konnten in der Analyse eine Vielzahl verschiedener Typen und Muster abgeleitet werden.
    Aus den Ergebnissen und Erkenntnissen der Arbeit lassen sich exemplarisch einige Punkte herausgreifen, die möglicherweise auch für die betriebliche Praxis relevant sein könnten:

    - Individuelle Legitimations- und Bewältigungsprozesse sind insbesondere im Rahmen des Transformationsprozesses stark miteinander verflochten.
    - Die betriebliche Lebenswelt spielt einerseits als Handlungsrahmen für die Bewältigung der Transformation eine besondere Rolle und wird andererseits auch vielfältige Rückkopplungen durch den Bewältigungsprozeß (z.B. auf Betriebsklima, Arbeitsproduktivität) (mit-)gestaltet.
    - Individuelle Selbstkonzepte und ihr jeweiliger (individueller und kollektiver) Wertehintergrund sind für die erfolgreiche Bewältigung der Transformation von besonderer Bedeutung und demnach auch für betriebliche Entscheidungsträger zu beachten.
    - Individuelle Bewältigungsprozesse hängen in verschiedener Hinsicht weniger von objektiven Gegebenheiten als von subjektiven Realitätswahrnehmungen und -deutungen ab (z.B. Chancen/Risiken, Dilemmas, Interaktionsstrategien), was in der Praxis Einzelfallbetrachtungen (statt Pauschalurteilen) notwendig macht.
    - Die bedeutsame Stellung der individuellen Biographie für den Bewälti-gungsprozeß verweist auch auf verschiedene betriebliche Chancen und Risiken, wie beispielsweise individuelle Abwärtsspiralen bei Personen, die sich wiederholt in Opfer-Rollen sehen, aber auch verborgene (Vor-)Transformations-Qualitäten vieler Betriebsangehöriger.

    Die Dissertation wurde mit "summa cum laude" bewertet und wird (voraussicht-lich im Herbst 2000) im Rainer Hampp Verlag, München/Mering erscheinen.

