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Pearl Harbor und der 11. September - zwei Wunden, eine Nation

Traum(a)deutung: Marcel Hartwig promovierte an der TU Chemnitz über den Stellenwert der Anschläge auf Pearl Harbor und das World Trade Center für die nationale Identität der USA

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Recherche auf Hawaii: Marcel Hartwig am USS Arizona Memorial in Pearl Harbor, das an den Untergang des gleichnamigen Kriegsschiffs während des japanischen Luftangriffs erinnert Foto: privat

"Mit dem 11. September meint heute niemand mehr ein bloßes Datum", sagt Marcel Hartwig, der an der TU Chemnitz im Fach Amerikanistik promoviert hat, und ergänzt: "Die Anschläge vom 11. September 2001 brachen als unerwartetes Ereignis in unseren sozialen Alltag ein und sie rufen bis heute heftige Gemütsregungen hervor." Bereits am darauf folgenden Tag seien in öffentlichen Diskursen Parallelen zum Angriff auf Pearl Harbor gezogen worden. In seiner Dissertation zum Thema "Traum(a)deutung: Pearl Harbor und 9/11 - Zwei Wunden, eine Nation" ging Hartwig deshalb zwei Fragen nach: Welchen Stellenwert hat der Angriff Japans auf die US-Marinestation Pearl Harbor vom 7. Dezember 1941 für die nationale Identität der USA? Und weshalb wurde er in eine direkte Verbindung zu den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 gerückt? Betreut wurde die mit summa cum laude bewertete Dissertation von Prof. Dr. Evelyne Keitel, Inhaberin der Professur Amerikanistik an der TU Chemnitz.

"Es gibt tatsächlich viele Parallelen zwischen den beiden Ereignissen", berichtet Hartwig. "Beides sind Luftangriffe, sie sind verursacht durch einen von außen kommenden Aggressor, sie stellen die Normalität des Alltages auf den Kopf, sie verändern die bis dato existente gesellschaftliche Ordnung in den USA und verletzen das Sicherheitsempfinden der angegriffenen Nation", erklärt der TU-Absolvent. Er versteht die beiden Ereignisse in seiner Promotion als nationale Traumata, die medial produziert sind. Deshalb untersucht er, wie die Geschehnisse in Massendiskursen erzählt werden. Er analysiert in insgesamt elf Hollywoodproduktionen, wie die Geschichte der beiden Ereignisse eine multikulturelle Gesellschaft zu einen vermag und über Generationen hinweg ein Massenpublikum erreicht.

Die mediale Verarbeitung des 11. Septembers - so die These der Dissertation - sei maßgeblich durch die Erinnerung an Pearl Harbor beeinflusst. In dieser Form bestärken beide Ereignisse ein Nationalgefühl und wurden für die Rechtfertigung von Kriegen genutzt. "Trauerarbeit ist dabei eine Verdrängungsarbeit. Sie wird abgelöst durch das öffentliche Bekenntnis zu nationalen Mythen, sowohl auf politischer als auch auf kultureller Ebene", sagt Hartwig und ergänzt: "Die Traumata dienen der Bestätigung nationaler Identität durch funktionalisierte Geschichte." Die untersuchten Filme zeigten Ähnlichkeiten in der Darstellung nationaler Selbst- und Feindbilder sowie in der Vermittlung des jeweiligen nationalen Traumas und in der Ästhetik - also beispielsweise in der Kameraführung, der Farbwahl und der Tongestaltung. Außerdem werde die Geschichte so erzählt, dass der durch die Ereignisse entstandene Riss im nationalen Gewebe sinnstiftend geschlossen werde. In den Filmbeispielen habe sich außerdem ein Wiederholungszwang erkennen lassen - das Trauma werde in einer medialen Endlosschleife immer weiter verschoben, ohne je aufgelöst werden zu können. Durch das Wiederholen und Umschreiben dieser Darstellungen entstünden eigene Bilder über die Nation und über den ihr entgegengestellten Aggressor, die Produzenten und Konsumenten als natürlich empfänden. "Kurzum: Es entsteht eine Vergangenheit, die niemals Gegenwart war", fasst Hartwig zusammen.

Weitere Informationen erteilt Marcel Hartwig, Telefon 0371 531-37317, E-Mail marcel.hartwig@phil.tu-chemnitz.de.

Katharina Thehos
16.07.2010

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