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Gut zu Fuß dank des virtuellen Schuhs

Chemnitzer Informatiker entwickeln eine virtuelle Schuhpräsentation, die Industrie und Handel zukünftig Zeit und Geld bei der Musterproduktion einsparen lässt

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Schuhe in der 3D-Welt: Prof. Dr. Guido Brunnett hält eine Schuhattrappe in der Hand, deren Sensoren Bewegungen auf das virtuelle Schuhmodell übertragen. Farben, Materialien, Absätze oder Schmuckelemente können mit einem Auswahlstift festgelegt werden. Foto: TU Chemnitz

Von „der letzte Schrei“ über klassisch elegant bis sportlich oder fußfreundlich - die internationalen Trends bestimmen auch das Repertoire in der Schuhwelt. Doch bisher ist die Musterproduktion für ein Schuhmodell ein kostspieliges Unterfangen. Das Forscherteam um Prof. Dr. Brunnett, der die Professur für Graphische Datenverarbeitung und Visualisierung an der TU Chemnitz inne hat, arbeitet seit August 2005 daran, das Schuhdesign über eine virtuelle Präsentation zu perfektionieren. Durch das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit über die AIF geförderte Projekt sollen Industrie und Handel in naher Zukunft enorme Kosten und Zeit bei der Musterproduktion von Schuhen einsparen.

„Ist eine Schuhkollektion einmal entworfen, reihen sich daran zahlreiche Arbeitsschritte bis das erste Muster auf Messen oder dem Handel vorgestellt werden kann. Leisten, Modelle, Sohlen und Absätze müssen entwickelt, Materialien geordert werden. Dann werden die einzelnen Komponenten zu Modellen zusammengestellt und verschiedene Ausführungen angefertigt“, erläutert der Diplom-Mathematiker Horst Wagner. Die große Zahl der zu entwickelnden Modelle macht allerdings einen hohen Kostenfaktor aus, und auch Änderungen zögern den Produktionsprozess heraus. „Heutzutage benötigen die Hersteller etwa fünf Monate für die Entwicklung einer Kollektion. Enorme Zeit könnte eingespart werden, wenn die Entwicklung der einzelnen Komponenten parallel verlaufen würde“, so Wagner. Schon jetzt arbeiten Unternehmen mit modernen rechnergestützten Konstruktionssystemen (CAD-Systeme), die zwar eine 3D-Darstellung von einem Schuhmodell ermöglichen, aber keinesfalls eine komplette stereoskopisch-fotorealistische Darstellung mit allen Komponenten im Zusammenspiel. Zudem ziehen es Designer und Modelleure immer noch vor, den Musterschuh in der eigenen Hand zu prüfen.

Das Forscherteam um Prof. Dr. Brunnett, das auch von dem Prüf- und Forschungsinstitut für die Schuhherstellung e.V. Pirmasens und der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e.V. Berlin Unterstützung erhält, hat nun den Grundstein für ein Virtuelles Prototyping im Bereich der Schuhproduktion gelegt, um möglichst früh Fehlentwicklungen bei der Modellherstellung zu vermeiden und damit Zeit und Geld zu sparen. Die Forscher haben ein System entwickelt, dass die 3D-Daten der einzelnen Schuhkomponenten zu einem virtuellen Schuhmodell zusammenführt, gegebenenfalls um VR-spezifische Informationen ergänzt, und räumlich z.B. über einen 3D-Bildschirm, einen Datenhelm oder ein großflächiges Projektionssystem darstellt. Die Ergebnisse vorgelagerter Produktionsprozesse, die von der Idee und dem Entwurf bis zur Fertigungsvorbereitung eines Schuhmodells reichen, können über diese visuelle Präsentation dargestellt werden. „Zudem ermöglicht das System, dass der Betrachter seinen Standpunkt, seine Blickrichtung als auch die Position des virtuellen Schuhs beliebig verändern kann“, erklärt Diplom-Informatiker Stephan Rusdorf. Die Interaktion zwischen dem Betrachter und der virtuellen Präsentation wird unter anderem über eine Schuhattrappe realisiert, die der Benutzer in der Hand hält. Bewegungssensoren an der Attrappe übertragen ihre Bewegungen auf das virtuelle Schuhmodell, ohne dass bei der Visualisierung Verzögerungen oder ruckartige Bildsequenzen entstehen. Farben, Materialien, Absätze oder Schmuckelemente können so ausgewählt, kombiniert und anhand der virtuellen Repräsentation des Schuhs sofort beurteilt werden.

„Natürlich wird es nicht soweit kommen, dass Musterstücke in Zukunft gar nicht mehr gefertigt werden, doch die Vorteile, die das virtuelle Prototyping bietet, werden mit Sicherheit zum Tragen kommen. Die Modelleure und Designer können sich virtuell austoben, die Modelle anhand der Repräsentation beurteilen und dann entscheiden, was wirklich in die Musterfertigung gehen sollen. Das ist ein klarer Zeit- und Kostenvorteil für die Hersteller“, betont Prof. Brunnett. Die Forschungsergebnisse, die das Team bis 2007 sammelt, sollen außerdem in ein Folgeprojekt fließen, in dem man sich unter anderem mit der Zusammenstellung von Schuhmodellen aus maßlich nicht konformen Schuhbestandteilen beschäftigen will. Aber schon jetzt haben die Forscher in der Schuhindustrie Interesse geweckt, und das auch bei den Herstellern orthopädischer Schuhe.

(Autorin: Janine Mahler)

Weitere Informationen erteilt Dipl.-Math. Horst Wagner, Telefon (03 71) 5 31 - 12 67, E-Mail horst.wagner@informatik.tu-chemnitz.de.

Mario Steinebach
22.05.2006

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