Thema:
1.2 Ätiologie: Psychogenese, Kognitive und metakognitive Modelle, Informationsverarbeitung, Genetik, Neurobiologie, bildgebende Verfahren
Leitung:
Dr. Friederike Barthels
Prof. Dr. Reinhard Pietrowsky
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
In diesem Symposium sollen vier experimentelle bzw. empirische Studien vorgestellt werden, die sich mit Risikofaktoren für Essstörungen beschäftigen. Es sind diese das orthorektische Ernährungsverhalten als möglicher Risikofaktor für die Anorexie, das im Vortrag von Barthels vorgestellt wird, die Adipositas als Risikofaktor (oder Folge) der Binge Eating Störung (im Beitrag von Rinck) und das gezügelte Essverhalten als möglicher Risikofaktor für die Bulimie (im Beitrag von Pietrowsky). Zudem wird sich eingangs ein methodischer Beitrag (von Müller) mit der Frage befassen, wie gesundes, nicht-essgestörtes Ernährungsverhalten operationalisiert und gemessen werden kann.
Vorstellung eines Auswertungssystems zur Beurteilung der gesundheitlichen Qualität des Essverhaltens anhand der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
Romina Müller
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Autoren:
Romina Müller
Prof. Dr. Reinhard Pietrowsky
Dr. Frank Meyer
Dr. Friederike Barthels
Die Definition einer gesunden Ernährungsweise fällt höchst unterschiedlich aus, je nachdem, welche Ernährungsphilosophie zu Grunde gelegt wird. Aufgrund stark variierender Ansätze (z. B. vegane Ernährung, Paläodiät etc.) ist ein allgemeiner Konsens kaum möglich. Gleichzeitig ist es für die Therapie von Essstörungen von Bedeutung, Anhaltspunkte zu bieten, welche Art der „gesunden, nicht-essgestörten“ Ernährungsweise angestrebt werden soll. Eine für den deutschsprachigen Raum gültige Orientierung bieten die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Form von 10 leicht verständlichen Regeln. Diese zu operationalisieren und somit gesunde Ernährung messbar zu machen, war Ziel vorliegender Studie. Dazu wurden aus den 10 Regeln 21 Einzelkriterien abgeleitet, die anhand von protokolliertem Ernährungsverhalten auf einer Skala von 0 (nicht erfüllt), über 1 (teilweise erfüllt) bis 2 (voll erfüllt) evaluiert werden. Anschließend werden Wochenmittelwerte pro Einzelkriterium (z. B. Gemüseportionen) und ein Gesamtmittelwert („Gesundheitsindex“) ermittelt. Die Interrater-Reliabilität liegt für den Gesundheitsindex sowie für nahezu alle Einzelkriterien im zufriedenstellenden bis sehr guten Bereich. In einem zweiten Schritt wurde ein erweiterter Gesundheitsindex erarbeitet, der über die Auswertung der verzehrten Mikro- und Makronährstoffe eine faire Beurteilung verschiedenster Ernährungsstile erlaubt. Die beiden Ansätze zur Beurteilung der gesundheitlichen Qualität von protokolliertem Essverhalten bieten vielversprechende Einsatzmöglichkeiten in Ernährungsberatung und -therapie für alle Formen der Essstörungen.
Orthorektisches Ernährungsverhalten als Coping-Strategie bei Patientinnen mit Anorexia nervosa
Dr. Friederike Barthels
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Autoren:
Dr. Friederike Barthels
Dr. Frank Meyer
Prof. Dr. Reinhard Pietrowsky
Orthorexie beschreibt die Fixierung auf gesunde Ernährung und wird als weitere Variante gestörten Essverhaltens diskutiert. Ziel der Studie war die Analyse von Zusammenhängen zwischen anorektischem und orthorektischem in einer Stichprobe von Anorexie-Patientinnen. 29 Anorexie-Patientinnen mit niedrig und 13 mit stark ausgeprägtem orthorektischem Ernährungsverhalten wurden hinsichtlich verschiedener Aspekte essgestörten Verhaltens, hypochondrischer Ängste, Verzehrshäufigkeit ausgewählter Lebensmittel und der Befriedigung psychischer Grundbedürfnisse (Selbstbestimmungstheorie nach Deci & Ryan, 1985) untersucht. Zur Messung orthorektischen Ernährungsverhaltens wurden die Düsseldorfer Orthorexie Skala sowie Selbstauskünfte über das Ernährungsverhalten genutzt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass anorektische Patientinnen mit stark ausgeprägtem orthorektischem Verhalten gesunde Lebensmittel unabhängig vom Kaloriengehalt häufiger verzehren und eine bessere Befriedigung der Bedürfnisse Autonomie und Kompetenz in Bezug auf ihr Ernährungsverhalten zeigen als Patientinnen mit niedrig ausgeprägtem orthorektischem Verhalten. Orthorektisches Ernährungsverhalten könnte demnach eine Coping-Strategie darstellen, da trotz ähnlichen ernährungstherapeutischen Maßnahmen im stationären Setting eine höhere Orthorexie-Ausprägung mit einer stärkeren Wahrnehmung des eigenen Essverhaltens als autonom und kompetent einher geht sowie mit dem häufigeren Verzehr von gesunden Lebensmitteln verknüpft ist. Weitere Forschung ist notwendig um herauszufinden, ob die verbesserte Integration der nicht-anorektischen Ernährungsweise in ein kohärentes Selbstbild langfristig zu einer Verbesserung der Essstörungssymptomatik führt.
