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Professur BWL – Betriebliche Umweltökonomie und Nachhaltigkeit
Digitalisierung und Nachhaltigkeit

"Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nützen." Lucius Annaeus Seneca

Digitalisierung und Nachhaltigkeit


"Komplexe Probleme zeichnen sich dadurch aus, dass manchmal widersprüchliche Antworten richtig sein können. Damit umzugehen, lernt man an keiner Schule. Es basiert auf dem Mut, eigene Wahrheiten in Frage zu stellen –
und immer die Frage zu stellen: Was wäre, wenn das Gegenteil richtig wäre?" (Dirk von Gehlen)

Umfrage Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der Lehre – Erste Umfrage

Die Umfrage Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der Lehre haben wir im Kontext der kurzfristigen Umstellung der Lehre auf digitale Formate im Kontext der SARS-CoV-2-Pandemie zwischen Mitte Juli und Ende September 2020 an der TU Chemnitz durchgeführt. Ungefähr 370 vollständige Rückmeldungen haben wir von Studierenden und Mitarbeitenden erhalten.

Wir danken Ihnen sehr herzlich für Ihre Teilnahme!

Hintergrund

Die globale COVID-19 Pandemie rückt nicht nur gesundheitliche und soziale Aspekte in den Fokus, sondern auch die Thematik der Digitalisierung. Auch Universitäten mussten hier schnell (re)agieren und ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen: So wurde innerhalb kürzester Zeit der Universitätsbetrieb auf ein Minimum heruntergefahren und gleichzeitig die Lehrveranstaltungen in digitale Formate überführt. Wie diese Umstellung wahrgenommen wurde, welche Vor- und Nachteile damit einhergehen, wie es um die Nachhaltigkeit gestellt ist und wie die Zukunft der universitären Lehre aussehen kann, wurde im Rahmen dieser Umfrage an der Technischen Universität Chemnitz erhoben. Die Umfrage adressierte sowohl Hochschulmitarbeiterinnen und Hochschulmitarbeiter als auch Studierende.

Lehrformate

45 % der Befragten gaben an, sich digitale Lehrveranstaltungen zukünftig vermehrt vorstellen zu können – auch wenn digitale Lehrveranstaltungen nicht als gleichwertig zu Präsenzveranstaltungen empfunden werden (53 % der Befragten lehnten diese Aussage ab). Vor allem die Verbindung von digitalen und Präsenzveranstaltungen, Blended-Learning-Design, erfuhr eine hohe Zustimmung (insgesamt 75 % aller Befragten). Insbesondere Studierende favorisierten Blended-Learning-Designs als Lehr-Lern-Formate (47 % absolute Zustimmung). Ein Blended-Learning-Design wird auch von 78 % der Befragten als geeignete Methode für nachhaltige digitale Lehrveranstaltungen erachtet. Weiterhin erachten 77 % der Befragten die visuelle Präsentation als geeignet, gefolgt von der Präsentation der Materialien mit auditiver Erläuterung und Selbsttests (jeweils 58 %). Weiter folgen das Bilden von Lerngruppen (49 %), Web-based Trainings (47 %) sowie die Forenfunktion (46 %). Das reine Selbststudium, sprich der Upload von Materialien mit der Möglichkeit der Konsultation bei Fragen, stuften lediglich 20 % als präferierte Lehrveranstaltung ein.

