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Stimmungsschwankungen zwischen Nord- und Südkorea

Korea als Faktor der Weltpolitik: Prof. Dr. Byeong-Seog Park aus Südkorea stellt sich den Fragen von zwei Chemnitzer Studierenden der Politikwissenschaft

  • Prof. Dr. Byeong-Seog Park Foto: privat

Prof. Dr. Byeong-Seog Park lehrt seit diesem Wintersemester auf Einladung von Prof. Dr. Beate Neuss, Inhaberin der Professur für Internationale Politik, an der Technischen Universität Chemnitz, über Korea als Faktor der Weltpolitik. Der gebürtige Südkoreaner studierte zwischen 1984 und 1991 Politologie am Otto-Suhr-Institut in Berlin. Der Kontakt nach Deutschland ist nie abgerissen. Im Rahmen seiner Gastprofessur gibt er fundierte Einblicke in die Politik der ostasiatischen Region. Die beiden Studierenden der Politikwissenschaft Christin Diana Becker und Georg Sanderhoff diskutierten mit Prof. Park über die Atompolitik Nordkoreas, über jüngste Zwischenfälle in der Grenzregion zwischen Süd- und Nordkorea und über die Beziehungen zwischen Seoul und Pjöngjang.

Am 23. November 2010 hat das nordkoreanische Militär Artilleriegeschosse auf die nur zwölf Kilometer vor seiner Küste gelegene südkoreanische Insel Yeonpyeong abgefeuert. Ist dies die erste Stufe einer kriegerischen Eskalation?

Nein, ich würde es eher als einen von vielen Zwischenfällen beschreiben. Neu war allerdings, dass auch die Zivilbevölkerung betroffen war. Bei dem Angriff wurden zahlreiche Häuser zerstört und er forderte darüber hinaus auch vier Todesopfer.

Muss man in Zukunft häufiger mit derartigen Zwischenfällen rechnen?

Das Risiko weiterer Vorfälle ist gerade auf den Inseln im Gelben Meer ziemlich hoch. Im Waffenstillstandsabkommen vom Juli 1953 wurde nur der Verlauf der Festlandgrenze, aber nicht der Seegrenze geregelt. Insbesondere nordkoreanische Fischerboote, die unter Militärschutz die Demarkationslinie überqueren, sorgen für reichlich Konfliktstoff in der Region. Dabei wird diese Seegrenze bereits seit über 50 Jahren international eingehalten und ist damit de facto anerkannt

Folgen die Provokationen Nordkoreas einer bestimmten Logik? Oder anders gefragt: Welche Ziele verfolgt die politische Führung in Pjöngjang?

Kim Jong Il versucht mit seinen Provokationen vor allem, seinen Sohn Kim Jong Un als Nachfolger zu etablieren. Dabei geht es primär um eine Legitimation nach innen. Zudem versucht die nordkoreanische Führung in der entmilitarisierten Zone immer wieder für Konfliktpotential und internationale Aufmerksamkeit zu sorgen, um eine endgültige Grenzfestlegung zu forcieren. Als langfristiges Ziel kann ein Friedensvertrag mit Südkorea betrachtet werden, da sich Nord- und Südkorea offiziell immer noch im Kriegszustand befinden. Ein Friedensvertrag würde die Anerkennung des nordkoreanischen Staates nach außen erhöhen.

Wie sollte der Westen auf solche Provokationen reagieren? Reichen härtere Sanktionen aus, um Nordkorea zur Räson zu bringen?

Zu den Sanktionen scheint es keine Alternative zu geben. Die Westmächte sollten verstärkt diplomatischen Druck auf Nordkorea ausüben. So hat das Auswärtige Amt in Berlin den nordkoreanischen Botschafter als Reaktion auf die Krise einbestellt, was in der internationalen Diplomatie ein starkes Signal darstellt. Das Verhalten der Bundesrepublik war in diesem Fall vorbildlich und angemessen für ein Land, das einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat anstrebt.

Welche Rolle spielt China im Konflikt? Wird sich diese Rolle durch die jüngsten Vorfälle verändern?

China ist das Land mit dem größten Einfluss auf Nordkorea und auch an einer solchen Einflussnahme interessiert. Eine zu starke Intervention in den Konflikt lehnt die chinesische Regierung jedoch ab. Allerdings sollte China als neutraler Vermittler agieren und sich gerade bei Vorfällen wie dem jüngsten Angriff auf Yeonpyeong klarer positionieren und Kritik offen äußern. Der Aufruf zur Wiederaufnahme der Sechsergespräche geht dabei in die richtige Richtung. Allerdings muss Nordkorea zuvor die Verantwortung für die jüngsten Ereignisse übernehmen und sich offiziell entschuldigen.

Die Beziehungen zwischen Seoul und Pjöngjang waren in den vergangenen Jahren insbesondere wegen des nordkoreanischen Atomprogramms bereits sehr angespannt. Nordkorea hatte erstmals im Oktober 2006 und dann im Mai 2009 Atomwaffen getestet. Der Atomkonflikt ist Thema Ihres Seminars. Wie groß ist Ihrer Meinung nach die Gefahr eines Atomkrieges in der Region?

Ein Atomkrieg in der Region ist meiner Ansicht nach nicht zu befürchten. Das Atompotential wird von Seiten Nordkoreas primär zur Abschreckung genutzt. Der nordkoreanischen Führung ist durchaus bewusst, dass ein Atomwaffeneinsatz auch für das eigene Land weitreichende Folgen haben würde. Schließlich ist eine Reaktion seitens der Atommächte China und USA wahrscheinlich.

Wie schätzen Sie die Stimmung innerhalb der südkoreanischen Gesellschaft ein? Fürchten die Südkoreaner einen Atomstaat im Norden?

Aufgrund der häufigen Übertreibungen des nordkoreanischen Regimes wird die Bedrohung der Atommacht im Norden in der Bevölkerung Südkoreas, entgegen der medialen Darstellung, als weniger dramatisch empfunden.

Sehen Sie unter diesen Vorzeichen eine Chance für eine Wiedervereinigung von Süd- und Nordkorea? Würde es bei einer solchen Parallelen zur deutschen Wiedervereinigung geben?

Ähnlich wie in Deutschland wird eine eventuelle Wiedervereinigung nicht in Form eines langen Prozesses stattfinden, sondern sicherlich recht schnell vonstatten gehen. Das südkoreanische Wiedervereinigungsministerium hat für den Fall eines einheitlichen koreanischen Staates bereits ein entsprechendes Konzept entwickelt. Im Gegensatz zu Deutschland liegen in Falle Koreas jedoch andere Rahmenbedingungen vor. So könnte China den Wiedervereinigungsprozess entscheidend mitbestimmen, während der Sowjetunion eine solche Einflussnahme aufgrund des eigenen Niederganges überhaupt nicht möglich war. Das Zusammenwachsen beider Landesteile wird jedoch wesentlich länger als in Deutschland dauern, da Südkorea ökonomisch nicht mit dem früheren Westdeutschland zu vergleichen ist. Zudem gab es viermal mehr Westdeutsche als Ostdeutsche, während auf jeden Nordkoreaner nur zwei Südkoreaner kommen. Um die negativen Folgen einer eventuellen Wiedervereinigung begrenzen zu können, wird Korea viel Hilfe und Unterstützung aus dem Ausland benötigen.

Weitere Informationen zum Gesprächsthema erteilt Prof. Dr. Byeong-Seog Park, Telefon 0371 531-27730, E-Mail postpark@gmail.com

Mario Steinebach
09.12.2010

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