Thema:
2.2 Psychotherapie, Interventionsverfahren und -methoden: Neuentwicklungen, Wirksamkeit, Kombinationsbehandlungen, Synchrontherapie (bei Komorbidität)
Leitung:
Dr. Stefan Westermann (Universität Bern)
Prof. Dr. Matthias Berking (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Die Ausrichtung von Erleben und Verhalten durch motivationale Prozesse ermöglicht Menschen die aktive und zielgerichtete Gestaltung ihrer Umwelt. Das breite Spektrum von Fragestellungen und methodischen Ansätzen dieses Panels spiegelt wider, wie fruchtbar eine motivationale Perspektive für die klinisch-psychologische und Psychotherapie-Forschung sein kann. Zuerst werden aus grundlagenwissenschaftlicher Perspektive ein transdiagnostisches Modell der Dynamik motivationaler Konflikte bei psychischen Störungen und eine experimentelle Studie zu zugrundeliegenden Mechanismen von Amotivation bei psychotischen Störungen vorgestellt. Daraufhin werden Interventionsstudien zur Beeinflussung motivationaler Prozesse präsentiert: eine App zur Veränderung von Annäherungs- und Vermeidungsmotivation bei Körperbildunzufriedenheit, eine Interventionsstudie zur Verminderung von Prokrastination und ein RCT zum Feedback von Bewegungsaktivität bei Menschen mit koronarer Herz-Erkrankung.
Experimentelle Prüfung eines Vulnerabilität-Stress Modells zur Entstehung von Amotivation bei psychotischen Störungen
Matthias Pillny | Germany
» Details anzeigen
Autoren:
Matthias Pillny | Germany
Prof. Dr. Tania Lincoln | Germany
Amotivation, das Primärsymptom der Negativsymptomatik gilt noch immer als therapieresistent und die Ätiologie als ungeklärt. Bisherige Studien zeigen Assoziationen sozialer Ausgrenzung (z.B. Diskriminierung) sowie dysfunktionaler Annahmen mit Amotivation. Diese Befunde stützen die Postulate theoretischer Modelle, soziale Ausgrenzung führe zu einem Anstieg an Amotivation, der durch dysfunktionale Annahmen erklärt werde. Die vorliegende Studie hat daher zum Ziel, zunächst anhand einer gesunden Stichprobe zu überprüfen, ob soziale Ausgrenzung zu einem Motivationsverlust führt und inwiefern bestehende Vorannahmen über sich selbst und soziale Interaktion an diesem Rückgang beteiligt sind. Hierzu wurden die Probanden in eine Inklusions- und eine Exklusionsbedingung eines Ballspiel-Paradigmas zur Manipulation sozialer Ausgrenzung (Cyberball) randomisiert. Vor dem Ballspiel wurden soziale Risikofaktoren und die Ausprägung dysfunktionaler Annahmen erfasst. Motivation wurde vor und nach der experimentellen Manipulation durch Selbstberichte und auf Verhaltensebene in einem Entscheidungsparadigma gemessen. Die Ergebnisse der ANOVA mit Messwiederholung anhand der vorläufigen Stichprobe (N=75) zeigen, dass es im Vergleich zur Inklusionsbedingung in der Exklusionsbedingung zu einem stärkeren Motivationsverlust im Selbstbericht (F(2,72)=6.55, p<.05, η2=.08) und auf Verhaltensebene (F(1,57)=5.74, p<.05, η2=.09) kam, der durch das Ausmaß dysfunktionaler Annahmen moderiert wurde (F(2,72)=5.75, p<.01, η2=.14). Diese Ergebnisse stützen die theoretischen Modelle zur Ätiologie von Amotivation und geben Hinweise auf einen möglichen Nutzen von kognitiver Disputation dysfunktionaler Annahmen in der Therapie von Negativsymptomatik.
Dynamik von Motiv-Konflikten
Dr. Stefan Westermann | Universität Bern | Switzerland
» Details anzeigen
Autoren:
Dr. Stefan Westermann | Universität Bern | Switzerland
Dr. Sven Banisch | Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften | Germany
Motive wie Bindung oder Kontrolle entfalten ihre Wirkung auf Erleben und Verhalten in zwischenmenschlichen Interaktionen. Beteiligte Motive stehen dabei gleichzeitig intrapsychisch und interpersonell in wechselseitiger Beziehung. Da diese Dynamik mit Experimenten nur schwer fassbar ist, wurde in dieser Studie ein generativer Ansatz gewählt und die Motiv-Dynamik als mathematisches Modell rekonstruiert. Ziel der Studie war die Analyse und empirische Validierung des Modells.