Ambivalenz bzw. Paradoxie digitaler Lehre im Covid-Kontext

Neben dem Format der Lehrveranstaltung sind Ort und Räumlichkeiten weitere wichtige Faktoren für effektives digitales Lernen und Arbeiten. Insbesondere persönliche Kontakte sind für Studierende wichtig. Ambivalenz bzw. Paradoxie kennzeichnen die Antworten hinsichtlich (i) sich an verschiedenen Orten (Zuhause, Büro der Universität, Lernräume der Universität/Bibliothek und PC-Arbeitsplätze) sehr gut zu konzentrieren und produktiv sein zu können und (ii) sich beim Lernen oder Arbeiten ablenken zu lassen: So gaben 72 % der Befragten an, sich Zuhause sehr gut konzentrieren und produktiv sein zu können UND zugleich sich hier leicht ablenken zu lassen. Deutliche Korrelationen zeigen sich auch hinsichtlich Konzentration und Ablenkung beim Lernen bei Kommilitoninnen und Kommilitonen oder in Gruppen, Lernräumen der Bibliothek oder an PC-Arbeitsplätzen. Was das „Arbeiten unterwegs“ betrifft, so schneidet das Arbeiten im Zug am besten ab: Hier können sich ca. 38 % der Befragten gut konzentrieren. Im ÖPNV, Auto oder einer Mitfahrgelegenheit gab der Großteil an, sich eher ablenken zu lassen und nicht konzentrieren zu können. Auch im Hinblick auf die unterschiedliche Wahrnehmung bzgl. des Arbeitsortes allgemein zeigt sich, dass soziale Kontakte sowohl als wichtig und fehlend empfunden als auch als Ablenkung wahrgenommen werden.

Die Ergebnisse können teilweise auf verschiedene Herausforderungen zurückzuführen sein, die digitales Arbeiten und Lernen von Zuhause mit sich bringen: So gaben insgesamt 61 % der Befragten an, dass die Trennung von Beruflichem und Privatem eine Herausforderung während der COVID-19 Pandemie darstellte. Grundsätzlich scheint das Arbeiten von Zuhause Hochschulmitarbeitenden leichter zu fallen als Studierenden: So gaben ca. 37 % der Studierenden an, dass das Lernen Zuhause schnell zu Überforderung führe. Bei den Hochschulmitarbeitenden entfiel dieser Anteil lediglich auf 17 %. Dies zeigt sich auch in den Ergebnissen zur Frage, ob das Arbeiten von Zuhause als bereichernd empfunden wurde: Hier stimmten 40 % der Hochschulmitarbeitenden zu. Bei den Studierenden waren es jedoch nur 28 %. Als besonders herausfordernd wurden hier verschiedene Faktoren genannt: personelle Ablenkungen durch Nachbarinnen und Nachbarn, Mitbewohnenden und auch Kinder, Herausforderungen im Zeitmanagement und Selbstorganisation, mangelnde Motivation. Als vorteilig wurde vor allem die steigende Flexibilität hervorgehoben: So ist es mithilfe von digitaler Lehre möglich, im eigenen Zeitrhythmus sowie im eigenen Tempo zu arbeiten und sich so intensiver mit dem Lernstoff auseinander zu setzen. Auch die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln und der Verkehrssituation wurden genannt. Auch hier zeigt sich: Was einerseits als belastend wahrgenommen wird (Trennung Berufliches und Privates, fehlender Ortswechsel), wird auf anderer Seite als bereichernd wahrgenommen.

Nachhaltigkeit

Mit Blick auf die Einrichtung eines Arbeitsplatzes sowie dessen Ausstattung gaben 86 % der Teilnehmenden an, sich vorübergehend einen ruhigen und geeigneten Arbeitsplatz einzurichten zu können. Zugleich gab mehr als ein Drittel der Befragten (38 %) an, nicht über die finanziellen Mittel zur Anschaffung notwendiger technischer Geräte zur Wahrnehmung digitaler Lehrveranstaltungen zu verfügen. Die verfügbare Bandbreite reichte mehrheitlich aus (bei 81 %). Bei den verbleibenden 19 % kam es jedoch vermehrt zu Problemen (davon selten oder ab und zu  49 %, oft  oder sehr oft  51 %). Dies verdeutlicht die finanziellen, aber auch infrastrukturellen Grenzen digitaler Lehre im Erhebungszeitraum.

