Thema:
2.2 Psychotherapie, Interventionsverfahren und -methoden: Neuentwicklungen, Wirksamkeit, Kombinationsbehandlungen, Synchrontherapie (bei Komorbidität)
Leitung:
Prof. Dr. Anton-Rupert Laireiter (Universität Wien)
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Immer wieder wird betont, wie wichtig es wäre, psychotherapeutische Prozesse fundierter und differenzierter zu analysieren, um Veränderungen und Effekte aber auch Therapie im Verlauf besser verstehen zu können. Das geplante Symposium hat sich zum Ziel gesetzt, dieser Aufgabe näher zu kommen. Dazu wurden vier Beiträge, die sich mit aktueller Psychotherapieprozessforschung beschäftigt, zusammengestellt, zwei davon (Held et al.; Willutzki et al.) beschäftigen sich mit zwei konträren Prozessen im Therapieprozess, den „sudden gains“ und den „sudden losses“. Bei Held et al. wird eine Methode vorgestellt, „sudden gains“ möglichst systematisch zu ermöglichen. Bei Willutzki et al. werden „sudden losses“ im Therapieverlauf und im Zusammenhang mit Therapieerfolg und dem Therapeutenerleben untersucht. Die beiden anderen Beiträge beschäftigen sich mit Ansätzen, Therapieprozesse zu Beginn und im Verlauf zu erfassen und zu modellieren, sowie Behandlungs- und Verlaufsvorhersagen zu tätigen.
Abschließend werden die Präsentationen von einem Diskutanten einer vergleichenden Analyse unterzogen.
IMPLEMENT 2.0: Frühe Veränderungssprünge in der Psychotherapie nutzen?
MSc Judith Held | Psychologisches Institut, Universität Zürich | Switzerland
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Autoren:
MSc Judith Held | Psychologisches Institut, Universität Zürich | Switzerland
MSc Christine Wolfer | Psychologisches Institut, Universität Zürich | Switzerland
Dr.phil. Andreea Visla | Psychologisches Institut, Universität Zürich | Switzerland
Prof. Dr. Christoph Flückiger | Psychologisches Institut, Universität Zürich | Switzerland
Hintergrund: Das Ziel der vorliegenden randomisiert-kontrollierten Vergleichsstudie ist es, zwei Implementierungsstrategien eines kognitiv-behavioralen Manuals zur Behandlung von generalisierter Angststörung zu vergleichen. Neben der Untersuchung von Patientenvariablen liegt der Fokus des Forschungsdesigns auf der Variabilität der Therapeuten und Therapeuteneffekte im Rahmen eines ABAB-Designs. Die Hauptfragestellung ist, inwieweit während der Sitzungen durch einen systematischeren Fokus auf mögliche Patientenveränderungen die Wahrscheinlichkeit auf schnelle Veränderungssprünge in der Therapie erhöht wird.
Methoden/Resultate: 80 Patienten mit einer generalisierten Angststörung werden randomisiert zwei Bedingungen zugeteilt (40 Patienten pro Bedingung). Beide Bedingungen folgen einer gängigen kognitiven Verhaltenstherapie für generalisierte Angststörungen (Flückiger, Craske & Barlow, 2015), allerdings unterscheiden sich die Bedingungen in der spezifischen Implementierung des Manuals. Während Bedingung A den Sitzungsbeginn „State-of-the-art“ durchführen soll, wird in der zweiten Bedingung B der Sitzungsbeginn verlängert, um auf mögliche subtile Veränderungen vertiefter eingehen zu können. 80 Patienten (und 20 Therapeuten) mit einer Spezialisierung in kognitiver Verhaltenstherapie werden nach einem ABAB-Design randomisiert auf die beiden Bedingungen zugeteilt.
Diskussion: Erste Ergebnisse zur Rekrutierung und Durchführbarkeit werden vorgestellt und diskutiert.
Sudden losses in der kognitiven Verhaltenstherapie: Wie werden sie von Psychotherapeuten erlebt, und in welchem Zusammenhang stehen sie mit dem Therapieergebnis und der Therapiezufriedenheit von Patienten?
Prof. Dr. Ulrike Willutzki | Department für Psychologie und Psychotherapie, Universität Witten/Herdecke | Germany
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Autoren:
Prof. Dr. Ulrike Willutzki | Department für Psychologie und Psychotherapie, Universität Witten/Herdecke | Germany
Prof. Dr. Jürgen Margraf | Ruhr Universität Bochum | Germany
Dr.rer.nat. Thomas Probst | Alpen-Adria Universität | Austria
MSc Patrizia Odyniec | Germany
Ziel: Plötzliche deutliche Verschlechterungen in der Symptomatik von Patienten (=“sudden losses”) sind kaum untersucht. In dieser Studie wird untersucht, in welchem Zusammenhang sie mit dem Therapieergebnis stehen, und wie sie von Therapeuten erlebt werden. Methoden: Die aktuelle psychische Belastung der Patienten wurde mittels SCL-9-K, nach jeder Sitzung eingeschätzt. Der Therapieerfolg wurde mittels Brief Symptom Inventar (BSI), Inventar Interpersoneller Probleme (IIP) und Bochumer Veränderungsfragebogen (BVB-2000) sowie der globalen Zufriedenheit mit dem Therapieergebnis eingeschätzt. Das Erleben der Therapeuten wurde mittels Skala zu Therapeutenschwierigkeiten (Th-Schw), jeweils bezogen auf den einzelnen Patienten, mehrfach im Therapieverlauf erhoben. Es wurden 1763 Patienten, die von 140 Psychotherapeuten der Psychotherapieambulanz der Ruhr- Universität Bochum behandelt wurden, untersucht. Ergebnisse: 26.5% der Patienten erlebten mindestens einen sudden loss. Diese verteilten sich gleichmäßig über den Therapieverlauf. Patienten, mit sudden losses waren zu Therapiebeginn in der Symptomatik und den interpersonellen Problemen stärker beeinträchtigt als Patienten ohne solche. Hinsichtlich des Therapieerfolgs und der Therapiezufriedenheit unterschieden sich diese mit und ohne sudden losses nicht wesentlich voneinander. In ihrer Arbeit mit Patienten mit sudden lossen erlebten Therapeuten mehr professionelle Selbstzweifel als bei solchen ohne. Diskussion: Sudden losses stehen nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit einem schlechteren Therapieergebnis oder geringerer Patientenzufriedenheit – obwohl Therapeuten beim Auftreten von sudden losses stärker an ihren Fähigkeiten zweifeln.
