Patienten unterschiedlichster Störungsgruppen zeigen Auffälligkeiten im emotionalen Erleben. Es stellt sich daher die Frage, ob es Prozesse gibt, die diesen Überlappungen zugrunde liegen. Es ist denkbar, dass verschiedene psychische Störungen unterschiedliche Manifestationen von Abweichungen weniger Kernprozesse sind. Zwei Prozesse, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden, sind die Emotionsregulation (ER) und die kognitive Kontrolle (KK). Dabei wird davon ausgegangen, dass ER-Defizite auf eine geringe KK zurückzuführen sind. In diesem Symposium möchten wir zunächst aktuelle Studien vorstellen, die die Prozesse der ER und der KK bei Gesunden und verschiedenen Störungsgruppen untersuchen. Dabei wird zuerst eine Analogstudie vorgestellt, in der untersucht wird, ob es möglich ist, in einer gesunden Stichprobe PTBS-typische, traumabezogene Rumination und Intrusionen hervorzurufen, wenn die KK gezielt beeinträchtigt wird. Im zweiten Vortrag wird ein ökologisch valides Maß zur Untersuchung der KK unter Ärgereinfluss sowie dessen Anwendung zur Erfassung der KK-Leistung unter Ärgerinduktion bei Personen mit Antisozialer Persönlichkeitsstörung vorgestellt. Es folgt die Präsentation einer Studie, in der untersucht wird ob es möglich ist, die KK von Borderline-Patientinnen gezielt mittels transkranieller Gleichstromstimulation zu steigern. Im vierten Vortrag wird eine Trainingsstudie vorgestellt, in der gesunde Probanden in “Compassion“, einer besonderen Art der Emotionsregulation, trainiert wurden. Es schließt sich die Vorstellung einer Metaanalyse an, die den Zusammenhang zwischen KK-Prozessen und repetitivem negativem Denken, das bei verschiedenen Störungen gezeigt wurde, untersucht.
Effekte von transkranieller Gleichstromstimulation auf Intrusionen und Rumination: eine Analogstudie
Maria Voß | Ludwig-Maximilians-Universität
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Autoren:
Maria Voß | Ludwig-Maximilians-Universität
Prof. Dr. Thomas Ehring | Ludwig-Maximilians-Universität
Dr. Larissa Wolkenstein | Ludwig-Maximilians-Universität
Bisherige Studien haben gezeigt, dass individuelle Unterschiede in kognitiven Kontrollprozessen mit dem Erleben von Intrusionen sowie Rumination bei traumatisierten Personen assoziiert sind. Besonders die Fähigkeit, nicht-länger relevante Informationen im Arbeitsgedächtnis zu inhibieren (proaktive Interferenzkontrolle) scheint dabei eine entscheidende Rolle zu spielen. Unklar ist jedoch, inwiefern eine reduzierte kognitive Kontrolle vor einem traumatischen Ereignis einen Risikofaktor für das Auftreten von Intrusionen und Rumination danach darstellt. Die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) stellt eine wirksame Methode dar, die Aktivierung einzelner Hirnregionen und damit kognitive Kontrolle gezielt zu beeinflussen. Da vor allem der dorsolaterale präfrontale Cortex (dlPFC) mit kognitiver Kontrolle in Verbindung gebracht wurde, ist er dabei die vermutlich effektivste Zielregion. Ziel der randomisierten, doppelblinden Analogstudie war es, zu untersuchen, ob eine Manipulation des linken dlPFC durch tDCS das Auftreten von Intrusionen bzw. Rumination nach einem Stressor beeinflusst. Dazu wurden 120 gesunde Probandinnen anodal, kathodal oder sham stimuliert und als kognitives Kontrollmaß die proaktive Interferenzkontrolle erfasst. Anschließend wurde eine belastende Filmszene gezeigt und Intrusionen sowie Rumination gemessen. Im Vortrag werden die Ergebnisse der aktuell noch laufenden Studie vorgestellt. Sie liefern wichtige Erkenntnisse über den Einfluss individueller Unterschiede in kognitiver Kontrolle auf die Entstehung von Intrusionen bzw. Rumination nach stressvollen Ereignissen und leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Identifikation neurokognitiver Risikofaktoren der posttraumatischen Belastungsstörung.
