Thema:
2.6 übergreifende Themen
Leitung:
Dr. Julia Asbrand (Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Institut für Psychologie, Universität Freiburg)
Prof. Dr. Julian Schmitz (Institut für Psychologie der Universität Leipzig)
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Physiologische Erregung als Komponente von Gefühlen, insbesondere Angst, gilt zentral für das Erleben der Emotion. Die Forschung der vergangenen Jahre weist darauf hin, dass sich Angststörungen nicht unbedingt durch eine einfache Übererregung, sondern vielmehr durch veränderte Muster von physiologischer Erregung auszeichnen. Eine Reaktion auf das Angsterleben mit einer veränderten physiologischen Erregung stellt die Vermeidung dar, sodass im Verlauf die Entstehung einer Angststörung begünstigt wird. Das Verständnis der physiologischen Erregung trägt somit grundsätzlich bei zur Beschreibung von Ängsten sowie zur Erklärung der Ätiologie von Angststörungen und potentieller Mechanismen der Behandlung. Der Weg zur genauen Darstellung der Zusammenhänge zwischen einzelnen physiologischen Markern und spezifischen Ängsten bzw. Angststörungen führt über Paradigmen auf Ebene basaler Schreckreaktion, dem Erlernen von Vermeidung bis hin zu komplexen sozialen Bedrohungsreizen.
Das Symposium stellt die Breite verschiedener Ängste und Angststörungen sowie körperlicher Marker von peripherphysiologisch (Hautleitfähigkeit: Richter et al., Pittig) über stimmlich (Sprachgrundfrequenz: Asbrand et al.) bis zu neural (Elektroenzephalographie: Keil et al.) dar. Die Betrachtungen der Grundlagenforschung aus dem Kindes- bis hin zum Erwachsenenalter werden abgeschlossen mit einer Darstellung möglicher Veränderungen der Physiologie auf Basis von validierten Interventionen bei Angststörungen.
Kortikale Reaktivität beim Betrachten emotionaler Gesichter: Eine EEG-Studie bei Kindern mit Angststörungen.
Verena Keil | Universität Freiburg, Institut für Psychologie | Germany
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Autoren:
Verena Keil | Universität Freiburg, Institut für Psychologie | Germany
Prof. Dr. Brunna Tuschen-Caffier | Germany
Prof. Dr. Julian Schmitz
Theoretischer Hintergrund: Aufmerksamkeitsverzerrungen hin zu bedrohlichen Reizen scheint charakteristisch für Personen mit Angststörungen zu sein. Das Late Positive Potential (LPP) ist ein ereigniskorreliertes Potential, welches als neuronaler Indikator für die Verarbeitung emotionaler Stimuli gilt und anhaltende Aufmerksamkeit gegenüber motivational salienter Informationen widerspiegelt. Methode: Im Rahmen einer Emotionsidentifikationsaufgabe wurde das LPP bei Kindern im Alter von 10-13 Jahren erfasst. Hierzu wurden Kindern mit einer Angststörung (n = 52) und gesunden Kindern (n = 33) ärgerliche, fröhliche und neutrale Gesichtsausdrücke präsentiert. Ergebnisse: Während sich keine signifikanten Gruppenunterschiede bezüglich behavioraler Maße (Richtigkeit der identifizierten Gesichter und Reaktionszeiten) zeigten, deuteten die LPP Ergebnisse darauf hin, dass Kinder mit Angststörungen eine erhöhte Reaktivität beim Betrachten emotionaler Gesichter aufwiesen. Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass das LPP ein geeigneter neuronaler Marker für Aufmerksamkeitsverzerrungen bei Kindern mit Angststörungen ist. Die Ergebnisse können helfen, das bisherige Verständnis kindlicher Angststörungen zu erweitern.
Psychophysiologische Reaktivität als Marker pathologischer Ängste: Eine Imaginationsstudie mit Patienten mit Angst- und depressiven Störungen
Dr. Jan Richter | Universität Greifswald, Lehrstuhl für Physiologische und Klinische Psychologie / Psychotherapie
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Autoren:
Dr. Jan Richter | Universität Greifswald, Lehrstuhl für Physiologische und Klinische Psychologie / Psychotherapie
Dr. Mathias Weymar
Dr. Anke Limberg
Anne-Marie Struck
Anne Pietzner
Prof. Dr. Alfons O. Hamm
Nosologische Klassifikationssysteme definieren Angststörungen anhand von Symptomkriterien ohne Berücksichtigung der Pathogenese. Die Verhaltens- und Neurowissenschaften streben dagegen nach einer mechanistisch orientierten Klassifikation basierend auf psycho-biologischen Konstrukten. Pathologische Ängste können dabei als Folge einer dysfunktionalen Ausprägung eines defensiven Reaktionssystems konzeptualisiert werden. Eine geeignete Methodik zur Erfassung gemeinsamer und differentieller defensiver Reaktivitätsmuster stellt dabei die Skript-geleitete emotionale Imagination dar. Bisherige Studien zeigen eine große Varianz in Patientengruppen, variierend zwischen einer Hyper- und einer Hypo-Reaktivität, assoziiert mit Generalisierung der Beschwerden und negativen Affekt. Eine andauernde Studie mit bislang 147 Patienten mit primären Angst- und depressiven Störungen verfolgt das Ziel, noch offene Fragen zu beantworten (z.B. Einfluss von genetischer Disposition, Neuromodulatoren und Aufmerksamkeitsprozessen; neuronale Verarbeitung und Veränderbarkeit der Reaktivität durch Psychotherapie). Im Fokus steht dabei die kritische Überprüfung der methodischen Spezifität der bisherigen Befunde durch den Vergleich mit der Reaktivität während einer objektiven Bedrohung (Antizipation eines elektro-taktilen Reizes). Vorläufige Analysen bestätigen die Eignung zur Induktion defensiver Reaktivität. Ergänzend fasst der Vortrag weiterführender Analysen zur Heterogenität der Reaktionsmuster und deren Moderatoren zusammen und diskutiert die Vergleichbarkeit beider Paradigmen. Dabei liegt der Fokus auf unterschiedliche physiologische Indikatoren der defensiven Reaktivität, d.h. Schreckreflexmodulation, Herzrate und elektrodermale Aktivität.
