Thema:
1.2 Ätiologie: Psychogenese, Kognitive und metakognitive Modelle, Informationsverarbeitung, Genetik, Neurobiologie, bildgebende Verfahren
Leitung:
Junior-Prof. Dr. Andrea Hartmann Firnkorn (Universität Osnabrück)
Prof. Dr. Silja Vocks (Universität Osnabrück)
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
In diesem Symposium sollen fünf experimentelle Studien präsentiert werden, in denen unterschiedliche Populationen hinsichtlich Komponenten einer verzerrten Informationsverarbeitung und assoziierten emotionalen, kognitiven, neuronalen/physiologischen und behavioralen Auffälligkeiten mittels unterschiedlicher Methoden untersucht werden. In Studie 1 (Schmidt & Martin) an nicht-klinischen Probanden mit und ohne Hauterkrankungen die subjektive und physiologische Cue-Reaktivität auf visuelle und taktile Reize bezüglich Hauntunreinheiten untersucht. In Studie 2 (Möllmann et al.) erfolgt an Patienten mit Körperdysmorpher Störung während der Betrachtung des eigenen und eines fremden Gesichtes im Spiegel eine Erfassung von Dissoziation, Unsicherheit bezüglich der eigenen Wahrnehmung, subjektiver Attraktivität sowie der Akkuratheit der Detektion von Veränderungen. In Studie 3 (Voges et al.) werden an Frauen mit hohen Figursorgen die neuronalen Korrelate der Aufmerksamkeitslenkung bezüglich des eigenen und eines fremden Körpers mittels Steady-State Visuell Evozierter Potentiale im zeitlichen Verlauf erfasst. Studie 4 (Hartmann et al.) widmet sich der Induktion eines essstörungsspezifischen Bias und untersucht dessen Einfluss auf State-Körperbild, State-Selbstwert und Stressreaktivität in einem sozialen Stresstest. In Studie 5 (Krohmer et al.) werden mittels Eye-Tracking die Effekte eines vier Sitzungen umfassenden Aufmerksamkeitstrainings auf die Aufmerksamkeitslenkung sowie die Körperzufriedenheit an Frauen mit Binge Eating Störung untersucht. Das Symposium schließt mit einer transdiagnostischen Integration und Diskussion der resultierenden therapeutischen Implikationen.
Subjektive und psychophysiologische Cue-Reaktivität auf Skin Picking-bezogene Reize
Dipl.-Psych. Jennifer Schmidt | Bergische Universität Wuppertal | Germany
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Autoren:
Dipl.-Psych. Jennifer Schmidt | Bergische Universität Wuppertal | Germany
Prof. Dr. Alexandra Martin | Bergische Universität Wuppertal | Germany
Dermatillomanie oder „Pathologisches Skin Picking“ ging 2013 als eigenständige Diagnose in das DSM-5 ein. Während Beschreibungen zur Phänomenologie dieser Störung auf eine Induktion von Skin Picking-Verhalten durch hautbezogene Hinweisreize deuten, gibt es hierzu bislang kaum experimentelle Forschung.
Erwachsene mit und ohne Hauterkrankungen (n = 50; 72% w) wurden in einer Laborstudie mit visuellen und taktilen Reizen konfrontiert, welche gesunde Haut oder diverse Hautunebenheiten (z.B. Pickel, Krusten) darstellten. Dabei erfassten wir den evozierten subjektiven Drang, die Reize zu manipulieren („knibbeln“) sowie die psychophysiologische Reaktivität in Herzfrequenz und elektrodermalen Reaktionen. Zusammenhänge evozierter Cue-Reaktivität mit habituellen Skin Picking-Tendenzen wurden untersucht.
Unebenheiten erzeugten im Vergleich zu ebener Haut einen größeren Drang zu Knibbeln (p<.001). Es bestanden keine Unterschiede in der psychophysiologischen Reaktivität. Taktile Reize führten zu einem größeren Drang zu Knibbeln, stärkeren Hautleitfähigkeitsreaktionen und einer niedrigeren Herzfrequenz als visuelle Stimuli (ps<.044). Habituelle Skin Picking-Tendenzen zeigten signifikante Zusammenhänge mit dem Drang zu Knibbeln nach Darbietung visueller (r=.54, p<.001), nicht jedoch taktiler Reize. Vorhandene Hauterkrankungen hatten keinen Einfluss auf die Cue-Reaktivität.
Die Befunde zeigen, dass Konfrontationen mit Hautunebenheiten einen erhöhten Drang zu Skin Picking-Verhalten auslösen. Die Ergebnisse zur besonderen Sensitivität von Personen mit Skin Picking-Tendenzen für visuelle Hinweisreize zeigen zudem die Bedeutung von Cue-Reaktivität für das Störungsbild und deuten auf das Potenzial assoziierter Behandlungsmethoden.
