Thema:
2.5 Psychische Störungen und Versorgung bei besonderen Zielgruppen: Kinder- und Jugendalter, hohes Lebensalter, Risikogruppen
Leitung:
Prof. Dr. Eva-Marie Kessler (MSB Medical School Berlin)
Prof. Dr. Gabriele Wilz
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Die generelle Wirksamkeit von Psychotherapie bei älteren Patienten ist mittlerweile relativ gut belegt. Dennoch sind ältere Menschen in der Versorgungsrealität im Vergleich zum Versorgungsbedarf erheblich unterrepräsentiert. Sie sind bei weitem noch keine regulären Psychotherapiepatienten und gelten in den ‚Bildern in den Köpfen‘ über das Alter(n) als unflexibel und wenig veränderungsmotiviert bzw. -fähig. Darüber hinaus gibt es immer noch einen erheblichen Mangel an Therapieansätzen, die die spezifischen Problemlagen und Herausforderungen des Alters ins Zentrum rücken. Zu den zentralen Aufgaben der Klinischen Gerontopsychologie gehört daher die systematische Auseinandersetzung mit zwei Themenkomplexen. Erstens gilt zu untersuchen, wie sich subjektive Altersbilder – sowohl bei Behandlern wie auch bei älteren Menschen selbst - auf den Zugang zu Psychotherapie und auf Therapieprozesse auswirken und inwiefern sie differenziert und erweitert werden können. Zweitens muss weiter erforscht werden, welche spezifischen Wege es gibt, ältere Menschen psychotherapeutisch zu erreichen, indem existierende psychotherapeutische Ansätze für ihre Bedürfnisse und Lebenslagen adaptiert werden und zugrundeliegende Wirkfaktoren identifiziert werden. In dem Symposium werden diese beiden Fragenkomplexe in fünf Beiträgen exemplarisch untersucht.
Hängen Therapieentscheidungen von Psychotherapeuten vom Alter des Patienten ab?
Prof. Dr. Eva-Marie Kessler
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Autoren:
Prof. Dr. Eva-Marie Kessler
Teresa Schneider
Ziel: Ziel der vorliegenden Studie war zu untersuchen, ob Einstellungen und Therapieentscheidungen von Psychotherapeuten vom Alter des Patienten abhängen. Methode: Ein Stichprobe von Psychotherapeuten (N = 97) beantwortete Fragen bezüglich einer naturalistischen Fallvignette, in welcher es um eine Patientin mit Depressions- und Angstsymptomen ging. Im Rahmen eines experimentellen Designs wurde die Patientin entweder als 79 Jahre (Bedingung ‚Alter Patient‘) oder als 47 Jahre (Bedingung ‚Junger Patient‘) beschrieben. Ergebnisse: Es zeigte sich keine generell negativere Einstellung der Teilnehmer gegenüber der älteren Patientin. Allerdings hatte das angegebene Alter der Patientin einen Einfluss auf die Wahl des von den Teilnehmern präferierten therapeutischen Vorgehens. Im Speziellen empfahlen die Teilnehmer im Falle der älteren Patientin eher Kurz- als Langzeittherapie und beurteilten ein klärungsorientiertes Vorgehen (d.h. Bewusstwerdung der Determinanten problematischen Verhaltens und Erlebens) als weniger wichtig und zielführend. Schlussfolgerung: Das tief verankerte Stereotyp des rigiden und nicht veränderungsfähigen alten Menschen ist möglicherweise auch ein wichtiger und potentiell problematischer Faktor im psychotherapeutischen Geschehen. Um die Effektivität von Psychotherapie im Alter zu gewährleisten werden Interventionen benötigt, die Psychotherapeuten bei der Reflexion ihrer individuellen Altersbilder unterstützen.