Provozier’ mich nicht – ein Paradigma zur Überprüfung der kognitiven Kontrollleistung unter dem Einfluss ärgerlicher Emotionen
Elena Schreiner | Eberhard-Karls-Universität
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Autoren:
Elena Schreiner | Eberhard-Karls-Universität
Dr. Larissa Wolkenstein | Ludwig-Maximilians-Universität
Die kognitive Kontrollleistung steht im Kontrast zu Impulsivität und ist Voraussetzung, Frustration zu tolerieren und aggressivem Drang zu widerstehen. Betrachtet man die Diagnosekriterien der antisozialen Persönlichkeitsstörung (APS), so scheint ein kognitives Kontrolldefizit bei dieser Personengruppe naheliegend. Empirisch kann es aufgrund heterogener Untersuchungsbefunde jedoch nicht als gesichert angenommen werden. Ohnehin legen Studienergebnisse den Schluss nahe, kognitive Kontrolle und Emotionsregulation in Bezug auf aggressive Verhaltensweisen nicht nur isoliert zu betrachten, sondern auch das Zusammenspiel beider Prozesse zu berücksichtigen. Insbesondere unter dem Zustand ärgerlicher Emotionen müssen aggressive Handlungsimpulse unterdrückt werden können, um nicht Gefahr zu laufen, eine (neuerliche) Straftat zu begehen. Trotz hoher Relevanz gibt es unseres Wissens nach noch keine Studien zur emotionsspezifischen kognitiven Kontrollleistung bei Personen mit APS. Um diesen Untersuchungsgegenstand nachfolgend adressieren zu können, wurde in einem ersten Schritt ein neues Erhebungsinstrument entwickelt. Dieses enthält neben einer standardisierten Ärgerinduktion mit interaktivem Kontext auch ein verhaltensnahes Maß zur Erfassung der kognitiven Kontrollleistung. Das Paradigma wurde an einer Stichprobe männlicher Personen (N=35) mit niedrigem Bildungsabschluss überprüft. Vor Ort sollen Ergebnisse der Vorstudie dargestellt und diskutiert werden. Zudem soll die laufende Hauptuntersuchung, die an Gefängnisinsassen mit und ohne APS durchgeführt wird, vorgestellt werden. Neben einem ökologisch validen Maß zur Erfassung der kognitiven Kontrolle liefern diese Studien Hinweise auf Präventions- und Interventionsmöglichkeiten.
Effekte der transkraniellen Gleichstromstimulation auf die kognitive Kontrolle von Borderline-Patientinnen
Dr. Larissa Wolkenstein | Ludwig-Maximilians-Universität
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Autoren:
Dr. Larissa Wolkenstein | Ludwig-Maximilians-Universität
Felicitas Rombold | Charité
Ein Merkmal der Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine ausgeprägte Reaktivität der Stimmung. Ein Prozess, der der emotionalen Dysregulation verschiedener psychischer Störungen zugrunde zu liegen scheint, ist die kognitive Kontrolle. Auch bei der BPS liegt ein kognitives Kontrolldefizit vor, das sich in einer reduzierten Inhibition negativen Materials zeigt. Wiederholt wurden kognitive Kontrollprozesse u.a. mit der Aktivierung des dorsolateralen präfrontalen Kortex (dlPFC) in Zusammenhang gebracht, der eine wichtige Rolle in der top-down-Regulation der emotionalen Verarbeitung spielt. Es stellt sich daher die Frage, ob es möglich ist, die kognitive Kontrolle von BPS-Patienten zu steigern, indem die Aktivierung des dlPFC beeinflusst wird. Die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) hat sich als wirksame Methode erwiesen, kognitive Kontrollprozesse zu modulieren, indem die Aktivierung des dlPFC gezielt verändert wird. Das Ziel dieses doppelverblindeten, randomisierten und sham-kontrollierten Crossover-Trials bestand darin, zu untersuchen, ob eine anodale tDCS des linken dlPFC (1 mA) zu einer Verbesserung der kognitive Kontrolle von BPS-Patientinnen führt. Die kognitive Kontrollleistung von 20 PBS-Patientinnen und 20 Kontrollprobandinnen wurde mit einer Delayed Response Working Memory Task erfasst. Die Ergebnisse dieser Studie werden vor Ort präsentiert und diskutiert. Die Untersuchung der Möglichkeiten die kognitive Kontrolle von BPS-Patienten mittels neuromodulatorischer Techniken gezielt zu beeinflussen liefert nicht nur Erkenntnisse über verursachende und aufrechterhaltende Faktoren der Erkrankung, sondern auch wichtige Informationen für mögliche, innovative Interventionsansätze.