The Struggle with Temptation: Training Automatic Food-Avoidance Tendencies in Obese Individuals
Prof. Dr. Mike Rinck
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Autoren:
Prof. Dr. Mike Rinck
Hannah Ferentzi
Hannah Scheibner
Reinout Wiers
Prof. Dr. Eni Becker
Prof. Johannes Lindenmeyer
Dr. Sylvia Beisel
Obesity is a major health concern, characterized by an automatic, cue-driven intake of food. Recent research suggests that an effective way to counteract automatic approach reactions in unhealthy consumption behavior might be approach bias modification. Therefore, we investigated an approach-avoidance training for unhealthy food cues in 189 obese patients of a psychosomatic inpatient clinic. Patients in the active training group were trained to avoid unhealthy food pictures (by pushing them away with a joystick) and to approach positive pictures (by pulling them closer with a joystick), while the control group received sham training (approaching and avoiding both picture types). Approach-avoidance bias, body mass index, eating pathology and food-specific implicit associations were assessed before and after the training. In line with our hypothesis, food-avoidance increased in the active training group after the training, in comparison to the sham training group. Moreover, this effect generalized to new, untrained stimuli. However, no effects of the training on implicit associations were found in a food-specific Single-Target Implicit Association Test (IAT), or on eating pathology questionnaires or body mass index. While the training results are promising, the effect of approach-avoidance bias modification on relevant behavior in individuals suffering from obesity has yet to be established.
Die Wahrnehmung von subliminal dargebotenen Nahrungsreizen bei Frauen mit gezügeltem Essverhalten – eine Studie mit Ereigniskorrelierten Potentialen
Prof. Dr. Reinhard Pietrowsky
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Autoren:
Prof. Dr. Reinhard Pietrowsky
Dr. Frank Meyer
Gezügeltes Essverhalten (Restrained Eating) gilt als ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung einer Bulimia nervosa oder einer Binge Eating Störung. Es ist gekennzeichnet durch eine ausprägte kognitive Kontrolle der Nahrungsaufnahme und dem Vermeiden hochkalorischer Nahrungsmittel. Ziel der vorgestellten Studie war daher die Erfassung der Aufmerksamkeit für und die kognitiven Verarbeitung von hochkalorischen Nahrungsreizen. Zu diesem Zweck wurden 22 Frauen mit gezügeltem Essverhalten (EG) und 22 Frauen mit nicht gezügeltem Essverhalten (KG) Worte von hochkalorischen und niederkalorischen Nahrungsmittel wiederholt tachistoskopisch bis zu deren Erkennen dargeboten. Dabei wurde das EEG zur Identifikation Ereigniskorrelierter Potentiale abgeleitet. Wir erwarteten größere P2-Amplituden in der EG als in der KG auf die hochkalorischen Nahrungsworte im Sinne einer stärkeren präattentiven Verarbeitung dieser Reize. Zudem erwarteten wir eine frühere Reizidentifikation der hochkalorischen Nahrungsworte in der EG, sichtbar in einer früheren und größeren P3-Amplitude. Die Ergebnisse bestätigen die Annahmen zur P2 nicht, jedoch diese zur P3-Amplitude. Daher kann angenommen werden, dass Frauen mit gezügeltem Essverhalten hochkalorischen Nahrungsreizen eine besondere Aufmerksamkeit entgegenbringen und diese Reize schneller erkennen und intensiver verarbeiten, auch wenn die Reizwahrnehmung anfangs unterschwellig und unbewusst erfolgt.