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Kleiner Markt im großen Plan

Wissenschaftler aus Chemnitz und Paderborn stellen in einer Sonderpublikation drei Unternehmerinnen in der DDR vor und beschreiben den Zwiespalt, in dem sie agierten

Irmgard Fuhrmann, Ulrike Kaufmann und die 2010 verstorbene Eleonore Vogel haben eines gemeinsam: Sie führten in der Planwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik ein privates Unternehmen. Auf Frauen an der Spitze traf man selten in der DDR, deren ökonomisches System eigentlich eine selbständige Rolle der Frau besonders propagierte. Tatsächlich hatten in Staat und Wirtschaft häufig Männer das Sagen. Unter dem Titel „Kleiner Markt im großen Plan – Drei Unternehmerinnen in der DDR“ präsentieren der Chemnitzer Politikwissenschaftler Dr. Sebastian Liebold und der Paderborner Wirtschaftswissenschaftler Dr. Peter Karl Becker in einer Sonderpublikation des Sächsischen Wirtschaftsarchives in Wort und Bild exemplarisch den Alltag und die Probleme von Unternehmerinnen in der DDR. Gerade in den frühen Jahren des sozialistischen Staates fanden sich Geschäftsleute nicht mit der Realität der Planwirtschaft ab. Sie fanden ihre Nische. Und sie wurden gebraucht, weil die staatlichen Betriebe viele Produkte und Dienstleistungen nicht bieten konnten.

Interviews und Material aus Firmen-Nachlässen geben nun Einblick in die weiblich geführte Weinhandlung Fuhrmann in Querfurt, die in der Lage war, französischen Rotwein zu beschaffen; in die Druckerei G.A. Ludwig in Schwarzenberg, die unter anderem die Kirchgemeinde rechtzeitig mit Konzertplakaten versorgte, und in die Medizintechnikhandlung Kaufmann & Köckritz in Karl-Marx-Stadt, die beispielsweise Blutdruckmessgeräte anbot, die keine staatliche Institution im Sortiment hatte. „Der Reiz unserer Studie lag dabei darin, dass ich als Politikwissenschaftler und Historiker anders auf den Typus der Unternehmerin schaue als mein Paderborner Kollege mit seinem wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund“, sagt Liebold. „Staatliche Stellen der DDR legten den Unternehmerinnen Steine in den Weg, wo sie konnten“, resümiert Becker die Forschungen. Den im Band präsentierten drei Frauen sei stets eine gehörige Portion Misstrauen entgegen gebracht worden, da sie zwar „werktätig“ waren, aber den ideologischen „Plan“ eigensinnig „übererfüllten“, indem sie nicht in einem staatlichen Betrieb arbeiteten, sondern private Initiative zeigten. Dabei „sahen sie sich weniger als Chefin denn als Vertraute im Kollektiv“, berichtet Liebold. Es sind so Porträts entstanden, die ein Stück Wirtschafts- und Sozialgeschichte der DDR aufarbeiten.

Bibliografische Angaben: Peter Karl Becker und Sebastian Liebold: Kleiner Markt im großen Plan – Drei Unternehmerinnen in der DDR. Sax-Verlag Markkleeberg, 2015. 80 Seiten. ISBN: 978-3-86729-145-3. Preis: 9,80 EUR

Weitere Informationen erteilen Dr. Sebastian Liebold, Professur Politische Systeme und Institutionen der TU Chemnitz, Telefon 0371 531-39499, E-Mail sebastian.liebold@phil.tu-chemnitz.de, sowie Dr. Peter Karl Becker, Center for Risk Management an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Paderborn, Telefon 05251 60-4902, E-Mail peter.becker@wiwi.uni-paderborn.de

Mario Steinebach
27.01.2015

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