DAS FRISCHBEZOGENE BETT UND EIN FENSTER
Mühsam schleppte sich Bohumil Weißhaupt die Treppe hoch zu seiner Wohnung.
Als er aufschloß, bemühte er sich, so leise wie möglich zu sein. Seiner Frau,
die einen sehr unruhigen Schlaf hatte, wollte er die schlimme Kunde bis zum
nächsten Morgen aufheben. "Oh, wäre ich doch nur Scharfrichter geworden, wie
es mir dereinst meine Ex-Schwiegergroßmutter nahegelegt hatte!", murmelte
Bohumil gebetartig vor sich hin, während er sich mit bewußt zugeknöpfter Hose
auf die Kloschüssel setzte und beherzt draufloskackte.
Er zog ab, wusch sich die Hände und ging ins Schlafzimmer, wo seine Frau, mit
einer Heftzwecke ans Fensterglas genagelt, ihrem unruhigen Schlaf nachging.
Bohumil gesellte sich zu ihr und schlief rasch ein. Seine Frau bedachte ihn
in besonders unruhigen Schlafmomenten mit ganz und gar unhinnehmbaren
Schmähworten, aber da im Gegensatz zu ihrem sein Schlaf einer der festesten des
gesamten Regierungsbezirks war, hegte er keinerlei negativen Gedanken ihr
gegenüber.
Der Morgen darauf war im Begriff, den Verlauf eines ganz gewöhnlichen Samstagvormittags
einzunehmen, bis durch die halbgeschlossenen Jalousien des
Schlafzimmerfensters ein Lichtstrahl seinen Weg fand, der so manches blutunterlaufene Auge
und so manches blauzerbeulte Körpersegment sichtbar werden
ließ. "Bohumil, ja sapperlot, was ist denn mit dir passiert?", entfuhr es ihr,
noch bevor sie sich wie jeden Morgen von der Fensterscheibe herunterfaltete.
"Wie ist das nur geschen? So sprich doch, Bohumil, sprich!"
"Ach, nix außergewöhnliches, teuerste Pavlina", versuchte Bohumil zu relativieren.
"So sieht man eben aus, wenn man in eine Massenschlägerei gerät, die
man selbst angefacht hat. Wenn du mein gestriges Horoskop gelesen hättest,
teuerste Pavlina, wärst du schon von selbst draufgekommen."
"Ach ja? Schon vergessen, daß ich gar nicht lesen kann?"
"Na, dafür kann ich nun aber wirklich nichts, teuerste Pavlina. Aber Schwamm
drüber. Dieses eine Mal verzeihe ich dir noch! Hörst du? Hörst du?", beschwor
er sie und schüttelte sie zwecks nachdrücklicher Deutlichmachung seines Anliegens
kräftig durch. Als sie dann nach einer guten Viertelstunde bereitwillig mit dem Kopf nickte,
wußte er sogleich, daß sein Schicksal ihm etwas besseres zu bieten hatte.
Die sanfte, sachte Ahnung beschlich ihn schon seit
einiger Zeit, aber nie war sie derart klar und unmißverständlich in
Erscheinung getreten wie in jenem Augenblick, in dem folgende Worte seinen Mund
verließen: "ICH WOLLTE, ICH WÄRE SCHARFRICHTER GEWORDEN, SO WIE ES MIR
DEREINST MEIN GROSSONKEL NAHEGELEGT HATTE! ACH, HÄTTE ICH DOCH BLOSS NICHT
DIESE VERMALEDEITE WETTE ABGESCHLOSSEN! ZUM NARREN HAB ICH MICH GEMACHT,
ZUM NARREN, ZUM ELENDEN TOREN! OH, WIE BENEIDE ICH DOCH DIEJENIGEN, DIE OHNE
ARG GANZ UNVERKRAMPFT IHRE SEELENBRÄNDE LÖSCHEN KÖNNEN! ACH, WÄRE ICH
DOCH NUR SCHARF RICHTER GEWORDEN!"
Frau Weißhaupt hörte nur noch mit einem halben Ohr hin, als sie sich in ihr
Rhönrad schwang und einkaufen fuhr. Eine friesische Kurzgrammatik half ihr
beim Ausfindigmachen so mancher versteckter Krankenwagenfahrer. Worauf es ihr
ankam, war ihr wichtig, auch ohne beständig auf ein ununterbrochen matt
schimmerndes Semikolon zu zeigen.
"DEN VERMEINTLICHEN HELDEN DEN EIGENEN WEISSEN BART ZEIGEN! UND
WENNS AUCH NUR ZUR ABSCHRECKUNG IST!", tönte es aus sicherer Entfernung.