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"Es ist Bahn fahren pur"

Dr. Angela Poppitz, Absolventin des Studienganges Soziologie, kümmert sich um Fahrpreise, Tickets und den Kontakt zu Kooperationspartnern bei der DB Regio AG in Bayern

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Zug fahren als Dienstleistung und Kinderspiel: Dr. Angela Poppitz engagiert sich neben ihrer Arbeit bei der Deutschen Bahn für die Münchner Kita Heldstraße. Foto: privat

"Eigentlich wollte ich Journalistik studieren", berichtet Dr. Angela Poppitz, Absolventin des Diplomstudienganges Soziologie an der TU Chemnitz und fügt hinzu: "Ich fand, dass Journalistik und Soziologie sehr gut zusammenpassen, da beide auf ihre und doch auf ähnliche Weise versuchen, das Leben in der Gesellschaft und Gemeinschaft zu erforschen und wiederzugeben." So studierte sie ein Jahr lang Soziologie, Journalistik und Geschichte an der Universität Leipzig, merkte aber bald, dass Journalistik ihr nicht liegt. So orientierte sie sich neu und wechselte an die Chemnitzer Universität zum 1995 noch ganz jungen Diplomstudiengang Soziologie mit den Nebenfächern Öffentliches Recht und Betriebswirtschaftslehre. "Das war Forschung mitten im und aus dem Leben", berichtet Poppitz und schätzt ihre Studienzeit an der TU positiv ein: "Ich war damals eine der ersten Absolventinnen der Soziologie in Chemnitz und wurde stets sehr gut betreut, die Professoren und Wissenschaftlichen Mitarbeiter hatten immer ein offenes Ohr. Ich fühlte mich einfach wohl."

Prof. Dr. G. Günter Voß, Inhaber der Professur Industrie- und Techniksoziologie, hat Angela Poppitz bei ihrem Promotionsvorhaben unterstützt. "Die Idee meiner Doktorarbeit - die Untersuchung des Bahnalltags von Pendlern und Geschäftsreisenden - kam eigentlich über Nacht, als ich mir ihm Rahmen eines Forschungsprojektes zur Dienstleistungsarbeit im Zugbegleitdienst immer wieder die Frage stellte, warum reagieren Bahnreisende häufig in der Interaktion mit den Zugbegleitern sehr emotional, warum eskalieren Interaktionen", sagt Poppitz und fügt hinzu: "Es muss etwas mit dem persönlichen Alltag der Reisenden zu tun haben, den sie auch im Zug als eine Art zweites Gepäck mit sich herumtragen." Prof. Voß war von ihrer Idee sehr angetan und ermutigte sie, sich für ein Stipendium bei der Hans-Böckler-Stiftung zu bewerben, die sie materiell und ideell für vier Jahre unterstützte. Voß hat sie des Weiteren immer wieder ermuntert, Vorträge zu halten und Aufsätze zum Thema zu verfassen und sich so ein Netzwerk aufzubauen. "Darin war ich auch ganz erfolgreich. Ich wurde aktives Mitglied des internationalen Mobilitätsnetzwerkes ‚Cosmobilities’ und gründete auch in Deutschland das Netzwerk ‚Räumliche Mobilität in der Zweiten Moderne’ mit", berichtet die 33-Jährige. Anliegen ihrer Dissertation ist es, zu zeigen, welche Rolle die Benutzung des Verkehrsmittels Bahn in der modernen Arbeitswelt spielt und wie Pendler und Geschäftsreisende mit den Anforderungen des beruflichen Bahnfahrens alltagspraktisch umgehen. Die Untersuchung kommt unter anderem zu dem Schluss, dass die Vereinbarung von Bahn fahren und Erwerbsarbeit oft vielfältige Probleme bereitet, die von den arbeitsbedingt Reisenden nicht immer allein gelöst werden können. Vielmehr bedarf es auch Unterstützung durch Arbeitgeber, Interessenvertreter oder Mobilitätsdienstleister. Die Dissertation ist im Rainer Hampp Verlag als Buch erschienen: "Beruflich Bahn fahren. Aneignung des arbeitsbedingten Bahnalltags bei Pendlern und Geschäftsreisenden."

