Springe zum Hauptinhalt
Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
TUCaktuell
TUCaktuell Internationales

Von der Stadtduma bis in den Kreml

Europa-Studentin Amelie Stelzner berichtet von ihrer Teilnahme am Deutsch-Russischen Jugendparlament in Moskau

  • Amelie Stelzner (r.) leitete gemeinsam Sofia Bragina den Ausschuss, der sich mit Chancengleichheit und Gleichberechtigung der Jugend beschäftigte. Bei der Abschlusssitzung des Petersburger Dialogs wurden die Ergebnisse des Jugendparlaments der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Vladimir Putin vorgestellt. Sie fand im Alexandersaal im Kreml statt. Foto: privat

Vom 11. bis 17. November 2012 tagte das Deutsch-Russische Jugendparlament zum achten Mal. Das Jugendparlament wurde von Dr. Hans-Friedrich von Plötz, Botschafter a.D., mit russischen Kollegen gegründet. Es findet jedes Jahr parallel zum Petersburger Dialog abwechselnd in Deutschland oder Russland statt. Von deutscher Seite wird das Jugendparlament von der "Stiftung Deutsch Russischer Jugendaustausch" organisiert und von verschiedenen Stiftungen und Firmen gesponsert. Es soll den Austausch zwischen Russen und Deutschen intensivieren, Vorurteile abbauen und zu einer besseren Völkerverständigung beitragen. Hier kommt der Jugend eine wichtige Funktion zu. Außerdem dient das Parlament als Schule der Zivilgesellschaft, indem durch die parlamentarische Arbeit und Diskussion die essentiellen Grundlagen der Demokratie erfahrbar gemacht werden. Ziel der diesjährigen Veranstaltung war es, zusammen mit den 25 russischen Teilnehmern unter dem Motto "2012 - gemeinsame Antworten auf neue Herausforderungen?" ein Papier zu verfassen, das Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Vladimir Putin im Rahmen der Abschlussveranstaltung des Petersburger Dialogs vorgestellt werden sollte.

Ich bekam als eine von 25 Deutschen die Chance, am 8. Jugendparlament in Moskau teilzunehmen. Schon im September nahm ich an einem Bewerbungsverfahren im Internet teil und glücklicherweise fiel die Wahl auch auf mich. Die deutschen Jugendparlamentarier lernte ich bereits beim gemeinsamen Hinflug kennen. Das erste Treffen mit den Russen fand am darauffolgenden Tag in unserer Unterkunft, dem 3-Sterne-Hotel Tourist, statt. Im Rahmen der ersten Plenarsitzung wurden vier Ausschüsse gebildet, die sich paritätisch aus deutschen und russischen Mitgliedern zusammensetzten. Aufgabe eines jeden Ausschusses war es, ein Konsensuspapier zu einem vorgegebenen Thema zu erarbeiten, das im Plenum vorgestellt, nochmals debattiert und beschlossen werden sollte. Das Endresultat sollte dann Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Putin, die sich anlässlich des Petersburger Dialogs in Moskau aufhielten, vorgestellt werden. Für einen von vier Ausschüssen wurde ich als Vorsitzende der deutschen Seite gewählt und leitete und repräsentierte diesen zusammen mit meiner russischen Kollegin. Wir beschäftigten uns mit den Themen Chancengleichheit und Gleichberechtigung der Jugend.

Die darauffolgenden Tage waren von Plenardebatten und dem Besuch verschiedener politischer Einrichtungen gefüllt. Die offizielle Eröffnung fand in der Moskauer Duma statt, wo wir mit russischen und deutschen Experten sprechen konnten, zum Beispiel mit Vertretern der Botschaft sowie der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Friedrich-Naumann-Stiftung. Eine Einführung in die russische Arbeitsweise der Politik erhielten wir im russischen Föderationsrat, der unserem Bundesrat entspricht.

Ein Höhepunkt war der Besuch der Staatsduma, wo uns trotz vorheriger Anmeldung die Sicherheitskräfte zwei Stunden vor der Tür warten ließen. Nachdem uns Einlass gewährt wurde, kamen wir mit Abgeordneten ins Gespräch. Zum Teil waren sie sehr interessiert und offen, andere standen unserem Jugendparlament eher skeptisch gegenüber.