Mirror gazing - Einfluss auf Dissoziation, Unsicherheit und Attraktivitätseinschätzung
Anne Möllmann | Westfälische Wilhelms-Universität
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Autoren:
Anne Möllmann | Westfälische Wilhelms-Universität
Daniel Ruholl | Westfälische-Wilhelms-Universität Münster
Prof. Dr. Antje Hunger | Hochschule Düsseldorf
Prof. Dr. Ulrike Buhlmann | Westfälische Wilhelms-Universität
Die Körperdysmorphe Störung (KDS) ist gekennzeichnet durch eine übermäßige Beschäftigung mit mind. einem wahrgenommenen Makel in der äußeren Erscheinung, der für andere nicht oder nur leicht sichtbar ist. Repetitive Verhaltensweisen stellen ein Hauptmerkmal der KDS sowie der Zwangs- und verwandten Störungen im Allgemeinen dar. Das anhaltende Betrachten und Prüfen des Aussehens vor dem Spiegel (mirror gazing) gehört zu den häufigsten Verhaltensweisen und wird von bis zu 84% der Betroffenen durchgeführt. Die aufrechterhaltenden Faktoren der Rituale sind größtenteils unbekannt. Die Befunde zur Einschätzung der Attraktivität und zur Detektion von Veränderungen im Aussehen sind bei Körperbildstörungen heterogen: Beeinflussende Faktoren scheinen die Dauer des Betrachtens, die Zufriedenheit mit dem eigenen Aussehen und die Beurteilung des eigenen Aussehens vs. Aussehens einer anderen Person zu sein. In einer Studie konnten wir bereits zeigen, dass das 10minütige anhaltende Betrachten eines fremden Gesichts, als KDS-relevanter Stimulus, zu einem Anstieg von Dissoziation und Unsicherheit bezüglich der eigenen Wahrnehmung führt. Ebenfalls wird das fremde Gesicht nach dem Betrachten weniger attraktiv beurteilt als vorher. In der aktuellen Studie wird überprüft, wie schnell die gefundenen Veränderungen bezüglich Dissoziation, Unsicherheit und Attraktivitätseinschätzung einsetzen und ob sich die Veränderungen abhängig davon zeigen, ob das eigene oder ein fremdes Gesicht angeschaut wird. Auch wird untersucht, wie akkurat Veränderungen in den Gesichtern nach dem Betrachten detektiert werden können. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der Befunde zu Spiegelritualen bei der KDS sowie anderen körperassoziierten Störungen diskutiert.
Zeitlicher Verlauf der Aufmerksamkeitslenkung auf den eigenen Körper bei Frauen mit erhöhten Figursorgen: Erfassung der neuronalen Korrelate visueller Verarbeitungsressourcen anhand Steady-State Visuell Evozierter Potentiale (SSVEP)
Mona Voges | Universität Osnabrück
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Autoren:
Mona Voges | Universität Osnabrück
Dr. Claire Giabbiconi | Universität Osnabrück
Prof. Dr. Thomas Gruber | Universität Osnabrück
Ph.D. Soren K. Andersen | University of Aberdeen | United Kingdom
Junior-Prof. Dr. Andrea S. Hartmann | Universität Osnabrück
Prof. Dr. Silja Vocks | Universität Osnabrück
Bei Frauen mit erhöhten Figursorgen stellt der eigene Körper einen negativ valenzierten Stimulus dar, sodass dieser einerseits mit einer andauernd erhöhten Aufmerksamkeit, andererseits aber auch mit einer schnellen und kurzen Aufmerksamkeitszuwendung und nachfolgender Abwendung (Hypervigilanz-Vermeidungs-Muster) verarbeitet werden könnte. Um neuronale Korrelate solcher Aufmerksamkeitsmuster zu überprüfen, wurde das Ausmaß und der zeitliche Verlauf des Ressourcenwettbewerbs zwischen einer Vordergrundaufgabe und der gleichzeitigen Darbietung aufgabenirrelevanter Körperstimuli mittels Steady-State Visuell Evozierter Potentiale (SSVEP) untersucht. Den normalgewichtigen n=20 Frauen mit hohen und n=24 Frauen mit niedrigen Figursorgen wurden sich zufällig bewegende Punkte, die mit einer Frequenz von 7,5 Hz flickerten, dargeboten. Gleichzeitig wurden im Hintergrund Bilder des Körpers der Versuchsperson und des Körpers einer fremden Frau präsentiert. Die Probandinnen wurden instruiert, einheitliche Bewegungen der Punkte zu detektieren. Anhand der SSVEP-Amplitude zeigte sich, dass bei allen Frauen visuelle Verarbeitungsressourcen für die Vordergrundaufgabe aufgrund der Körperstimuli abgezogen wurden. Bei Frauen mit hohen Figursorgen führten die Bilder des eigenen Körpers zu einer signifikant stärkeren Amplitudenreduktion als die der fremden Frau, was bei Frauen mit niedrigen Figursorgen nicht der Fall war. Es war keine darauffolgende Erhöhung der Amplitude zu beobachten, was gegen ein Hypervigilanz-Vermeidungs-Muster spricht. Frauen mit hohen Figursorgen differenzieren also bereits in der frühen und unbewussten visuellen Körperverarbeitung zwischen Selbst und Fremd und zeigen eine anhaltende Hypervigilanz für den eigenen Körper.
