Thema:
1.4 Komorbidität und (Langzeit-)Verläufe, Transdiagnostische Ansätze
Leitung:
PD Dr. Katja Bertsch (Universität Heidelberg)
Dr. Edda Bilek
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Die Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) wurde lange als schwere psychische Störung mit chronischem Verlauf betrachtet. Die wenigen US-amerikanischen Längsschnittstudien zeigten jedoch ein anderes Bild auf: Die Patienten berichteten in nahezu allen Symptombereichen erhebliche Verbesserung, wobei jedoch psychosoziale und zwischenmenschliche Defizite persistierten. Auch in ersten neurobiologischen Studien konnten längsschnittliche Veränderungen in Netzwerken der Emotionserkennung und –regulation bei BPS-Patienten nachgewiesen werden. Allerdings fehlten bislang Daten zu symptomatischen und neurobiologischen Veränderungen im Rahmen einer störungsspezifischen Psychotherapie sowie bei Remission. Im vorliegenden Symposium werden hierzu Daten aus mehreren Projekten des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim und des Universitätsklinikums Heidelberg präsentiert. Zunächst werden Inga Niedtfeld und Falk Mancke Ergebnisse zu symptomatischen und neurobiologischen Veränderungen bei BPS Patienten durch eine stationäre dialektisch-behaviorale Therapie vorstellen. Im Anschluss werden Edda Bilek und Katja Bertsch symptomatische und neurobiologische Unterschiede zwischen Patienten mit akuter BPS, remittierter BPS und gesunden Probanden in sozialer Interaktion, sowie zur Emotionserkennung und –regulation präsentieren. Abschließend wird Marie-Luise Zeitler quantitative und qualitative Daten aus einer Längsschnittuntersuchung über 15 Jahre vorstellen. Insgesamt wird in fünf Vorträgen ein aktueller Überblick über den symptomatischen und neurobiologischen Störungsverlauf bei Patienten mit BPS gegeben und klinische Konsequenzen werden diskutiert.
Effekte Dialektisch-Behavioraler Therapie auf neuronale Korrelate der Emotionsregulation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Dr. Inga Niedtfeld
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Autoren:
Dr. Inga Niedtfeld
Dr Ruth Schmitt
Dr Dorina Winter
Prof Dr Martin Bohus
Prof. Sabine Herpertz
Prof Dr Christian Schmahl
Affektive Instabilität und selbstverletzendes Verhalten sind zentrale Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Bisherige Forschungsarbeiten zeigen, dass Patienten mit BPS eine limbische Hyperreaktivität bei gleichzeitig verminderter präfrontaler Kontrolle aufweisen, und dass Schmerzreize auf neuronaler Ebene zu einer Reduktion des affektiven Arousals führen. Im Rahmen einer Längsschnittstudie untersuchten wir 28 Patienten mit BPS vor und nach einer 12-wöchigen Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT), 15 Patienten mit Standard-Behandlung, und 23 gesunde Kontrollen (HC) mittels fMRT. Zu beiden Zeitpunkten wurden den Probanden negative oder neutrale Bilder präsentiert, um affektives Arousal auszulösen sowie ein Hitzereiz (schmerzhaft vs. neutral) appliziert. Vor der Therapie zeigten BPS-Patienten eine niedrigere Aktivierung der Amygdala als HC, wenn negative Bilder mit schmerzhaften Reizen kombiniert wurden. Ebenso lag eine veränderte Konnektivität zwischen linker Amygdala und dorsalem anteriorem Cingulum vor. Bei BPS Patientinnen nach einer DBT zeigte sich eine Normalisierung beider Muster. Die Schmerzschwellen der beiden BPS-Gruppen unterschieden sich jedoch nicht signifikant. Unsere Ergebnisse liefern zusätzliche Hinweise auf die Rolle von Schmerz als dysfunktionale Emotionsregulationsstrategie bei BPS und einer Normalisierung der neuronalen Schmerzverarbeitung durch DBT.
