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University News Interview

Brücken zwischen mathematischen Teildisziplinen bauen

Elf Fragen an Jun.-Prof. Dr. Christian Lehn, der seit April 2016 Inhaber der Juniorprofessur Theoretische Mathematik ist

Jun.-Prof. Dr. Christian Lehn (33) ist seit April 2016 Inhaber der Juniorprofessur Theoretische Mathematik an der Fakultät für Mathematik. In elf Antworten gibt er den Lesern von „Uni aktuell“ Einblicke in seinen Werdegang, seine Ziele und seine Zeit in Chemnitz.

Was versteht man eigentlich unter theoretischer Mathematik?

Das ist eher eine Glaubens- als eine Sachfrage. Mathematik unterteilt sich inhaltlich in reine und angewandte Mathematik, wohingegen sich die Unterscheidung nach theoretisch und praktisch nach meinem Verständnis eher auf die Arbeitsweise beziehen und unabhängig von der Einteilung in rein oder angewandt sein sollte. Nach meiner Interpretation deutet die Wahl der Bezeichnung „Theoretische Mathematik“ für eine Juniorprofessur darauf hin, dass hier grundlegende Zusammenhänge zwischen den verschiedenen mathematischen Disziplinen im Fokus stehen und mehrere fundamentale mathematische Theorien und deren Wechselwirkungen untersucht werden sollen. Durch die hohe Spezialisierung der modernen Mathematik sind Kollaborationen und Austausch zwischen verschiedenen Teildisziplinen der Mathematik mitunter wesentlich schwieriger zu realisieren als dergleichen zwischen Mathematik und Physik, Informatik oder Technik. Allerdings haben solche Unterfangen innerhalb der Mathematik in jüngerer Zeit wunderbare Früchte getragen, die Mathematik steht als Wissenschaft vor großen Veränderungen und die theoretische Mathematik sollte helfen, Brücken zwischen verschiedenen mathematischen Theorien zu bauen, um diese Entwicklungen besser verstehen bzw. ihnen den Weg bereiten zu können.

Die TU Chemnitz ist für mich als Juniorprofessor die richtige Wahl, weil ...

... ich hier die Möglichkeit habe, meine Ziele in Forschung und Lehre unabhängig und mit großer Freiheit zu verfolgen. Solche Rahmenbedingungen sind unerlässlich, um kreativ tätig zu werden und gute Forschung und Lehre zu ermöglichen (man beachte: „gut“ sollte das neue „exzellent“ werden!), leider sind sie aber alles andere als selbstverständlich im deutschen Wissenschaftssystem und hier in Chemnitz legt die Fakultät für Mathematik einen besonderen Wert darauf. Die an der Fakultät vertretenen Forschungsrichtungen halten überdies interessante Herausforderungen für mich bereit und bieten mir die Möglichkeit, den Mathematikstandort Chemnitz strukturell zu bereichern. Nach meinem Stellenantritt habe ich die äußerst kollegiale und produktive Atmosphäre an der Fakultät als weiteren großen Pluspunkt kennen und schätzen gelernt.

Stellen Sie uns kurz Ihre akademische Laufbahn vor.

Nach Studium und Promotion in Mainz kamen Auslandsaufenthalte in Grenoble, Strasbourg und Paris, die mir einen anderen Blick auf die Mathematik und weitere wichtige Dinge des Lebens ermöglicht haben. Die Rückkehr nach Deutschland wurde mir mit einem DFG-finanzierten Forschungsaufenthalt in Hannover ermöglicht, von dem ich in vielerlei Hinsicht sehr profitiert habe, und alsbald habe ich den Weg nach Sachsen und an die TU Chemnitz gefunden.

Beschreiben Sie Ihre Studienzeit in maximal 15 Worten.

Toll! Ich hatte viel Freizeit, es war eine spannende, prägende, veränderungsreiche und sehr schöne Zeit.

Hatten Sie während Ihrer Studienzeit Vorbilder, die Sie zur wissenschaftlichen Karriere ermutigt haben?

Klar! Hier ist an erster Stelle mein Doktorvater zu nennen, der mich, auch durch sein starkes Engagement in der Lehre und der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, sehr geprägt hat; sein Sinn für mathematische Kultur und Ästhetik und seine Art sie zu vermitteln, haben mich in meiner Absicht bestärkt. Während meiner Lehr- und Wanderjahre hatte ich das Vergnügen und Privileg, weitere Wissenschaftler kennenzulernen, die mich durch ihre mathematische Kreativität, ihre Arbeitsweise und ihre Persönlichkeit beeindruckten und motivierten. Daneben waren es auch Biographien und Werk der großen Meister unseres Faches wie Euler, Galois oder Grothendieck, die mich faszinierten und meine Entscheidung beeinflusst haben. Selbst Negativbeispiele können motivierend wirken, wobei ich hier lieber auf Namensnennung verzichten würde.

