Thema:
2.1 Therapie psychischer Störungen im Erwachsenenalter
Leitung:
Prof. Dr. Anja Hilbert
Prof. Dr. Petra Warschburger
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Die Binge-Eating-Störung (BED), die häufigste Essstörung, geht mit signifikanter Psychopathologie, Übergewicht und Adipositas einher. Eine zunehmende Anzahl an Behandlungsstudien zeigt, dass die BED insbesondere durch Psychotherapie wirksam behandelt werden kann. Ziel des Symposiums ist es, einen Überblick über den Forschungsstand zur Behandlung der BED und Adipositas zu geben. Anja Hilbert (Leipzig) stellt eine aktuelle Meta-analyse zur psychologischen und medizinischen Behandlung der BED vor, die die Grundlage für die Revision der S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Essstörungen bildet. Weiterentwicklungen therapeutischer Ansätze beruhen auf neuem Störungswissen zu zugrundeliegenden kognitiv-emotionalen Störungen, die die Symptomatik aufrechterhalten können. So zeigen Betroffene mit BED und Adipositas Defizite in Exekutivfunktionen, wie Einschränkungen im Arbeitsgedächtnis, und eine erhöhte Annäherungstendenz in Bezug auf Nahrungsreize. Fania Dassen (Maastricht) berichtet über eine randomisiert-kontrollierte Studie, die die Wirksamkeit eines spielbasierten Trainings zum Arbeitsgedächtnis versus Sham-Training als Komponenten eines Gewichtsreduktionsprogramms untersucht. Petra Warschburger (Potsdam) präsentiert eine randomisiert-kontrollierte Studie zur Approach Bias Modification hinsichtlich von Nahrungsreizen bei Jugendlichen mit Adipositas im Rahmen einer stationären Gewichtsreduktionstherapie. Obwohl die Nahrungskonfrontationsbehandlung bereits vor Jahrzehnten konzeptualisiert wurde, steht ein Wirksamkeitsnachweis für die BED noch aus. Katrin Schag (Tübingen) stellt erste Daten einer randomisiert-kontrollierten Wirksamkeitsüberprüfung dieses Ansatzes vor.
Psychologische und medizinische Behandlungen für die Binge-Eating-Störung: Eine Meta-Analyse (MetaBED)
Prof. Dr. Anja Hilbert
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Autoren:
Prof. Dr. Anja Hilbert
David Petroff
Prof. Dr. Stephan Herpertz
Prof. Dr. Reinhard Pietrowsky
Prof. Dr. Brunna Tuschen-Caffier
Prof. Dr. Silja Vocks
Ricarda Schmidt
Eine zunehmende Anzahl an Studien dokumentiert die Wirksamkeit verschiedener Behandlungen für die Binge-Eating-Störung (BED). Ziel dieser Meta-Analyse ist es, eine frühere Meta-Analyse (Publikationen bis 2006) zur Wirksamkeit psychologischer und medizinischer Behandlungen für die BED zu aktualisieren und zu erweitern.
Basierend auf einer systematischen Suche (bis 2016) wurden 101 randomisiert-kontrollierte, nicht-randomisierte und unkontrollierte Behandlungsstudien zur BED identifiziert. Die Auswertungen umfassten eine Bestimmung von Effektstärken, Odds Ratios, absoluten und relativen Werten in Random- und Fixed-Effect-Modellen.
In den randomisiert-kontrollierten Studien zeigte Psychotherapie, insbesondere die Kognitive Verhaltenstherapie, im Vergleich zu nicht-aktiven Kontrollgruppen große Effekte in Bezug auf die Reduktion von Essanfällen, während strukturierte Selbsthilfe, Pharmakotherapie und Kombinationsbehandlungen kleine Effekte zeigten. Wurden nicht-randomisierte und unkontrollierte Studien hinzugezogen, so zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Reduktion der Essanfälle im Prä-Post-Vergleich zwischen diesen Behandlungsformen einschließlich konservativer Gewichtsreduktionstherapie. Allein die konservative Gewichtsreduktionstherapie bewirkte einen substantiellen Gewichtsverlust. Weitere Analysen zum langfristigen Follow-up, zu Moderatoren und zur Studienqualität werden vorgestellt.
Die vorliegende Meta-Analyse bildet die Grundlage für die Überarbeitung der evidenzbasierten S3-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung der Essstörungen im Bereich der BED. Darin sollte Psychotherapie, insbesondere die Kognitive Verhaltenstherapie, als Behandlung der ersten Wahl für die BED empfohlen werden.