Effekte der Induktion eines Essstörungsinterpretationsbias auf Körperbild, Emotionen, Selbstwert und Stresserleben bei gesunden Frauen
Junior-Prof. Dr. Andrea S. Hartmann | Universität Osnabrück
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Autoren:
Junior-Prof. Dr. Andrea S. Hartmann | Universität Osnabrück
Fanny Dietel | Westfälische-Wilhelms-Universität Münster
B.Sc. Vanessa Kahle | Universität Osnabrück
B.Sc. Matthias Berg | Universität Osnabrück
Unterschiedliche Studien lassen auf einen negativen Interpretationsbias hinsichtlich ambiguer figurbezogener Situationsbeschreibungen bei Frauen mit (sub)klinischer Essstörungssymptomatik schließen. Um dessen ätiologische Bedeutsamkeit zu klären, soll die kurzfristige Induzierbarkeit des Interpretationsbias und die damit einhergehenden Veränderungen des Befindens untersucht werden.
Bei drei gesunden Gruppen (positiv, negativ, neutral; geplant: je 35 Teilnehmerinnen) werden mittels einer modifizierten Version des Wort-Satz-Assoziationsparadigmas (WSAP; Beard & Amir, 2009) eine Biasinduktion durch entscheidungskontingente Rückmeldungen durchgeführt. Vor und nach der Induktion werden der Bias, das Körperbild, der körperbildassoziierte Selbstwert und negative Emotionen gemessen. Zudem wird die Stressreaktivität anhängig von der Induktion untersucht.
Die Akzeptanz für positive Interpretationen stieg in allen Gruppen an (p < .001), während sich eine Abnahme der Akzeptanz negativer Interpretationen nur bei der positiv induzierten (p < .001) und neutralen Gruppe (p = .031) zeigte. Das State-Körperbild verschlechterte sich nach der negativen Induktion (p = .041). Körperbildassozierter Selbstwert und negative Emotionen werden noch ausgewertet.
Es zeigen sich kurzfristigen Auswirkungen einer Biasinduktion auf die Körperzufriedenheit der Betroffenen. Weitere Auswertungen werden über Auswirkungen auf den körperbildassoziierten Selbstwert sowie die Stresstoleranz infolge eines attraktivitätsbezogenen sozialen Stressors Aufschluss geben. Solche Hinweise unterstreichen die potenzielle ätiologische Bedeutsamkeit und empfehlen die Entwicklung eines Trainings zur Reduktion des Bias und assoziierter Symptomatik.
Körperunzufriedenheit bei Frauen mit Binge-Eating-Störung: Der Einfluss von Spiegel-exposition auf die selektive Aufmerksamkeit bei der Betrachtung des eigenen Körpers
Kerstin Krohmer | Universität Tübingen
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Autoren:
Kerstin Krohmer | Universität Tübingen
Prof. Dr. Brunna Tuschen-Caffier | Universität Freiburg
Prof. Dr. Jennifer Svaldi | Universität Tübingen
Körperunzufriedenheit (KUZ) spielt bei der Binge-Eating-Störung (BES) eine bedeutende Rolle. Studien zeigen, dass die selektive Aufmerksamkeitslenkung auf subjektiv hässliche Körperzonen die KUZ verstärkt und aufrechterhält. Offen bleibt bislang, ob diese Aufmerksamkeitsprozesse veränderbar sind und ob dies mit einer Reduktion der KUZ einhergeht. Ziel der aktuellen Studie war es daher, den Einfluss eines geleiteten Spiegelexpositionstrainings auf die Aufmerksamkeitslenkung und die KUZ zu untersuchen. Frauen mit BES wurden einer Trainings- oder einer Wartekontrollgruppe zufällig zugeteilt. Die Teilnehmerinnen betrachteten vor und nach 4 Sitzungen eines Spiegelexpositionstrainings bzw. 4 Wochen Wartezeit in mehreren Durchgängen den eigenen Körper aus unterschiedlichen Perspektiven. Mittels Blickbewegungsmessung anhand eines Eyetrackers wurden die Dauer und Häufigkeit der Fixationen auf die subjektiv schönste und hässlichste Körperzone erfasst. Außerdem wurde zu beiden Zeitpunkten die KUZ mittels Fragebogen erfasst. Beide Gruppen unterschieden sich zum ersten Zeitpunkt nicht hinsichtlich der KUZ und der Aufmerksamkeitslenkung auf schönste und hässlichste Körperzone. Vorläufige Analysen für den zweiten Zeitpunkt weisen darauf hin, dass die Fixationsdauer/-häufigkeit auf die hässlichen Körperzonen sowie die selbstberichtete KUZ in der Trainingsgruppe reduziert war. Die vorläufigen Befunde stützen die Annahme, dass selektive Aufmerksamkeitsprozesse an der Aufrechterhaltung der Körperbildstörung beteiligt sind und unterstützen die Anwendung von geleitetem Spiegelexpositionstraining als wirksame Methode zur Reduktion von KUZ bei Frauen mit BES.