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Kaum eine Epoche wird in den offiziellen Erinnerungspraktiken Portugals mehr zelebriert als die der kolonialen Vergangenheit. Gleichgültig ob in großen oder kleinen Städten, ob auf dem Festland oder auf den Inseln: Auf Schritt und Tritt erinnern Denkmäler, Museen oder Straßennamen an die Entdeckungen und das koloniale Weltreich.

Den Beginn des portugiesischen Weltreiches markiert die Eroberung Ceutas 1415 durch Heinrich den Seefahrer. Er war es auch, der die portugiesischen Entdeckungsfahrten entlang der westafrikanischen Küste initiierte, nach Camões por mares nunca de antes navegados (dt.: hinaus auf nie zuvor befahrene Meere). 1488 umsegelte Bartolomeu Dias als Erster das gefürchtete Kap der Guten Hoffnung. 10 Jahre darauf, 1498, vollbrachte Vasco da Gama das, was Kolumbus sechs Jahre zuvor verfehlt hatte: Er fand den Seeweg nach Indien. Nachdem es mit Spanien immer wieder zu Streitigkeiten um neue Gebiete gekommen war, teilten die beiden Staaten im Vertrag von Tordesillas 1497 die unbekannte Welt entlang einer Nord-Süd-Linie unter sich auf: Die neu zu entdeckenden Gebiete westlich der Linie sollten Hoheitsgebiete der spanischen Herrscher sein; die östlich der Linie entdeckten Länder gehörten entsprechend der portugiesischen Krone.[1] 1500 entdeckte Pedro Álvares Cabral die brasilianische Küste und nahm sie für Portugal in Besitz. Er ließ zwei Sträflinge in Brasilien zurück. Heute sprechen 165 Millionen Brasilianer Portugiesisch.[2]

Im Zuge der Kolonialisierungen Afrikas durch andere europäische Großmächte im 19. Jahrhundert erhielt Portugal viele Kolonien aufgrund des 'historischen Anspruches': Hierzu gehörten unter anderem die Kapverdischen Inseln, Mosambik, São Tomé und Principe, Angola und Guinea-Bissau.[3]

Nach der Nelkenrevolution und dem Sturz des Estado Novo 1974 wurden nach und nach alle verbliebenen Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen.[4] Mit der Rückgabe der letzten Kolonie Macao 1999 an China durch Portugal endete das Kolonialzeitalter.[5]

Schon im 16. Jahrhundert begannen portugiesische Humanisten mit der 'Geschichtsschreibung der Expansion'. Die Darstellung der Entdecker war stark national geprägt. Im patriotischen 19. Jahrhundert griff man wiederum auf die Geschichten und Historien aus dem 16. Jahrhundert zurück. Auch im Estado Novo Salazars wurde das Kolonialzeitalter als große Epoche der portugiesischen Geschichte heraufbeschworen. Hier nahm v.a. die Vorstellung der portugiesischen Nation als ein Kolonialimperium Gestalt an.[6] Und selbst in der jüngsten Vergangenheit, wie beispielsweise 1998 zur Weltausstellung in Lissabon, stellt Portugal sich zwar als moderner Staat, aber auch als Entdeckernation dar.[7]

Die koloniale Vergangenheit ist bis heute tief in der portugiesischen Erinnerungskultur verwurzelt und ein wichtiger Bestandteil der nationalen Identität. Eng verknüpft mit dieser Epoche sind neben den großen Entdeckern Bartolomeu Dias und Vasco da Gama auch folgende Erinnerungsorte:

Katharina Gärtner


[1] Vgl. Marques 2001: 139ff.
[2] Vgl. Anderson 2000: 65ff.
[3] Vgl. Anderson 2000: 197ff.
[4] Vgl. Marques 2001: 648.
[5] Vgl. Anderson 2000: 200 f.
[6] Vgl. Pinheiro Wintersemester 2005/2006.
[7] Vgl. Anderson 2000: 181f.



Bibliografie:

  • Anderson, James Maxwell (2000): The History of Portugal. London: Greenwood Press.
  • Birmingham, David (2003): A Concise History of Portugal. Cambridge: Cambridge University Press.
  • Oliveira Marques, A.H. de (2001): Geschichte Portugals und des portugiesischen Weltreichs. Stuttgart: Kröner.
  • Aufzeichnungen aus Dr. Teresa Pinheiro: Vorlesung Iberische Studien, Wintersemester 2005/2006, Technische Universität Chemnitz.