Was geben Sie jungen Studierenden und Absolventen mit auf den Weg?

Lernen Sie Mathematik, egal ob im Studium, parallel dazu, davor, danach oder nebenbei, denn sie ist eine wunderbare Lehrerin für Argumentation, Geduld, Hartnäckigkeit, kritisches Hinterfragen, selbständiges Denken - wenn man sie als solche begreift und sich darauf einlässt! Diese Fähigkeiten werden Ihnen auch außerhalb der Mathematik nützlich sein. Lernen Sie auch andere Dinge als Mathematik, auch das kann gelegentlich interessant und hilfreich sein! Studieren Sie vor allem, wofür Sie sich begeistern, und tragen Sie diese Begeisterung weiter!

Was möchten Sie künftig in der Lehre erreichen?

Selbstverständlich möchte ich Studierende für die reine Mathematik und mathematische Forschung begeistern. Das eigenständige Denken und kreative Problemlösen zu fördern, sollte trotz Modularisierung und Verschulung der Kern des Mathematikstudiums sein. Ebenfalls möchte ich den Studierenden mein Forschungsgebiet, die komplexe Geometrie und das Studium komplexer Mannigfaltigkeiten, näherbringen. Allgemein ist es mir ein großes Anliegen, die Lehre stärker an der Forschung zu orientieren. Darüber hinaus möchte ich aber auch die mathematische Kultur bei den Studierenden fördern. Jede(r) Mathematikinteressierte sollte schon einmal etwas von der Riemannschen Vermutung, der Poincaré-Vermutung oder der Spiegelsymmetrie gehört haben, ganz gleich, ob man sich nun in Zahlentheorie, Topologie, Differentialgeometrie oder einem davon weit entfernten Gebiet spezialisiert. Eine gute mathematische Allgemeinbildung ist notwendig, um mit anderen Mathematiktreibenden mathematisch zu kommunizieren und dies kommt in der Praxis der Ausbildung häufig zu kurz.

Welche Impulse setzen Sie in der Forschung an der TU Chemnitz?

Wie bereits angedeutet, möchte ich Brücken zwischen verschiedenen mathematischen Teildisziplinen bauen. Mein Forschungsgebiet, die komplexe Geometrie, und dessen Schwerpunkte, wie die Theorie der holomorph symplektischen Varietäten, sind in Chemnitz eher unterrepräsentiert und ich möchte das Gebiet bekannter machen, da es eines ist, das sich in jüngerer Zeit rasant entwickelt hat und das auch immer noch tut. Es eignet sich auch hervorragend für interdisziplinäres Arbeiten, da es viele Verbindungen zur Analysis, zur Differentialgeometrie, zur Algebra, zur Arithmetik und sogar zur theoretischen Physik gibt.

Es gibt rund 45.000 Professoren an deutschen Hochschulen. Was hebt Sie ab?

Meine mir eigene Kombination aus Vor- und Nachnamen ist mein wichtigstes Alleinstellungsmerkmal, abzuheben hatte ich eigentlich nicht beabsichtigt. Im Gegenteil: Gute Lehre und Forschung werden keine minderwertigen Ideale, nur weil so mancher meiner rund 44.999 Amtskollegen sie ebenfalls verfolgt. Nebenbei bemerkt wäre es vielleicht eher in unser aller (damit meine ich nicht nur die 45.000) Sinn, gemeinsame Ziele in den Vordergrund zu stellen.

Welchen Ort in Chemnitz zeigen Sie Gästen am liebsten?

Die Frage kommt recht zeitig; bislang zeige ich ihnen vorrangig die Kreidetafel meines Hörsaals, da ich außer den Hörern meiner Vorlesung noch nicht viele Gäste empfangen habe. Ich hoffe, Ihnen zu angemessener Zeit weitere Attraktionen nennen zu können. Obwohl besagte Tafel, zumindest vollgeschrieben, doch einen erheblichen Reiz hat. Oder vielleicht eine Gegenfrage: Welchen Ort in Chemnitz würden Sie, liebe Leserinnen und Leser, mir zeigen?

Wie bringen Sie sich ins Leben der Stadt ein?

Stets mit einem freundlichen Lächeln, bei welcher Tätigkeit auch immer.

Weitere Informationen zur Juniorprofessur: https://www.tu-chemnitz.de/mathematik/theoretische_mathe/

Mario Steinebach
20.06.2016

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