Der Einfluss konkurrierender Anreize auf das Verlernen von Furcht und Vermeidung
Dr. Andre Pittig | Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, TU Dresden | Germany
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Autor:
Dr. Andre Pittig | Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, TU Dresden | Germany
Vermeidungsverhalten führt kurzfristig zu einer Angstreduktion, hindert Betroffene aber gleichzeitig daran, konkurrierende positive Ziele zu erreichen. Angesichts dieser Präferenz für kurzfristige Erleichterung auf Kosten anderer Belohnungen sind Entscheidungskonflikte für das Verständnis pathologischer Angst essentiell, wurden bisher jedoch wenig experimentell beforscht. Diese Studie untersucht daher die Effekte konkurrierender Belohnungen und Entscheidungsfreiheit auf das Er- und Verlernen von Angst und Vermeidung. 105 gesunde Probanden (35/Gruppe) mit unterschiedlichem Ausmaß an Ängstlichkeit durchliefen eine Konfliktaufgabe, welche das Vorhandensein von Entscheidungsfreiheit und konkurrierenden positiven Anreizen für die Annäherung an einen Angstreiz variierte. In einer Testphase wurden die physiologische und subjektive Angst (Hautleitfähigkeit und subjektive Bewertungen) und Vermeidung und deren graduelle Reduktion überprüft.
Probanden mit Entscheidungsfreiheit zeigten einen signifikanten Erwerb von Vermeidung, welcher durch konkurrierende Anreize drastisch reduziert wurde. Ebenfalls zeigte sich eine schnelle Reduktion von Vermeidung durch positive Anreize, hingegen eine Habitualisierung in deren Abwesenheit. Der Erwerb physiologischer und subjektiver Angst wurde durch das Vorhandensein von Entscheidungsfreiheit und konkurrierenden Belohnungen moduliert.
Die grundlegenden Mechanismen dieser Annäherungs-Vermeidungskonflikten sind zentral für die expositionsbasierte Behandlung von Angststörungen. Das Hervorheben positiver Konsequenzen und Entscheidungsfreiheit könnte die Motivation der Patienten stärken, initiale Vermeidungstendenzen zu überwinden, um eine langfristige Symptomreduktion zu erreichen.
Die Stimme als Marker für sozialen Stress? Effekte einer kognitiven Verhaltenstherapie bei Kindern mit sozialer Angststörung
Dr. Julia Asbrand | Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Institut für Psychologie, Universität Freiburg | Germany
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Autoren:
Dr. Julia Asbrand | Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Institut für Psychologie, Universität Freiburg | Germany
Dr. Martina Krämer
Prof. Dr. Brunna Tuschen-Caffier
Physiologische Überaktivierung bei sozialem Stress gilt als zentrales Symptom der sozialen Angststörung (SAS). Neben peripherphysiologischen Maßen (z.B. Herzrate) gilt die Sprachfrequenz als Parameter, anhand dessen körperliche Aktivierung in einer sozialen Stresssituation erfasst werden kann. Ob die Sprachfrequenz allerdings bei Kindern mit der Diagnose einer SAS ein Marker für körperliche Stressreaktionen in sozialen Situationen darstellt, ist bisher nicht erforscht. Auch ist unklar, ob sich etwaige in der Stimme messbare Stresseffekte durch eine Intervention verändern. Ziel der Studie ist daher die Analyse der Sprachgrundfrequenz (f0) vor und nach einer kognitiv-behavioralen Therapie.
Im Rahmen einer von der DFG geförderten Studie in zwei Forschungszentren nahmen 65 Kinder mit der Diagnose einer SAS sowie 55 Kinder ohne Diagnose (9 bis 13 Jahre) am Trier Social Stress Test for Children (TSST-C, Buske-Kirschbaum et al., 1997) teil, bei dem die Kinder vor zwei unbekannten Beobachtern eine Geschichte erzählen. Der TSST-C wurde nach einer 12wöchigen kognitiven-behavioralen Gruppentherapie in einer Experimentalgruppe (n=24) bzw. einer Wartezeit (Wartekontrollgruppe, n=22) wiederholt. Neben der Erhebung der subjektiven Angst wurde über Sprachfrequenzanalysen zu der Aufgabe des Erzählens einer Geschichte (Teilaufgabe im TSST-C) die stimmliche Erregung gemessen.
Die state Angst lag bei Kindern mit SAS vor der Therapie deutlich über der Angst gesunder Kontrollkinder. Nach der Therapie zeigte sich keine signifikante Verringerung der state Angst in der Behandlungsgruppe im Vergleich zur Wartekontrollgruppe. Analysen zur f0 stehen noch aus und werden unter Beachtung des starken sozialen Stresses während des TSST diskutiert.