Veränderungen der Gehirnstruktur nach Dialektisch-Behavioraler Therapie bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Dr. Falk Mancke
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Autoren:
Dr. Falk Mancke
Dr Ruth Schmitt
Dr Dorina Winter
Dr. Inga Niedtfeld
Prof Dr Christian Schmahl
Prof. Sabine Herpertz
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) geht mit Veränderungen der Gehirnstruktur einher, wobei insbesondere hippokampale und amygdaläre Regionen betroffen sind. Allerdings ist unbekannt, ob die am besten untersuchte Therapie der BPS, die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), Einfluss auf diese oder andere Gehirnstrukturen nimmt. In dieser Studie haben wir daher 31 Patienten mit einer BPS vor und nach einer 12-wöchigen DBT, 17 Patienten mit Standard-Behandlung, und 23 gesunde Kontrollen (HC) mittels struktureller Magnetresonanztomographie auf Veränderungen der Konzentration von grauer Substanz untersucht. Nach der DBT zeigte sich eine Zunahme an grauer Substanz in präfrontalen (orbitofrontaler Kortex, OFC; dorsolateraler-präfronaler Kortex; anteriorer cingulärer Kortex) und insulären Regionen. Subgruppenanalysen erbrachten, dass die Zunahme an grauer Substanz in dem OFC und der Insula in einem positiven Zusammenhang mit dem Ansprechen auf die DBT steht. Die DBT nimmt also Einfluss auf Gehirnregionen, die mit den therapeutischen Zielen der DBT in Zusammenhang stehen. Die Veränderungen der präfrontalen Regionen kann als Folge der therapeutischen Arbeit an der Selbstregulation verstanden werden und die Alterationen insulärer Strukturen wäre als Ausdruck der Förderung interozeptiver Prozesse einzuordnen. Insgesamt hoffen wir, dass diese Ergebnisse das Verständnis der neurobiologischen Auswirkungen von Psychotherapie erweitern und zu einer Weiterentwicklung von neurobiologisch fundierter Psychotherapie beitragen können.
Normalisierung neurobiologischer fMRT-Marker von sozialer Interaktion bei Remission der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Dr. Edda Bilek
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Autoren:
Dr. Edda Bilek
Dr Gabriela Stoessel
Prof. Dr. Peter Kirsch
Prof Dr Andreas Meyer-Lindenberg
Die Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) geht einher mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen im interpersonellen Kontakt mit anderen Menschen. Neurobiologisch waren Interaktionsprobleme nur unzureichend beschrieben, da Methoden zur Untersuchung frei interagierender Personen fehlten. Neue, innovative Messverfahren ermöglichten uns innerhalb eines Hyperscanning Ansatzes nun die Untersuchung von Probandenpaaren mittels funktioneller Kernspintomografie während verschiedenartiger Interaktionen miteinander (Kooperation, Vertrauensbildung). Hier fanden wir zunächst Belege für die Synchronisation bestimmter Gehirnareale (Kernregionen des sogenannten Social Brains) spezifisch während unmittelbarer Interaktion zwischen gesunden Probanden. Im Gegensatz dazu wurde keine derartige neuronale Kopplung innerhalb von Paaren beobachtet, bei welchen ein Proband aktuell an einer BPS leidet. Unter Remission der Symptomatik hingegen normalisierten auch die Synchronisierungsparameter. Diese Gruppeneffekte waren unabhängig von strukturellen oder anatomischen Unterschieden beobachtbar; Assoziationen mit Verhaltensmaßen und Selbstauskunftsmaßen werden diskutiert.
Neuronale Kopplung und ähnliche Parameter spiegeln möglicherweise die Schwierigkeiten der Patienten im täglichen sozialen Kontakt wider und stellen die aktuell angenommene Stabilität der Störung über die Lebenszeit hinweg infrage. Dies verdeutlicht die Wichtigkeit neuer Forschungsansätze, auch der Untersuchung des Sozialverhaltens, in klinischen Studien zur Klärung der Ursachen und neuer Therapiemöglichkeiten psychiatrischer Erkrankungen.