Empathie und Compassion – Wie Mitgefühlsmeditation einen adaptiven Umgang mit dem Leid Anderer ermöglicht
PD Dr. Philipp Kanske | Forschungsgruppe „Psychopathology of the Social Brain“, Abteilung Soziale Neurowissenschaft, Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften
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Autor:
PD Dr. Philipp Kanske | Forschungsgruppe „Psychopathology of the Social Brain“, Abteilung Soziale Neurowissenschaft, Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften
Konfrontation mit dem Leid Anderer bedarf im Besonderen der Regulation der eigenen Emotionen. Dies gilt gerade auch in Helferberufen, wo das Ziel ist „empathischen Stress“ und Burnout zu verhindern ohne dass der Helfer sich von dem Leidenden abwenden oder das Leid relativieren muss. Das Training von Mitgefühl oder Compassion wird als eine Möglichkeit diskutiert, die eigenen Emotionen darüber zu regulieren, dass Gefühle von Zuwendung, Wärme und Fürsorge für den Leidenden kultiviert werden.
In den letzten Jahren wurden verschiedene Compassion-Trainings empirisch untersucht. Der Vortrag stellt kontemplative Ansätze über Meditation und dyadische Übungen vor. Neben einem Überblick zu den Ergebnissen bisher durchgeführter Untersuchungen, werden aktuelle Befunde einer großen Langzeit-Trainings-Studie bei gesunden Probanden dargestellt. Über 9 Monate absolvierten die Teilnehmer verschiedene Module zu Achtsamkeit und Körpergewahrsein (Präsenz-Modul), Affekt und Affektregulation (inkl. Compassion, Affekt-Modul), sowie Perspektivübernahme und Metakognition (Perspektive-Modul).
Die Ergebnisse belegen, dass die Fähigkeit, Mitgefühl und Compassion für Andere zu empfinden, trainierbar ist und durch ein distinktes neuronales Netzwerk vermittelt wird. Die Trainingseffekte sind spezifisch für das Affekt-Modul, während Aufmerksamkeit und die Fähigkeit zur kognitiven Perspektivenübernahme durch die Präsenz- und Perspektiven-Module verbessert werden. Die Studie legt damit einen wichtigen Grundstein für zielgerichtetes Training von Emotionsregulationsdefiziten bei verschiedenen psychischen Störungen.
Wie stark ist der Zusammenhang zwischen Repetitiven negativen Gedanken und kognitiven Kontrolldefiziten wirklich? – Eine Metaanalyse
Dr. Ulrike Zetsche | Freie Universität Berlin
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Autoren:
Dr. Ulrike Zetsche | Freie Universität Berlin
Dr. Philipp Döbler | Freie Universität Berlin
Dr. Lars Schulze | Technische Universität Dortmund
Repetitive negative Gedanken, wie Grübeln und Sorgen, sind ein zentraler Risikofaktor für die Entstehung und Aufrechterhaltung von affektiven Störungen und Angststörungen. Obwohl Grübel- und Sorgenprozesse meist initiiert werden um negativen Affekt zu reduzieren, führen sie zu einem Anstieg in negativem Affekt, schlechterem Problemlösen und stärkeren kognitiven Verzerrungen. Auf Grund der negativen Auswirkungen von RNT ist es wichtig zu verstehen, warum manche Personen Schwierigkeiten haben, diese negativen Gedankenprozesse zu unterbrechen.
Aktuelle Theorien gehen davon aus, dass repetitive negative Gedanken, wie Grübeln und Sorgen, mit Defiziten in kognitiven Kontrollprozessen in Zusammenhang stehen. Kognitive Kontrollprozesse sorgen dafür, irrelevante Inhalte aus dem Arbeitsgedächtnis (AG) herauszuhalten (Interferenzkontrolle), nicht länger relevante Inhalte aus dem AG zu entfernen (Updating) oder zwischen aktuellen Aufgabenanforderungen zu wechseln (Set Shifting) um adaptives Verhalten zu ermöglichen. Zahlreiche Studien haben den Zusammenhang zwischen RNT und verschiedenen kognitiven Kontrollprozessen untersucht. Die Ergebnisse sind jedoch uneinheitlich.
Ziel der aktuellen Studie ist daher eine metaanalytische Effektgrößenschätzung des Zusammenhangs zwischen RNT und kognitiven Kontrollprozessen in den bisher durchgeführten Studien. Der Einfluss wichtiger Moderatoren (z.B. Art des Kognitiven Kontrollprozesses, Kontrolle von Depression, Art der Stichprobe) auf diesen Zusammenhang wird untersucht.
Im Vortrag werden die Ergebnisse der Metaanalyse vorgestellt und methodische Probleme in diesem Forschungsgebiet diskutiert.