    Anmerkungen

    1) "Legitimation: Allgemeine Bezeichnung für den (erfolgreichen) Versuch, die eigenen Handlungen als begründet durch gemeinsame oder übergeordnete Ziele und insofern als rechtmäßig nachzuweisen, sie zu rechtfertigen." (Fuchs, Werner: Legitimation, in: Fuchs, Werner/Klima, Rolf/Lautmann, Rüdiger/Rammstedt, Otthein/Wienold, Hanns (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie, Opladen 1978: Westdeutscher Verlag, S. 451)
    2) Glaser, Barney G./Strauss, Anselm: The discovery of groundet theory, New York 1967: Aldine.
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    Softwarepreis für pfiffige Chemnitzer Studenten - Wie das Bezahlen mit Internet-Pfennigen erleichtert werden kann
    von Hubert J. Gieß
    Er ist zu einem der wichtigsten deutschen Preise und in kurzer Zeit zu einer Art "Oscar" der Branche geworden: der "Software-Innovationspreis", den die Programmschmiede Pro DV Software AG aus Dortmund gemeinsam mit der Stadt Dortmund für frische, neuartige Ideen auf dem Gebiet der Computerprogrammierung auslobt. Jedes Jahr steht der Preis unter einem anderen Thema - diesmal war "Electronic Business" dran, also Geschäfte mit Hilfe von Computern und Internet. Die Auszeichnung wird in drei Gruppen vergeben, bewerben können sich Doktoranden, Diplomanden und studentische Projektgruppen. Für Preisträger in den beiden ersten Gruppen gibt es je 4.000 Mark, für die Studenten 2.000 Mark.
    Die Preisträger in diesem Jahr: Alexander Paul von der Uni Oldenburg, Michael Steinhoff von der Uni Paderborn und eine Studentengruppe von der TU Chemnitz. Thema der Chemnitzer Arbeit: „Die Zahlungssystemlücke im Internet - Verbesserte Bezahlsysteme im Internet“. Das Werk entstand im Rahmen eines Seminars von Prof. Dr. Friedrich Thießen, der an der Chemnitzer Uni Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre lehrt. Ausgesucht wurden die Preisträger von einer hochkarätigen Jury unter Leitung des nordrhein-westfälischen Wirtschafts-Staatssekretärs Jörg Bickenbach, der die Preise kürzlich im Dortmunder Rathaus überreichte. Ebenfalls mit dabei: Dortmunds Oberbürgermeister Dr. Gerhard Langemeyer und Pro-DV-Vorstand Siegfried Wenzel.
    Besonders die Chemnitzer Arbeit hatte es den Juroren angetan. Schließlich überraschten die Studenten - unter ihnen Antje Wendler, Gabriele Viehweg, Kai Sandig, Holger Beyer und Alexander Aulibauer, einige von ihnen mittlerweile Assistenten - die Profis mit völlig neuen Ideen, wie Kleinst-Beträge, sogenannte Micro Payments, im Internet überwiesen werden können. Die Chemnitzer Gruppe habe sich "über bestehende Denkmauern hinweg gesetzt und damit das Tor zu einer neuen Klasse von elektronischen Zahlungssystemen" aufgestoßen, so die Jury.
    Der elektronische Handel wird immer wichtiger - betrug er 1999 gerade mal 2,9 Milliarden Mark, so werden für das nächste Jahr bereits 28 Milliarden erwartet. Doch noch immer ist es nicht einfach, Waren und Dienstleistungen über das Internet zu bezahlen und Geld über das Netz zu verschicken. Ganz besonders gilt dies für die "Internet-Pfennige", also kleine Summen, wie sie etwa für das Ansehen eines Lexikonbeitrags oder eines Zeitungsartikels fällig werden. Das liegt unter anderem auch daran, daß die Hauptarbeit am Empfänger des Geldes hängen bleibt - schließlich erhält er nicht mehr als ein paar elektronische Daten und muß dann zusehen, wie er an das "echte" Geld kommt.
    Im wirklichen Leben ist das anders, da muß nämlich der Käufer das Geld übergeben - sei es in bar, als Scheck oder per Kreditkarte. Zudem gibt es nicht nur ein Bezahlverfahren im Internet. Der Geldempfänger müßte sich daher die Software für alle unterschiedlichen Verfahren anschaffen: Eine kostspielige Angelegenheit, die sich besonders für kleine Geschäftsleute und für Privatpersonen kaum lohnen dürfte. Entscheiden sie sich für nur ein Verfahren, riskieren sie den Verlust von Kunden.
    Hier setzen die Chemnitzer Studenten mit ihren Überlegungen an: Es müßte doch möglich sein, das Bezahlen "anders herum", sozusagen rückwärts, ablaufen zu lassen. Vorbild ist dabei die Überweisung, in Deutschland das mit Abstand erfolgreichste Zahlungsverfahren. Eine Überweisung wird nämlich vollständig vom Absender abgewickelt, der Geldempfänger bleibt dagegen passiv. Auf das Internet übertragen heißt das: Der Überweisende bittet seine Bank, dem Empfänger mitzuteilen, daß er dort ein Guthaben hat. Die Bank bucht auch gleich den Rechnungsbetrag von seinem Konto ab und schreibt ihn dem Empfänger gut.
    Der Vorteil: Ein solches Verfahren verursacht nur einen geringen Aufwand und ist deshalb unschlagbar kostengünstig. Erst dadurch werden Kleinst-Zahlungen, Micro Payments, im Bereich von Pfennigen oder auch nur Bruchteilen davon, möglich. Der Empfänger muß sich weder teure Programme noch einen aufwändigen Computer anschaffen und kann von beliebigen Personen Geld entgegennehmen.
    Derzeit entwickelt die Studentengruppe ihr neues Verfahren weiter."Bevor es auf den Markt kommen kann, sind noch eine Reihe von Verbesserungen und Feinarbeiten nötig. Ist das geschafft, werden wir das System auf einem Uni-Rechner gründlich testen, auf den die Studenten über Internet zugreifen können", so Prof. Thießen.
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