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Nachsteuerungsbedarf bei der Neuausrichtung der Bundeswehr

Politikwissenschaftler der TU Chemnitz befragen Führungskräfte der Bundeswehr und betonen Korrekturbedarf bei ihrer Neuausrichtung - Präsentation der Ergebnisse bei der Bundespressekonferenz

  • Die Ergebnisse der Untersuchung "Militärische und zivile Führungskräfte der Bundeswehr bewerten die aktuelle Situation der Bundeswehr" stellte Prof. Dr. Gerd Strohmeier gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden des Deutschen BundeswehrVerbandes, Oberst Ulrich Kirsch, bei der Bundespressekonferenz vor. Foto: Christoph John

Unter dem Titel "Militärische und zivile Führungskräfte der Bundeswehr bewerten die aktuelle Situation der Bundeswehr" haben Politikwissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz eine Zielgruppenbefragung im Auftrag des Deutschen BundeswehrVerbandes durchgeführt. Die zentralen Ergebnisse der zweiten Erhebungswelle stellte Prof. Dr. Gerd Strohmeier, Inhaber der Professur Europäische Regierungssysteme im Vergleich, am 24. Juni 2013 bei der Bundespressekonferenz in Berlin vor. "Die äußerst hohe Beteiligungsquote von fast 60 Prozent kann darauf zurückgeführt werden, dass die Teilnehmer dem Thema und der Befragung eine herausragende Bedeutung beimessen. Sie lässt darauf schließen, dass - im Vergleich zur ersten Erhebungswelle - das Mitteilungsbedürfnis, das Problembewusstsein und wohl auch die Probleme gewachsen sind", so Strohmeier, der die Zielgruppenbefragung mit Unterstützung seines Mitarbeiters Christoph John durchgeführt hat.

Die 2010 angestoßene "Neuausrichtung der Bundeswehr" zielt in allen ihren Einheiten auf weniger und effizienteres Personal. Beispiel ist die Reduzierung des Personalumfangs auf 185.000 Soldaten. Zur Neuausrichtung befragt haben die Wissenschaftler Kommandeure, deren Stellvertreter, Kompaniechefs und -feldwebel. Zudem wurden erstmals zivile Führungskräfte der Bundeswehr in die Studie einbezogen. "Die Einschätzungen der zivilen Führungskräfte decken sich zumindest mit Blick auf die jeweiligen Tendenzen in der Regel weitgehend mit denen der militärischen", so Strohmeier.

Keine Verbesserungen seit der ersten Befragung

"Die Ergebnisse der zweiten Erhebungswelle sind - wie bereits die der ersten Welle - alarmierend. Sie signalisieren nach wie vor einen akuten politischen Handlungsbedarf", fasst Strohmeier die aktuellen Erkenntnisse zusammen. Aus den im September 2012 vorgestellten Ergebnissen der ersten Erhebungswelle seien nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen worden: "Vor etwa einem Jahr haben die Zielgruppenbefragung der TU Chemnitz und Studien des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr eine kritische Situation der Bundeswehr in der Neuausrichtung festgestellt. Das hat nicht zu entsprechenden Maßnahmen geführt. Die Situation hat sich infolgedessen nicht verbessert, zum Teil sogar verschlechtert", sagt Strohmeier.

Etwa drei Viertel der Befragten schätzen den Nachsteuerungsbedarf mit Blick auf die Neuausrichtung als groß oder sehr groß ein. Mehr als zwei Drittel bewerten die im Rahmen der Neuausrichtung angestrebte Größe der Bundeswehr als zu klein oder sogar viel zu klein, um den sicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlands und seiner Verbündeten gerecht zu werden. "Die Aufgabenerfüllung durch die Bundeswehr ist angesichts der im Rahmen der Neuausrichtung angestrebten Größe sowie der Investitionen in den Personalkörper gefährdet", warnt Strohmeier.

Gute Reputation aber mangelnde Motivation und Unterstützung

Dennoch bescheinigen die Befragten der Bundeswehr eine gute bis sehr gute internationale Reputation. "Die Aufgabenerfüllung durch die Bundeswehr im Auslandseinsatz ist ebenfalls gut bis sehr gut. Und das trotz Neuausrichtung, einer hohen Belastung und zum Teil schlechter Rahmenbedingungen", so der Chemnitzer Politikwissenschaftler. Die Neuausrichtung der Bundeswehr führe jedoch zu einer nachweislichen Demotivierung - sowohl bei den Führungskräften als auch bei den ihnen unterstellten Soldaten.

Zudem, so ein weiteres Ergebnis der Befragung, fühlen sich die militärischen Führungskräfte von der Politik im Stich gelassen - mit Ausnahme des Bundesministeriums der Verteidigung. Auch die Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft stellt sich als mangelhaft dar. Zudem fehlt es der Bundeswehr an Attraktivität und ihrem Nachwuchs an Qualität. "Nur 17 Prozent der militärischen Führungskräfte würden den ihnen nahe stehenden Personen, zum Beispiel den Kindern, gegenwärtig einen Dienst in den Streitkräften empfehlen. Im Rahmen der ersten Erhebungswelle waren es immerhin noch 22,3 Prozent", berichtet Strohmeier.

Beteiligungsquote herausragend und überraschend

Die Beteiligung an der Befragung war vom 2. April bis zum 10. Mai 2013 auf dem Postweg möglich. Insgesamt füllten 2.223 der 3.823 befragten militärischen Führungskräfte den Fragebogen ordnungsgemäß aus. Das entspricht einer Beteiligungsquote von 58,1 Prozent. Von den 168 befragten zivilen Führungskräften sandten 93 den vollständig beantworteten Fragebogen zurück. Das sind 55,4 Prozent. "Die Beteiligungsquote bei den militärischen Führungskräften ist - im Vergleich zu anderen bekannten Befragungen sowie zur Beteiligungsquote in der ersten Erhebungswelle, die um ein Drittel übertroffen werden konnte - absolut herausragend und äußerst zufrieden stellend. Angesichts des Beantwortungsaufwandes, der Größe des Befragtenkreises und der wiederholten Befragung ist sie durchaus überraschend", schätzt Strohmeier ein, der auch die Beteiligungsquote bei den zivilen Führungskräften als "äußerst zufrieden stellend" bezeichnet.

Die Studie ist insgesamt auf drei Jahre angelegt. Die erste Erhebungswelle fand im Juni und Juli 2012 statt.

Die ausführlicheren Ergebnisse der zweiten Auswertungsrunde sind online verfügbar: http://www.tu-chemnitz.de/zielgruppenbefragung

Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Gerd Strohmeier, Telefon 0371 531-37612, E-Mail gerd.strohmeier@phil.tu-chemnitz.de.

Die Präsentation der Ergebnisse bei der Bundespressekonferenz kann im Youtube-Kanal des BundeswehrVerbandes nachverfolgt werden.

Katharina Thehos
24.06.2013

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