In der Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung zeigen sich eklatante Wissens- und Handlungslücken. Bei der Anschaffung von elektronischen Geräten gaben lediglich 22 % an, Nachhaltigkeit in Form von Siegeln, Kreislauffähigkeit oder nachhaltiger Produktions- bzw. Wertschöpfungsketten zu beachten. 42 % berücksichtigen diese Faktoren manchmal, 36 % gaben jedoch an, gar nicht darauf zu achten. 61 % der Befragten ist der Energieursprung für die Server des digitalen Konsums nicht egal, jedoch beziehen lediglich 36 % der Teilnehmenden Zuhause Ökostrom. Darüber hinaus kennt die Mehrheit (86 %) die Strategien zur Treibhausgasreduktion der jeweiligen Anbieter ihrer eigens genutzten digitalen Produkte oder Dienste nicht. Lediglich 20 % suchen aktiv nach Anbietern, die proaktiv eine Klimastrategie oder andere Nachhaltigkeitsstrategien verfolgen. Wenn auch nur minimal, zeigen sich hier die Masterstudierenden am engagiertesten, gefolgt von den Hochschulmitarbeitenden. Weiterhin wissen lediglich 53 % um die Nachhaltigkeitseffekte, welche die Nutzung von digitalen Medien und Diensten mit sich bringt.

Fazit

Die Ergebnisse zeigen eine hohe Vielfalt hinsichtlich Verhalten und Reaktionen auf das Pandemie-bedingte digitale Lehren und Lernen. Digitale Lehre sowie Arbeiten und Lernen von Zuhause bieten vielfältige Vorteile und zugleich Herausforderungen – wie auch das Lernen und Arbeiten am Universitätscampus. Die ersten Ergebnisse der Studie zeigen auf, welche Aspekte konstruktiv zur weiteren Ausgestaltung digitaler Lehre aufgegriffen werden können. Die deskriptiven Analysen und qualitative Auswertungen ermöglichen keine Aussagen über Muster, so dass sich keine generalisierbaren Aussagen treffen lassen.

Arbeiten und Lernen von Zuhause wird einerseits als bereichernd, andererseits als überfordernd empfunden – und dies nicht nur von Person zu Person, sondern auch zeitgleich innerhalb eines Individuums. Die Flexibilität, welche mit digitaler Lehre einhergeht, wird geschätzt – simultan ist digitale Lehre zugleich mit viel Selbstorganisation und wenig sozialen Kontakten verknüpft, was in Teilen seitens der Studierenden als Überforderung wahrgenommen wird. Da digitale Lehre zugleich mit einem gewissen Gewöhnungseffekt im Hinblick auf die Umstellung sozialer Routinen einhergehen könnte, sollen potentielle Veränderungen im Zeitverlauf beobachtet werden. Daher wurde die Umfrage erneut im Wintersemester 2020/21 durchgeführt.


Questionnaire Digitalization and Sustainability in Higher Education – Two rounds

The COVID-19 pandemic has focused attention not only on health and social issues, but on the issue of digital transformation as well. Within a very short time, universities had to convert their courses to digital formats and university life was reduced to a minimum. To shed light on how the COVID-19 pandemic has affected universities, we investigated the following questions: How was this transformation accomplished? What advantages and disadvantages did it bring with it? How sustainable was this transformation? and What can the future of higher education look like?

This study is based on the responses to two questionnaires for university staff and students conducted at the Chemnitz University of Technology between mid-July and September, 2020 (n = 369), and between February and March, 2021 (n = 252). Both questionnaires were analysed using descriptive statistics and qualitative content analysis. The results show wide variations in response to digital teaching and learning. Digital teaching and working/learning from home have brought both multiple benefits and multiple challenges at the same time. Working and learning from home was perceived as both enriching and overwhelming—even for the same individual. Respondents appreciated the flexibility associated with digital teaching, even though digital teaching was perceived as imposing excessive demands. This study reveals striking gaps in our knowledge and our actions linking digital transformation and sustainability and highlights how digital teaching can be further developed.

Results can be read here: Arnold, M./Vogel, A./Ulber, M. Digitalizing Higher Education in lights of Sustainability and Rebound Effects – Surveys in times of COVID-19 pandemic. Sustainability 13(22), 12912; https://doi.org/10.3390/su132212912