„Ich weiß nicht, in welcher Verzweiflung ich sonst gelandet wäre“: Die Gestaltung und Wirksamkeit einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz
Dr. Franziska Meichsner
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Autoren:
Dr. Franziska Meichsner
Dr. Anne-Katrin Risch
Prof. Dr. Gabriele Wilz
Theorie. Pflegende Angehörige von Demenzerkrankten befinden sich in einer komplexen Belastungssituation: Besonders Verhaltensauffälligkeiten der Erkrankten beeinflussen die Gesundheit der Angehörigen negativ, multiple Verluste können eine intensive Trauerreaktion auslösen und dysfunktionale pflegebezogene Einstellungen verstärken die erlebte Belastung zusätzlich. Psychologische Unterstützungsangebote haben sich als hilfreich erwiesen. Im Beitrag wird das kognitiv-behaviorale Interventionskonzept Tele.TAnDem vorgestellt. Ergebnisse zur Erreichung individueller Therapieziele und der Wirksamkeit in den Bereichen pflegebezogene Einstellungen, Bewältigung von Trauer und Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten werden präsentiert und das therapeutische Vorgehen erläutert. Methode. Randomisiert-kontrollierte Studie (N = 273) mit 3 Messzeitpunkten. IG-TeilnehmerInnen erhielten 12 telefonische Therapiestunden in 6 Monaten. Goal Attainment Scaling wurde zur Messung von Therapiezielen eingesetzt, Auswertung erfolgte mittels longitudinaler SEM. Ergebnisse. Therapieziele bezogen sich in 43.1% auf Problemlösung v.a. hinsichtlich Verhaltensauffälligkeiten, in 37.9% auf die Bewältigung schmerzhafter Emotionen und in 10.3% auf Veränderung pflegebezogener Einstellungen. 77.1% aller Angehörigen konnten diese erreichen. IG-TeilnehmerInnen zeigten signifikante Verbesserungen im Auftreten dysfunktionaler Einstellungen, der Bewältigung von Trauer und im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten. Das zugrundeliegende therapeutische Konzept wird an Beispielen illustriert. Diskussion. Durch den Einsatz des kognitiv-behavioralen Interventionskonzepts Tele.TAnDem können pflegende Angehörige hinsichtlich verschiedener Belastungen wirksam unterstützt werden.
Wirkfaktoren in internetbasierten Interventionen- Ergebnisse einer Interventionsstudie für Angehörige von Demenzerkrankten
Christina Reiter
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Autoren:
Christina Reiter
Dr. Franziska Meichsner
Prof. Dr. Gabriele Wilz
Theoretischer Hintergrund: Während eine Vielzahl an Studien die Wirksamkeit von internetbasierten Interventionen belegt, ist noch wenig darüber bekannt, auf welche Weise internetbasierte Interventionen wirken (Ebert & Erbe 2012; Preschel 2011). So ist unzureichend geklärt, welche therapeutischen Wirkmechanismen für erzielte positive Veränderungen in internetbasierten Interventionen verantwortlich sind (Klasen, Knaevelsrud & Böttche, 2013).
Vor diesem Hintergrund ist die zentrale Fragestellung dieser Untersuchung, inwiefern Wirkmechanismen, die sich im Face-to-Face -Setting als relevant erwiesen haben, auch im internetbasierten Setting für Behandlungserfolge bedeutsam sind. Hierfür erfolgte in einer internetbasierten Intervention die Erhebung der Wirkfaktoren von Interventionen nach Grawe (1998).
Methode: Im Rahmen einer randomisiert-kontrollierte Studie (N = 30) wurden die Teilnehmer einer Interventions- oder Wartekontrollgruppe zugeteilt. Die Teilnehmer hatten über einen Zeitraum von acht Wochen einen wöchentlichen schriftlichen Nachrichtenaustausch mit einer Therapeutin. Dabei basierte die Intervention auf dem Manual Tele.TAnDem (Wilz et al., 2015). Die Wirkfaktoren nach Grawe (1998) wurden mit Hilfe des Berner Stundenbogen 2000 (Flückiger et al., 2010) erfasst.
Ergebnisse & Diskussion: Es werden erste Ergebnisse zum Zusammenhang der Wirkfaktoren nach Grawe (1998) und der Outcome-Maße der Interventionsstudie vorgestellt und vor dem Hintergrund des Forschungsstandes zu internetbasierten Interventionen diskutiert.