Das Motiv-Modell wurde mit Gleichungen der Systembiologie (Lotka, 1925; Volterra, 1926) formuliert. Zuerst wurde die Dynamik durch Simulationen mit systematischer Parametervariation exploriert. Anschließend informierten empirische Daten (IIP-64; N=102) einer Online-Studie die Modellparameter, um die resultierende Dynamik mit verschiedenen Konstrukten zu validieren (u.a. Bindungsstil und Selbstwert).
Einerseits entstehen bei der Interaktion virtueller Personen mit ausgewogenen Motiven sich selbst stabilisierende Muster (Attraktoren) von wechselseitiger Kontrolle und Zuwendung. Andererseits drängen Personen mit rigider Motivstruktur (z.B. Überwiegen von Anerkennung) flexible Interaktionspartner in komplementäres Verhalten. Die Dynamik korreliert dabei mit unabhängig erfassten Daten derselben Personen, z.B. Zuwendung mit sicherer Bindung (r=0.27, p<0.001). Motivationale Annäherungsziele werden durch die simulierte Motiv-Dynamik besser vorhergesagt als durch die IIP-Skalen (∆R²=0.045, p=0.03).
Die Modell-Dynamik entspricht den Vorhersagen des interpersonellen Circumplex-Modells (Leary, 1957) und sagt Annäherungsmotive besser vorher als die in das Modell eingehenden Daten. Einschränkungen des Modells (z.B. Fehlen von Vermeidung) werden diskutiert.
Reduktion von Körperunzufriedenheit mit Hilfe einer Smartphone-basierten Kurzintervention
Prof. Dr. Matthias Berking | Germany
» Details anzeigen
Autoren:
Prof. Dr. Matthias Berking | Germany
Christian Aljoscha Lukas | Germany
Emanuel Eimer | Germany
Valerie Wiedemann | Germany
Alexander Ploner | Germany
Michael Philippsen | Germany
Björn Eskofier | Germany
Körperunzufriedenheit gilt als ein zentraler Faktor für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Essstörungen. Aufgrund der großen Prävalenz des Problems besteht ein Bedarf nach kostengünstigen und leicht zu disseminierenden Interventionen. Vor diesem Hintergrund haben wir eine Kurzintervention entwickelt, die darauf abzielt, die Valenz des eigenen Körperbildes positiv und die Valenz dysfunktionaler Schlankheitsideale negativ zu beeinflussen. Die Kurzintervention besteht aus zwei beratenden Sitzungen und einer 14-tägigen Übungsphase, in der die TeilnehmerInnen ein Smartphone-basiertes Gesundheitsspiel (mindtastic: bodydissatisfaction) spielen. Das auf Response-Bias-Modification Paradigmen aufbauende Spiel zielt darauf ab, durch einstellungskonträres Verhalten Valenzen, Annährungs-, und Vermeidungstendenzen auf gesundheitsförderliche Weise zu modifizieren. In einer ersten empirischen Untersuchung zur Effektivität der Intervention wurden N=50 Personen, die nicht an einer psychischen Erkrankung litten aber erhöhte Körperunzufriedenheitswerte aufwiesen, zufällig zur Interventionsbedingung oder zu einer Wartekontrollbedingung zugewiesen. Die Ergebnisse zeigen, dass die TeilnehmerInnen in der Kurzinterventionsbedingung eine signifikant stärkere Abnahme der Körperunzufriedenheit (d = 1.07) erlebten als die TeilnehmerInnen in der Kontrollbedingung (d = 0.08). Damit weisen die Befunde daraufhin, dass sich Kombinatinen von Face-to-Face Interventionen und Gesundheitsspielen als therapeutische Interventionen zu Behandlung von Körperunzufriedenheit (und ggf. weiterer psychischer Probleme) nutzen lassen.
