Thema:
1.2 Ätiologie: Psychogenese, Kognitive und metakognitive Modelle, Informationsverarbeitung, Genetik, Neurobiologie, bildgebende Verfahren
Leitung:
Dr. Helen Niemeyer (Freie Universität Berlin)
Dr. Sarah Schumacher (Freie Universität Berlin)
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Das Symposium gibt einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse aus der grundlagenorientierten Biomarker-Forschung bei der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), Aspekten negativer und positiver psychischer Gesundheit nach Konfrontation mit traumarelevanten Szenarien, der Prädiktion chronischer PTBS durch die akute Symptomatik, sowie einen Überblick über die Ergebnisse der Therapieforschung bei besonders stark belasteten Patientengruppen mit PTBS.
Frau Schumacher stellt im ersten Vortrag Ergebnisse einer Meta-Analyse vor, die sich mit Veränderungen in der Regulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden Achse im Rahmen der PTBS beschäftigt. Im zweiten Beitrag stellt Herr Cwik eine Arbeit vor, die das Kontinuum psychischer Belastungsfaktoren, von alltäglichen Belastungen bis zu traumatischen Erfahrungen, im Zusammenhang mit der subjektiven Belastung nach einer Konfrontation mit traumarelevanten Kurzszenarien untersucht und Korrelationen mit funktionalen und dysfunktionalen Aspekten der Gesundheit erfasst. Diagnostische Aspekte sind Gegenstand des dritten Beitrags, in welchem Frau Haag Prädiktoren der chronischen PTBS aus akuten Symptomen unter Verwendung der Methode der Netzwerk-Analyse identifiziert. Den Abschluss bildet ein Vortrag von Frau Niemeyer, die in einer Meta-Meta-Analyse einen Überblick über die Ergebnisse aller Meta-Analysen zu Psychotherapieeffekten bei schwer belasteten PTBS-Subgruppen, wie komplexe PTBS, multimorbide PTBS, und PTBS nach komplexer Traumatisierung, gibt und ein Qualitätsrating der Meta-Analysen sowie der eingehenden Primärstudien anhand von Güteskalen vornimmt.
Die Regulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse in der posttraumatischen Belastungsstörung: Eine Meta-Analyse
Dr. Sarah Schumacher | Freie Universität Berlin
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Autoren:
Dr. Sarah Schumacher | Freie Universität Berlin
Dr. Helen Niemeyer | Freie Universität Berlin
Sinha Engel | Freie Universität Berlin | Germany
Dr. Jan Christopher Cwik | Ruhr-Universität Bochum | Germany
Prof. Dr. Christine Knaevelsrud | Freie Universität Berlin
Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine mögliche Folgereaktion traumatischer Ereignisse. Die Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung ist mit biologischen Veränderungen assoziiert. So wird die PTBS mit einer komplexen Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA) in Verbindung gebracht.
Die Meta-Analyse hat zum Ziel, störungsspezifische Veränderungen in den Konzentrationen der HHNA Hormone Kortisol und Dehydroepiandrosteron (DHEA) sowie dessen sulfatierter Form (DHEA-S) zusammenzufassen. Dabei sollen Dysregulationen der basalen HHNA-Aktivität und der HHNA-Reaktivität untersucht werden, sowie Veränderungen durch psychotherapeutische Interventionen.
Eine Literaturrecherche wurde in verschiedenen Datenbanken durchgeführt. Zudem wurde nach unpublizierten Studien gesucht und ein “Schneeballsystem” verwendet, um alle relevanten Studien zu identifizieren. Die Einschlusskriterien bezüglich der PTBS umfassten eine klinische Symptomschwere und die Bestimmung des diagnostischen Status durch ein klinisches Interview. Im Hinblick auf das Studiendesign wurden sowohl Studien mit gesunden Kontrollgruppen eingeschlossen, als auch solche mit zwei oder mehr PTBS-Gruppen sowie Studien ohne Vergleichsgruppe.
Bezüglich der Hormonbestimmung wurden sowohl einzelne, als auch mehrfache Messungen berücksichtigt. Dabei wurden Messmethoden im Urin, Blut, Speichel oder Haar eingeschlossen.