Neue Perspektiven in der Behandlung chronisch depressiver älterer Patienten durch CBASP?
Simon Bollmann
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Autoren:
Simon Bollmann
Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier
Bisherige Daten weisen darauf hin, dass Depressionen im Alter häufiger einen chronischen Verlauf nehmen als bei jüngeren Patienten. Dementsprechend besteht ein hoher Bedarf nach speziell an den Bedürfnissen älterer Patienten ausgerichteten und adaptierten psychotherapeutischen Behandlungsprogrammen. Das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) wurde eigens für chronisch depressive Patienten entwickelt und setzt direkt an der Psychopathologie dieser Patientengruppe an. Es wird angenommen, dass frühe – bzw. bei älteren Patienten auch spätere –traumatisierende Beziehungserfahrungen sich im gegenwärtigen interpersonellen Verhalten der Patienten spiegeln und das Erleben bzw. Erlernen neuer korrigierender Beziehungserfahrungen erschweren. Durch die angestrebten interpersonellen Heilungsprozesse bzgl. traumatisierender Beziehungserfahrungen sowie zeitgleich konkreter Hilfe in heutigen interaktionell schwierigen Situationen ergeben sich auch für ältere Patienten, durch das modifizierte CBASP, innovative Möglichkeiten in der psychotherapeutischen Behandlung.
Nach dem Aufzeigen theoretischer Verknüpfungen für die Behandlung älterer Patienten mit adaptierten CBASP-Strategien und generellen Altersbefunden werden aktuelle Daten zur Relevanz von frühen traumatisierenden Beziehungserfahrungen in der Patientengruppe älterer Menschen vorgestellt. Darüber hinaus werden erste Reanalysen von Studien sowie Pilotdaten einer interpersonellen Fertigkeiten-Gruppe basierend auf CBASP Strategien im stationären Setting für ältere depressive Patienten präsentiert und diskutiert.
Psychotherapeutische Interaktion mit älteren Patienten: Eine qualitative Analyse der Erfahrungen jüngerer Psychotherapeuten
Annika Boschann
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Autoren:
Annika Boschann
Prof. Dr. Eva-Marie Kessler
Die weiterhin überproportional wachsende Anzahl älterer Menschen (65+) in Deutschland und die dadurch zunehmende Häufigkeit psychischer Alterserkrankungen führt zu einem steigenden Bedarf an gerontopsychologischer Kompetenz. Empirische Studien zeigen, dass die psychotherapeutische Behandlung Älterer eine Reihe von Herausforderungen für Therapeuten mit sich bringt, deren weitere Erforschung notwendig ist. Die durchgeführte Untersuchung fokussierte sich auf den psychotherapeutischen Kontakt zwischen älteren Patienten und jüngeren Therapeuten. Ziel war es, neue Erkenntnisse über den Einfluss verinnerlichter Altersbilder und intergenerationeller Dynamiken auf die psychotherapeutische Behandlung zu generieren. Mit Hilfe eines problemzentrierten Interviews wurden fünf Psychotherapeuten in Ausbildung zu ihren therapeutischen Erfahrungen mit älteren Patienten befragt und mittels Grounded Theory analysiert. Das erste Ergebnis beschreibt ein Konstrukt, welches aus drei sich gegenseitig beeinflussenden Bereichen besteht: den Erfahrungen, dem Altersbild und der Vorstellung vom eigenen Altern. Diese Triade prägt die Motivation und Einstellung jüngerer Therapeuten zur Psychotherapie mit älteren Patienten. Das zweite Ergebnis beschreibt die Konflikte jüngerer Therapeuten, die aufgrund generationsbedingter Differenzen und der auftretenden Enkelkind-Großeltern-Dynamik innerhalb des therapeutischen Kontakts entstehen. Die Ergebnisse der Interviews zeigen auch, dass angehende junge Therapeuten nicht in ausreichendem Maße auf die psychotherapeutische Behandlung älterer Patienten vorbereitet werden. Hier können in der Ausbildung u.a. die Vermittlung positiver Altersbilder und eine Unterstützung mittels Supervision hilfreich sein.