Veränderungen in der Fähigkeit zur Emotionserkennung und –regulation mit Symptomremission bei der Borderline Persönlichkeitsstörung
PD Dr. Katja Bertsch
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Autoren:
PD Dr. Katja Bertsch
Dr Isabella Schneider
Dr Natalie Hidalgo Izurieta
Prof. Sabine Herpertz
Emotionale Dysregulation gehört zu den zentralen Kriterien der BPS. Bislang ist wenig über ihre Stabilität bzw. Remission im Verlauf der BPS bekannt. Daher nahmen 32 weibliche Patientinnen mit akuter BPS sowie 32 Frauen mit einer zurückliegenden, remittierten BPS sowie 28 gesunde Frauen nahmen in einer multidimensionalen Messung teil, die aus Fragebögen, einer Emotionsklassifikationsaufgabe und physiologischen Markern (EEG und Cortisol) bestand. Die Ergebnisse verdeutlichen einen Rückgang in der BPS-Symptomatik und emotionalen Dysregulation mit Remission. Eine Verbesserung zeigte sich auch in physiologischen Markern der Stressregulation und Körperwahrnehmung. Akute BPS-Patientinnen zeigten prominente Veränderungen in frühen und späten Stadien der emotionalen Gesichtsverarbeitung, die auf eine visuelle Hypersensitivität für Bedrohungsreize und Defizite in der strukturellen und kategorialen Gesichtsverarbeitung hinweisen. Im Gegensatz hierzu wichen die Patientinnen mit remittierter BPS nicht signifikant von den gesunden Probandinnen in der visuellen Informationsverarbeitung ab, zeigten jedoch ähnlich wie die akuten Patientinnen Defizite in späteren regulatorischen Verarbeitungsstadien. Defizite in der emotionalen Verarbeitung und Regulation remittieren möglicherweise bei der BPS nicht gleichermaßen. Verbesserungen früher Verarbeitungsprozesse könnten zusammen mit reduziertem Arousal Normalisierungen krankheitsbedingter State-Faktoren abbilden, während Veränderungen in der kognitiven und attentionalen Emotionsverarbeitung langsamer remittieren und auf störungsspezifische Trait-Faktoren hinweisen, welche möglicherweise durch gezielte Interventionen gefördert werden sollten.
Remission, Genesung und Lebensqualität: Eine Follow-Up-Untersuchung nach 14 Jahren bei Borderline Persönlichkeitsstörungen
Marie-Luise Zeitler
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Autoren:
Marie-Luise Zeitler
Dr Nikolaus Kleindienst
Rebekka Knies
Sabina Misoch
Miriam Ostermann
Prof Dr Martin Bohus
Ein Großteil der Borderline-Patienten erreicht in 10 Jahren eine Symptomremission, aber nur etwa die Hälfte erreicht ein gutes soziales und berufliches Funktionsniveau, die Lebensqualität ist deutlich eingeschränkt. Es bestehen daher Zweifel, ob das Fehlen von Diagnosekriterien eine geeignete Definition von Genesung bei BPS ist. In einer qualitativen Studie nannten 48 BPS-Patienten eine verbesserte Selbstakzeptanz, Kontrolle von negativen Gedanken, Gefühlen und Stimmungen, verbesserte Beziehungen, beruflichen Erfolg und eine Symptomreduktion als wichtige Genesungsfaktoren. Nur 10% der Befragten bezeichneten sich als genesen.
In unserer Studie wurden Lebensqualität, -zufriedenheit und Symptombelastung bei remittierten und nicht-remittierten BPS-Patienten 12-18 Jahre nach einer DBT-Studie untersucht. Während 72% der Befragten eine Symptomremission erreichten, gaben nur 42% eine Lebenszufriedenheit im Normbereich an. Im Hinblick auf das allgemeine Funktionsniveau zeigte sich, dass nur 46% eine feste Partnerschaft hatten, 40% Erwerbsunfähigkeitsrente erhielten und nur 13% Vollzeit arbeiteten. Remittierte und Nicht-remittierte unterschieden sich nicht im Funktionsniveau. Als Einflussfaktoren auf ihre persönlichen Lebensbedingungen nannten die Teilnehmer die aktuelle Symptomatik, Identität und Selbstwert, soziale Beziehungen, Alltagskompetenzen, Selbstwirksamkeit, berufliche Tätigkeit, Krankheitsbewältigung und Umgang mit Gefühlen. Außerdem waren die Orientierung an persönlichen Werten und die Bewältigung von Belastungen in der Vergangenheit wichtig. Obwohl die BPS-Symptomatik größtenteils remittiert war, litten unsere Teilnehmer unter einer enormen psychischen Belastung und einer deutlich verminderten Lebenszufriedenheit.