Qualitätsassessments der Studiengüte sowie der Biomarkererhebung wurden durchgeführt. Für die Effektstärkenberechnung wurden die verschiedenen Studiendesigns in separaten Datensätzen zusammengefasst.
Die Daten werden aktuell ausgewertet Und die Ergebnisse im Vortrag präsentiert und diskutiert.
Zusammenhänge zwischen psychischen Belastungen und positiver sowie negativer mentaler Gesundheit
Dr. Jan Christopher Cwik | Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit, Ruhr-Universität Bochum
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Autoren:
Dr. Jan Christopher Cwik | Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit, Ruhr-Universität Bochum
Dr. Marcella Lydia Woud | Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit, Ruhr-Universität Bochum
Belastende Ereignisse sind beeinträchtigende Alltagsstressoren (z.B. Krankheit). Traumatische Ereignisse hingegen sind Situationen, in denen Betroffene die drohende oder tatsächliche Gefahr der körperlichen Unversehrtheit oder des Lebens von sich oder anderer erlebt. Gemeinsam haben beide Erlebnisformen, dass sie mit nachhaltigen Konsequenzen im psychischen Wohlbefinden einhergehen. Ziel dieser Studie ist, Zusammenhänge dieses Kontinuums psychischer Belastungsfaktoren mit funktionalen (z.B. Resilienz) und dysfunktionalen (z.B. Rumination) Aspekten zu untersuchen.
Dazu wurden 94 Probanden (80.2% ♀; 18-67 Jahre) gebeten Onlinefragebögen auszufüllen, sowie traumarelevante, ambige Kurzszenarien zu beenden. 58.2% der Probanden berichteten belastende und 41.8% traumatische Erlebnisse.
Die Ergebnisse zeigen sig. positive Zusammenhänge zwischen dem aktuellen subjektiven Belastungsschweregrad und Rumination, Pessimismus, Ängstlichkeit und Depressivität, und einen sig. negativen Zusammenhang mit Selbstwirksamkeitserwartung, Resilienz und Optimismus. Im Vergleich zu den Versuchspersonen die ein belastendes Ereignis erlebten, zeigten traumatisierte Probanden sig. höhere Rumination und eine sig. niedrigere Selbstwirksamkeitserwartung. Außerdem konnte ein sig. positiver Zusammenhang zwischen dem Schweregrad posttraumatischer Symptome und berichteten Gefühlen von Scham und Schuld beobachtet werden. Probanden, die in jüngerem Alter traumatisiert wurden, wiesen ein höheres Ausmaß erlebter Scham und Schuld auf.
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Intensität und Zeitpunkt der Traumatisierung, sowie die subjektive Belastung mit verschiedenen Fassetten negativer und positiver mentaler Gesundheit einhergehen.
Akuter posttraumatischer Stress und chronische PTBS aus einer Netzwerkperspektive
Christina Haag | Experimentelle Psychopathologie und Psychotherapie, Universität Zürich | Switzerland
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Autoren:
Christina Haag | Experimentelle Psychopathologie und Psychotherapie, Universität Zürich | Switzerland
Donald J. Robinaugh | Dept. of Psychiatry, Massachusetts General Hospital | United States
Prof. Dr. Anke Ehlers | Dept. of Experimental Psychology, Oxford University | United Kingdom
Prof. Dr. Birgit Kleim | Dept. of Experimental Psychopathology and Psychotherapy, University of Zurich | Switzerland
Während die meisten Traumaopfer sich nach Exposition mit einem traumatischen Ereignis erholen, entwickelt ein kleiner, aber substanzieller Anteil von Personen schwerwiegende chronische Symptome wie eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Bryant und Kollegen untersuchten kürzlich das Zusammenspiel von akuten PTBS Symptomen anhand von Netzwerkanalysen. Darauf aufbauend untersucht diese Studie (1) ob sich Symptome von akutem posttraumatischen Stress als stärkere Prädiktoren von chronischer PTBS erweisen, die von Bryant und Kollegen als zentral, stark ins Netzwerk eingebunden identifiziert wurden. Weiterhin (2) werden direkte Pfade von akuten Symptomen zu chronischer PTBS untersucht.