Während ihrer Promotion hatte Poppitz schon Kontakt zur Deutschen Bahn und absolvierte im Bereich Personenverkehr ein zweimonatiges Praktikum. Ab März 2008 war sie Trainee bei der DB Regio AG, Region Bayern. "Nachdem ich mich so viele Jahre als Forscherin mit Bahnfahren beschäftigt hatte, wollte ich auch einmal intensiver hinter die Kulissen schauen", berichtet Poppitz und fügt hinzu: "Während meiner einjährigen Trainee-Zeit lernte ich den Alltag im Unternehmen Bahn in seinen zahlreichen Facetten kennen und merkte, wie unheimlich komplex es ist, die Dienstleistung Bahnfahrt bereitzustellen." Seit drei Monaten ist Angela Poppitz Referentin für Tarife und Kooperationen. Sie arbeitet im Bereich Marketing in einer Abteilung, die sich um Themen wie Service-Qualitätsmanagement, Qualifizierung der Kundenbetreuer des Nahverkehrs, Fahr- und Ticketangebote, den Vertrieb der Tickets im Fahrausweisautomaten, aber auch um die Schnittstellenarbeit zu Verkehrsverbünden und anderen privaten Eisenbahnunternehmen kümmert.

Auf den ersten Blick hat diese sehr operative Tätigkeit wenig mit Soziologie zu tun. "Was mir aber stets bei der Arbeit hilft, ist das Denken in komplexen Zusammenhängen und die Fähigkeit, abstrakte Aufgabenstellungen mit leicht verständlichen Inhalten zu füllen", sagt Poppitz. "Sehr hilfreich ist auch die empirische Neugier, wenn es darum geht, neue Ideen zu entwickeln und Konzepte zu erstellen", so Poppitz weiter. Aus ihrer Tätigkeit als Chemnitzer Quartiermanagerin weiß sie, was es heißt, unterschiedliche Interessen zusammen zu bringen. Heute verhandelt sie mit Vertretern von Verkehrsverbünden und Wettbewerbern. "Meine Tätigkeit ist unheimlich vielfältig und abwechslungsreich und es ist in der Tat Bahn fahren pur", berichtet Poppitz und fügt hinzu: "Letztlich ist es das komplette Gegenteil in der Arbeitsweise im Vergleich zu meiner bisherigen Arbeit als Forscherin. Ergebnisse erzielt man schon nach kurzer Zeit und erfährt unmittelbar die Reaktionen der Kunden und Zugbegleiter. "Es ist ein schönes Gefühl, wenn man dann ein Ticket in der Hand hält, welches man selbst geschaffen hat", weiß Poppitz.

Was die Umsetzung von Ergebnissen ihrer Dissertation in der Praxis angeht, so ist das gerade bei einem so großen Unternehmen wie der Bahn ein sehr langwieriger Weg - es bedarf selbst bei kleinen Maßnahmen komplexer Abstimmungs- und Realisierungsprozesse. Sie hofft jedoch, dass Anregungen aus ihrer Promotion nicht nur bei der Deutschen Bahn Interesse finden, sondern auch bei Arbeitnehmervertretungen und Unternehmen, die sich mit dem Thema Mobilität ihrer Beschäftigten auseinandersetzen.

Neben ihrer beruflichen Tätigkeit begleitet sie noch ein spannendes Ehrenamt: Sie ist Vorstandsmitglied des Vereins und der gleichnamigen Münchener Kindertagesstätte Kita Heldstraße. Vor vier Jahren hat sie die Kindertagesstätte mit gegründet, die seitdem von sieben Eltern ehrenamtlich als Kleinbetrieb mit sieben Angestellten geführt wird. Dort hat sie die Verantwortung für die Mitarbeiterinnen, aber auch für 31 Kinder übernommen. "Ich habe mich in pädagogischen Betreuungskonzepten weitergebildet, treffe Entscheidungen zur strategischen Ausrichtung des Kindertagesstättenbetriebes, führe Bewerbungs- und Mitarbeitergespräche mit Personal, und organisiere die Besetzung der Betreuungsplätze mit neuen Kindern. Außerdem bin ich Ansprechpartnerin für alle Belange, die Eltern im Kitabetrieb haben können", sagt Poppitz und fügt hinzu: "Es ist schon ein sehr zeitaufwändiges Hobby, was eigentlich kein Hobby ist, sondern eher ein unbezahlter Nebenjob mit großen, aber spannenden Herausforderungen." Auch hier kann sie letztlich die Früchte ihrer Arbeit direkt bewundern, indem sie sieht, wie sehr es ihrer Tochter in der Kita gefällt und sie Tag für Tag neue Dinge lernt.

(Autorin: Anett Stromer)

Katharina Thehos
15.06.2009

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