Es war schwierig, neben dem Besuch wichtiger politischer Institutionen und zahlreicher Expertengespräche die Ausschussarbeit nicht zu vernachlässigen. Jeden Abend zogen sich die Diskussionen bis spät in die Nacht hinein und anschließend mussten die Zwischenergebnisse noch im Plenum vorgestellt werden. Diskutiert wurde in einem Mix aus Russisch und Deutsch, was sehr gut klappte,. Bei den offiziellen Veranstaltungen gab es Dolmetscher. Die Debatten wurden kontrovers geführt und waren oft hitzig. Selten konnten wir uns schnell auf einen Standpunkt einigen. So kam es, dass manche die Pausen nutzten, um sich bei einem Spaziergang abzureagieren und andere während der Pausen alleine und frustriert gegessen haben. Die meisten hingegen waren begeistertet bei der Arbeit und diskutierten sogar bei den gemeinsamen Mahlzeiten weiter über die Ausschussarbeit. Trotz sehr unterschiedlicher Anschauungen kamen wir gut voran und freuten uns auf die endgültige Präsentation unserer Arbeit im Plenum.

Bei der Abstimmung über die Ergebnispapiere der verschiedenen Ausschüsse und einer Reihe von Änderungsanträgen krachte es aber doch noch richtig. Hier offenbarte sich eine unterschiedliche Streit- und Diskussionskultur zwischen der russischen und deutschen Delegation, und es mussten viele Kompromisse hart erarbeitet werden. Zu beachten sind hierbei die immer noch ungleichen sozioökonomischen Bedingungen in Deutschland und Russland. Insgesamt war das Klima jedoch exzellent und bis auf wenige Tabus wie Homosexualität konnte man offen über alle Themen reden. So kam es, dass zum Ende hin die Unterschiede zwischen russischen und deutschen Teilnehmern immer mehr verwischten, bis auf eine Ausnahme: Trotz Minustemperaturen traf man die Russinnen stets sehr schick gekleidet mit kurzen Röcken und frisch geputzten, glänzenden High Heels an.

Insgesamt erkannten wir viele gemeinsame Probleme, die in das Abschlusspapier aufgenommen wurden. Konkret forderten wir die Sicherstellung einer paritätischen und angemessenen Finanzierung des Jugendaustauschs auf beiden Seiten, Erleichterungen bei der Visaerteilung, Intensivierung des Studenten- und Auszubildendenaustausches, gegenseitige Anerkennung von Universitäts-, Schul- und Berufsabschlüssen und vieles mehr. Außerdem waren wir Teilnehmer uns einig, dass in der deutschen Presse immer noch ein sehr einseitiges und negatives Bild von Russland gezeichnet wird. Hier müssen Anstrengungen unternommen werden, um das zu ändern.

Die Abschlussplenarsitzung und Präsentation der Ergebnisse fand in der Stadtduma statt. Mit dem endgültigen Ergebnispapier des gesamten Parlaments war nun die absolute Mehrheit zufrieden, und so stieg die Freude auf der Fahrt in den Kreml immer mehr. Zusammen mit den Teilnehmern des Petersburger Dialogs eskortierte uns die Polizei in den Kreml. Der große Kremlpalast ist durch seine prunkvolle Architektur und die reichhaltigen vergoldeten Ornamente sehr beeindruckend. Hier stellten unsere Ko-Präsidenten Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Putin im Rahmen der Abschlusssitzung unsere konkreten Forderungen vor. Diese Zeremonie und die Möglichkeit, die Bundeskanzlerin, den Präsidenten und andere wichtige Persönlichkeiten wir Gorbatschow aus nächster Nähe zu erleben, waren das Highlight des gesamten Aufenthalts.

Unser Abschlusspapier wird nun an alle betreffenden Behörden in Deutschland und Russland weitergeleitet, und wir hoffen sehr, dass einige unsere Forderungen umgesetzt werden.

Nachdem die offizielle Arbeit damit abgeschlossen war, wurde am Abend gemeinsam gefeiert und der Samstag dafür genutzt, Moskau zu erkunden. Besonders beeindruckend waren die Christi Erlöserkirche und die verbliebenen Denkmäler und Bauten aus der Sowjetzeit. Nach einer ereignisreichen Woche fiel der Abschied am Sonntag allen schwer, da wir in dieser Woche viele neue Freunde gewonnen haben.

(Autorin: Amelie Stelzner)

Katharina Thehos
24.11.2012

Alle „TUCaktuell“-Meldungen
Hinweis: Die TU Chemnitz ist in vielen Medien präsent. Einen Eindruck, wie diese über die Universität berichten, gibt der Medienspiegel.