Methode: Bei 171 Opfern von Gewalt wurden akute Symptome von posttraumatischem Stress zwei Wochen nach dem Ereignis sowie das Vorliegen einer PTBS sechs Monate später erfasst.
Ergebnisse: Akute Symptome wie Intrusionen, die Bryant und Kollegen als zentral identifizierten, erwiesen sich als stärkere Prädiktoren für chronische PTBS, während weniger zentrale Symptome wie Amnesie weniger prädiktiv waren. Direkte Pfade zu chronischer PTBS zeigten sich u.a. von Konzentrationsproblemen, kognitiver Vermeidung, Alpträumen sowie dem Gefühl einer eingeschränkten Zukunft, wobei die zwei Letzteren viele akute Symptome mit chronischer PTBS verbanden. Schlussfolgerung: Die Vorhersagekraft der akuten Symptome steht in Zusammenhang mit Ergebnissen zur Zentralität im Netzwerk von Bryant und Kollegen. Gleichzeitig scheinen Alpträume und das Gefühl einer eingeschränkten Zukunft eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von PTBS einzunehmen. Diese Symptome könnten früh gezielt bearbeitet werden, z.B. durch kognitive oder schlafbezogene Interventionen.
Psychotherapie bei komplexer posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und PTBS nach komplexer Traumatisierung: Eine Meta-Meta-Analyse
Dr. Helen Niemeyer | Freie Universität Berlin
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Autoren:
Dr. Helen Niemeyer | Freie Universität Berlin
Anima Pieper
Dr. Dominik Ülsmann | Charité, St. Hedwig-KKH
Dr. Olaf Schulte-Herbrüggen | Charité, St. Hedwig-KKH
Prof. Dr. Christine Knaevelsrud | Freie Universität Berlin
In wachsenden Forschungsfeldern wird eine Zusammenfassung der Meta-Analysen empfohlen, die die Qualität der Evidenz berücksichtigt. Ziel der Meta-Meta-Analyse ist es, einen Überblick über den Forschungsstand zu evidenzbasierter Psychotherapie bei komplexer PTBS, PTBS nach komplexer Traumatisierung, multimorbider und PTBS mit hoher Symptomschwere bei Erwachsenen zu geben. Komplexe Traumatisierung wurde über ein diesbezüglich erhöhtes Risiko operationalisiert (Opfer von Kindheitsmissbrauch, Veteranen, Flüchtlinge, Kriegs/Folteropfer). Gesucht wurde bis 09/15 in den Datenbanken PubMed, Psychinfo, Psychindex, der Cochrane Database of Systematic Reviews und nach dem Schneeballsystem. Die Qualität der Meta-Analysen wurde anhand des „A Measurement Tool to Assess Systematic Reviews (AMSTAR)“ eingeschätzt, die der Primärstudien mit „Grades of Recommendation, Assessment, Development and Evaluation (GRADE)“. Das Ausmaß des Mehrfacheinschlusses von Studien wurde mittels der Corrected Covered Area (CCA) berechnet. 14 Meta-Analysen, basierend auf 135 Studien und 15643 Personen, untersuchen PTBS nach komplexer Traumatisierung, eine fokussierte auf komplexe PTBS. Es liegen keine Meta-Analysen zu multimorbider PTBS oder hoher Symptomschwere vor. Die Qualität von 9 Meta-Analysen wurde als hoch beurteilt. Drei Meta-Analysen enthalten Studien hoher Qualität, 5 moderate, und 6 Studien niedriger Güte. Ein Mehrfacheinschluß von Studien ist in den Subgruppen Kindheitsmissbrauch (CCA = 35) sowie Kriegs/Folteropfer gegeben (CCA = 35). Die Therapien umfassen EMDR, KVT, CPT, NET und nicht differentiell untersuchte Psychotherapien. Die Mehrzahl der Effektstärken liegt im mittleren bis hohen Bereich, detaillierte Ergebnisse werden präsentiert.