Wirksamkeit einer App-basierten Kurzintervention zur Reduktion von Prokrastination - Ergebnisse einer Pilotstudie
Christian Aljoscha Lukas | Germany
» Details anzeigen
Autoren:
Christian Aljoscha Lukas | Germany
Emanuel Eimer | Germany
Valerie Wiedemann | Germany
Alexander Ploner | Germany
Michael Philippsen | Germany
Björn Eskofier | Germany
Prof. Dr. Matthias Berking | Germany
Prokrastination betrifft eine Vielzahl von Menschen und tritt oftmals im Zusammenhang mit weiteren psychischen Problemen und Störungen auf. Trotz der bedeutsamen negativen psychischen Folgen für die Betroffenen existieren nur wenige empirisch validierte Interventionsansätze. Um diese Lücke zu schließen, entwickelten wir eine Smartphone-basierte Kurzintervention zur Reduktion von Prokrastination. Die Kurzintervention fördert die Annäherung an funktionales und die Vermeidung von dysfunktionalem Verhalten durch die systematische Nutzung von Strategien aus dem Cognitive-Bias-Modifikation-Paradigma. Zur Evaluation der Effektivität wurden in einer Pilotstudie N = 31 Versuchsteilnehmer mit erhöhten Prokrastinationswerten zufällig zu einer Interventionsbedingung (zwei Beratungssitzungen vor und nach einem 14-tägigen Smartphone-basiertem Training) oder einer Wartekontrollgruppe zugewiesen. Primäres Ergebnis der Studie ist die Reduktion der allgemeinen Prokrastinationssymptomatik. Als sekundäre Ergebnisse werden akademische Prokrastination, Veränderungsmotivation sowie depressive Symptome erfasst. Daten wurden zu den Zeitpunkten Baseline, Post-Training und 1-Monats-Katamnese erhoben. Bei Teilnehmern der Interventionsgruppe reduzierte sich die allgemeine und die akademische Prokrastinationssymptomatik signifikant über die Zeit (η2 = .15 bzw. η2 = .19), wohingegen sich die Symptomatik in der Wartekontrollgruppe nicht veränderte. Veränderungen in der Symptomatik blieben auch über einen vierwöchigen Katamnsesezeitraum stabil. Die Ergebnisse liefern erste Hinweise darauf, dass sich Smartphone-basierte Kurzinterventionen als Mittel zur Reduktion von Prokrastination (und ggf. anderen gesundheitsrelevanten Problemen) nutzen lassen.
Kann eine individualisierte Rückmeldung die Motivation für körperliche Aktivität steigern? Machbarkeitsanalyse einer ecological momentary assessment basierten randomisiert kontrollierten Studie bei kardialen Risikopatienten
Dr. Sebastian Kohlmann | Germany
» Details anzeigen
Autoren:
Dr. Sebastian Kohlmann | Germany
Annelie Siebert | Germany
Monica Patten | Germany
Prof. Dr. Bernd Löwe | Germany
Physische Inaktivität ist ein anerkannter Risikofaktor für Mortalität bei koronarer Herzerkrankung (KHK). Diese randomisiert kontrollierte Studie (RCT) untersucht, ob eine individualisierte Rückmeldung des physischen Aktivitätslevels zur Steigerung der Risikowahrnehmung führt. Das komplexe Studiendesign basiert auf einem Ecological Momentary Assessments (EMA) und könnte eine motivationale Herausforderung für die Patienten darstellen. Erstmalig werden Daten zur Machbarkeit präsentiert.
Basierend auf einer Poweranalyse sollen 120 ambulante Patienten mit KHK eingeschlossen werden. Alle Patienten erhalten einen Schrittzähler. Über 3.5 Monate werden alle 2 Tage physisches Aktivitätslevel mittels eines EMAs gemessen. Patienten, die in die Interventionsbedingung randomisiert werden, erhalten 2 Wochen nach Start des EMAs eine individuelle Rückmeldung ihres physischen Aktivitätslevels sowie ein daran adaptiertes Aktivitätsziel. Patienten in der Kontrollgruppe erhalten keine Rückmeldung. Primärer Endpunkt ist die Risikowahrnehmung nach einem Monat.
Aktuell wurden 51 Patienten auf die Interventionsgruppe und 54 Patienten auf die Kontrollgruppe randomisiert. Die Dropoutrate liegt bei 14% (15 Patienten). Von insgesamt 2786 möglichen EMAs wurden 2147 (77%) durchführt und Daten zu physischer Aktivität erhoben. Davon wurden 988 (46%) EMAs in der Intervention durchgeführt.
Die vorliegende Datenbasis lässt darauf schließen, dass ein EMA-basiertes RCT zu physischer Inaktivität machbar ist. Patienten scheinen motiviert zu sein, an der hochfrequenten Erhebung teilzunehmen. Die Intervention scheint keinen Einfluss auf die Teilnahmemotivation zu haben.