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"Ich lebe derzeit in einem Land mit einer stabilen Krise"

Politikstudentin Karen Matzke über ein Magisterstudium zwischen Chemnitz, Beirut und den Jungen Europäischen Föderalisten

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Karen Matzke bereist gerne exotische Gegenden - gerade hat sie ein Auslandssemester im Libanon verbracht, wo sie derzeit noch für ihre Magisterarbeit recherchiert. Foto: privat

Sie ist 27 Jahre jung, aufgeschlossen und ein wenig abenteuerlustig. Karen Matzke, seit fünf Jahren Studentin der Politikwissenschaft und Interkulturellen Kommunikation (IKK), liebt es nicht nur Sprachen zu lernen und zu tanzen, sondern auch exotische Plätze auf dieser Welt zu bereisen. Neben ihrer Muttersprache Deutsch, spricht sie Spanisch, Englisch, Französisch, Arabisch und ein bisschen Polnisch. Sie studierte unter anderem schon drei Jahre Physik in Bayreuth und war dort mit einem Vordiplom mit eins auf dem besten Wege zur Physikerin. Nach einem einjährigen Erasmusaufenthalt in Spanien wechselte sie aber 2003 an die TU Chemnitz. Während ihres Studiums in Sachsen bereiste sie unter anderem Jordanien, absolvierte ein achtwöchiges Praktikum in Australien und ging 2006 ein Jahr lang für eine Nebenhörerschaft nach Berlin an die Freie Universität.

Die gebürtige Coswigerin ist viel unterwegs. Entweder als stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) oder als Stipendiatin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNSt). Das Stipendium der FNSt ermöglicht es ihr nun, für ein Jahr im Ausland zu leben. "Internationale Aufenthalte zur persönlichen Weiterbildung werden bei der Stiftung sehr gerne gefördert. Die generelle Entscheidung, mich für ein Stipendium bei der Friedrich-Naumann-Stiftung zu bewerben, wurde durch meine persönliche Geschickte gefördert. Meine Familie ist noch vor der Wende 1989 in den Westen geflüchtet. Daher weiß ich, was ein politisch und gesellschaftlich unfreies Leben bedeuten kann", so Matzke, die vor allem die ideelle Unterstützung der Stiftung in ihrer Stipendiatinnenzeit sehr schätzt.

Dass sie sich im Rahmen ihres Auslandsaufenthaltes für den Libanon entschieden hat, kommt auch nicht von ungefähr. Matzke hat sich schon immer für den Nahen Osten interessiert, erzählt sie bei ihrem Zwischenstopp in Chemnitz, kurz nach einer Klausur für ihr zweites Hauptfach IKK. "Grundsätzlich bin ich nach Beirut für mein Auslandssemester gegangen, weil ich weiter Arabisch lernen wollte. Ich war schon zweimal längere Zeit in Jordanien und fand es damals sehr schwierig. Ich habe auf dem Dorf in einer Gastfamilie gewohnt und mir damals nicht vorstellen können, dass ich später einmal im Nahen Osten leben könnte", erklärt Matzke. Mit ihrem jetzigen Aufenthalt in Beirut wollte sie es sich noch einmal beweisen, dass sie sich in der arabischen Welt zurechtfindet. Bisher ist ihr es auch geglückt, wie sie berichtet: "Das Unileben ist völlig anders als das auf dem Land. Zudem ist der Libanon auch sehr viel liberaler. Dadurch, dass ich ihre Sprache lerne, komme ich an die Leute anders heran. Selbst außerhalb vom Libanon, in Syrien, Ägypten und Jordanien fühle ich mich jetzt sehr viel wohler und sicherer. Die Leute reagieren viel positiver, weil ich arabisch spreche und aufgeschlossener auf sie zugehe."

Die Sicherheit, in der Ferne zurechtzukommen, liegt Matzke offenbar im Blut. Wer sechs Sprachen spricht und zudem seit vier Jahren bei JEF aktiv ist, weiß sich auch in "exotischen" Umgebungen durchzusetzen. Ihr IKK-Studium hilft ihr aktuell im Libanon, die Vielfalt von 18 offiziellen und zahlreichen inoffiziellen Religionen zu verstehen und den politischen Konflikt einzuordnen. Dass sie sich vorsichtig im Alltag verhalten muss, liegt allerdings mehr am turbulenten Verkehr, wie die 27-Jährige mit einem Schmunzeln erzählt: "Natürlich lebe ich derzeit in einem Land mit einer stabilen Krise. Aber wenn ich mich nicht sicher fühlen würde, dann wäre ich nicht hier. Hier und da muss man im Straßenverkehr mehr aufpassen, weil der Verkehr sehr hektisch ist. Aber sonst ist das Leben sehr normal." Trotzdem kann es immer wieder zu kämpferischen Auseinandersetzungen kommen. Beispielsweise fanden im Mai die letzten intensiven Kämpfe zwischen der Hisbollah und der Zukunftsbewegung statt. Damals war die angehende Politikwissenschaftlerin in unmittelbarer Nähe mit Freunden zusammen. "Die Unruhen waren in Westbeirut und der nächste Schauplatz war vielleicht einen Kilometer von uns entfernt. Die Maschinengewehre konnte man somit vom Balkon hören. Allerdings ist das Konfliktgebiet so eingegrenzt, dass wir am gleichen Abend noch in eine Kneipe gehen konnten. Am zweiten Tag der Belagerung sind wir wie viele andere Beiruter an den Strand gefahren, weil wir wussten, dass der Konflikt nicht nach Ostbeirut überschwappt, wo ich wohnte. Es war ein seltsames Gefühl, aber gleichzeitig hätte es nichts gebracht, sich zu Hause einzuschließen."

Nach einem Semester an der Amerikanischen Universität Beirut und ihrem Praktikum in der Delegation der Europäischen Kommission im Libanon beschäftigt sich Matzke gegenwärtig in ihrer Magisterarbeit mit der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) bezüglich des Libanons. "Ich analysiere die ENP, warum sie nicht klappt und wie sie klappen könnte. Da gibt es Gründe auf europäischer Seite, aber auch eine von politischen Hindernissen im Libanon." So befindet sich Matzke gerade noch in der Zeit der Informationssammlung und nutzt dafür ihre Kontakte in Beirut. Bis Februar nächsten Jahres soll die Arbeit stehen. Danach kommen die Abschlussprüfungen und wenn alles gut geht, kann sie sich vorstellen in Zukunft professionell etwa im Bereich der Politikberatung zu arbeiten. "Ich werde mich weltweit und sehr breit gefächert bewerben. Mal sehen, wo es mich hintreibt. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich mit meinem Abschluss ein guten Job finden werde." Bei so viel Energie und Engagement sollte das ein Leichtes für sie sein.

Wer sich für ein Stipendium eines Studienförderwerkes interessiert, erhält Informationen bei der "Initiative Pro Förderwerke" der TU Chemnitz: http://www.tu-chemnitz.de/stud/foerderwerke/

(Autorin: Carina Linne)

Katharina Thehos
22.10.2008

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