Nutzung patientenspezifischer Netzwerkmodelle im Rahmen einer personalisierten Psychotherapie - Eine Demonstration
Dr. Julian Rubel | Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Trier | Germany
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Autoren:
Dr. Julian Rubel | Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Trier | Germany
MSc Kerstin Husen | Germany
Prof. Dr. Wolfgang Lutz | Germany
Hintergrund: Personalisierte Behandlungsangebote gelten als vielversprechende Strategie die Effektivität von Psychotherapie zu erhöhen. In den letzten Jahren wurden unterschiedliche Algorithmen zur Ableitung personalisierter Behandlungsvorhersagen vorgeschlagen. Bisher benötigen die meisten dieser große Datenbanken bereits behandelter Patienten. Diese liegen jedoch nicht immer vor und die abgeleiteten Vorhersagen können nur solche Behandlungen einschließen, welche explizit bei den behandelten Patienten durchgeführt wurden. Wir stellen einen neuen Ansatz vor, der es ermöglicht Behandlungsvorhersagen lediglich auf die Daten desjenigen Patienten zu stützen für den eine Vorhersage vorgenommen werden soll. Methode: 47 Psychotherapiepatienten beantworteten im Rahmen ihrer Wartezeit an 14 aufeinanderfolgenden Tagen jeweils viermal täglich Fragen zu ihrem momentanen Befinden. Diese Zeitreihendaten wurden idiographischen Netzwerkanalysen unterzogen, welche den Zusammenhang unterschiedlicher Symptome quantifizieren können. Mittels der „Expected Force“ Metrik wurden diejenigen Symptome identifiziert, welche den höchsten Einfluss im Symptomnetzwerk des Patienten haben. Auf dieser Grundlage wurde automatisiert ein individualisierter Behandlungsvorschlag ermittelt. Ergebnisse: Für 38 der 47 Patienten war es möglich ein integriertes Netzwerkmodell zu erstellen und den Einfluss der jeweiligen Symptome in den individuellen Netzwerken zu identifizieren. Für diese Patienten wird das Vorgehen demonstriert, welches es ermöglicht die individuellen Modelle in konkrete Behandlungsempfehlungen zu übersetzen. Diskussion: Die Potenziale und Grenzen dieses Vorgehens werden vor dem Hintergrund der psychotherapeutischen Routineversorgung diskutiert
Dynamische Modellierung von Psychopathologie und psychotherapeutischen Prozessen
Tim Kaiser | Fachbereich Psychologie, Universität Salzburg | Austria
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Autoren:
Tim Kaiser | Fachbereich Psychologie, Universität Salzburg | Austria
Prof. Dr. Anton-Rupert Laireiter | Fakultät für Psychologie, Universität Wien | Austria
Hintergrund: In den letzten Jahren hat sich die Psychotherapieforschung immer mehr auf diagnostische Methoden und Interventionen konzentriert, die mit neueren statistischen Methoden auf individuelle Personen zugeschnitten wurden. Das Ziel des vorgestellten Projekts ist es, die grundlegenden Wirkmechanismen der Psychotherapie innerhalb und zwischen Psychotherapiesitzungen zu untersuchen.
Methode: In der ersten Phase der Studie wird eine Methode der dynamischen, personenbezogenen Diagnostik und Modellierung psychischer Störungen erprobt. Der Ansatz folgt einer idiographischen Vorgehensweise, die als Ergebnis strukturelle Modelle einer individuellen psychischen Störung hervorbringt.
In der zweiten Phase werden Inter- und Intrasession-Prozesse ambulanter Psychotherapien hochauflösend erhoben, statistisch modelliert und Zusammenhänge mit dem Therapieergebnis hergestellt.
Instrument: Die Daten werden mit Hilfe einer neu entwickelten Software (DynAMo) erhoben und ausgewertet, die tägliche kurze Fragebögen zu den relevanten Variablen versendet. Diese Software bereitet die Daten so auf, dass Therapeuten wertvolle Informationen über ihre Klienten gewinnen können.
Die Daten werden mit Hilfe multivariater Zeitreihenanalyse modelliert, zusätzlich kommen Methoden aus der nicht-linearen Dynamik zum Einsatz, um aktuell laufende Veränderungsprozesse sichtbar zu machen.
Ergebnisse: In dem Beitrag werden erste Ergebnisse zu dem zweiten Studienteil präsentiert.
Diskussion: Die bisher vorliegenden Ergebnisse sind sehr vielversprechend und lassen das Instrument als sinnvolles Tool für die ambulante Psychotherapie erscheinen.