Cognitive control and eating behavior: applying a gamified working memory training to the domain of weight loss
Fania Dassen
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Autoren:
Fania Dassen
Katrijn Houben
Gerard Van Breukelen
Anita Jansen
Working Memory (WM) plays a crucial role in successful self-regulation of behavior. Improving WM might therefore be a promising strategy to support weight loss. In the present study, overweight individuals with a desire to lose weight received an online lifestyle intervention, in conjunction with either a WM-training (experimental group: n = 51) or a sham-training (control: n = 40). Participants had to perform 25 online WM or sham-sessions, presented in an online serious game. Primary outcomes were food intake at posttest and Body Mass Index (BMI). Secondary outcomes were executive functioning, self-control, eating style, eating psychopathology and healthy eating. Data were analyzed with mixed regression analyses with group as between-subjects factor and time as within-subjects factor (baseline, posttest, FU1: one month and FU: six months). Preliminary results show that the experimental group increased their WM- span, and gains were retained at FU1, though lost at FU2. No transfer effects of WM-training to other WM-measures were found. At the bogus taste test at posttest, participants in the experimental group consumed significantly less than participants in the control group. Both groups showed a better eating style, reduced eating psychopathology, reported more self-control, a healthier eating pattern and showed a small reduction in BMI. In conclusion, it seems the added value of WM-training for weight loss is at best only small. Future studies should explore the added value of booster sessions and study weight loss over a prolonged period of time. However, current results provide some evidence that WM-training training can improve eating behavior at the short term.
Approach-Avoidance-Training im Rahmen der stationären Adipositasbehandlung bei Kindern und Jugendlichen
Prof. Dr. Petra Warschburger
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Autoren:
Prof. Dr. Petra Warschburger
Michaela Gmeiner
Marisa Morawietz
Hintergrund: Die Bedeutung kognitiver Mechanismen wird im Rahmen der Adipositas zunehmend diskutiert. Eine vielversprechende Strategie zur Veränderung automatischer Handlungstendenzen ist das Approach-Avoidance-Training (AAT). Zur Wirksamkeit dieses Ansatzes bei Kindern und Jugendlichen in der Adipositasbehandlung ist bisher wenig bekannt. Aus diesem Grund wird im Kontext einer DRV-geförderten randomisiert kontrollierten multizentrischen Studie die Wirksamkeit eines AATs für Kinder und Jugendliche untersucht.
Methode: Im Rahmen der stationären Rehabilitation nahmen 232 adipöse Kinder und Jugendliche an einem AAT oder Placebotraining teil. Neben computerbasiert erhobenen kognitiven Variablen wurden weitere kognitive, essensbezogene sowie psychosoziale Parameter erfasst. Die Kinder und Jugendlichen wurden durch medizinisches Personal gewogen und gemessen. Die 6-Monats-Katamnese wurde abgeschlossen, die Daten des Ein-Jahres-Follow-Up werden im März abgeschlossen.
Erste Ergebnisse: In der stationären Adipositasbehandlung erzielten 69.4% der Kinder und Jugendlichen eine erfolgreiche Gewichtsreduktion (Δ BMI-SDS ≤ -0.2). Erste Analysen deuten auf eine Trainierbarkeit des Approach-Bias durch das AAT hin. Es sollen die Daten der Katamnese im Vergleich von Trainings- und Placebo-Gruppe im Hinblick auf langfristigen Gewichtsverlauf, Veränderung der Lebensqualität und Essverhalten dargestellt werden.
Diskussion: Die Umsetzung eines AATs in der Adipositasbehandlung könnte ein vielversprechendes Verfahren zur Veränderung ungesunden Ernährungsverhaltens über kognitive Mechanismen sein.
Prozessuntersuchungen bei IMPULS: Impulsivitätsbezogene Verhaltensmodifikation zur Reduktion von Essanfällen bei Patienten mit Binge-Eating-Störung
Dr. Kathrin Schag
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Autoren:
Dr. Kathrin Schag
Elisabeth Leehr
Eva-Maria Skoda
Peter Martus
Wolfgang Bethge
Sandra Becker
Stephan Zipfel
Katrin Giel
Hintergrund
Impulsivität stellt einen Risikofaktor für Personen mit Binge-Eating-Störung (BES) dar. Daher wurde ein verhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm für Patienten mit BES entwickelt, das speziell impulsives Essverhalten adressiert (IMPULS-Programm, Schag et al., 2016). Die Hauptinterventionen sind Nahrungskonfrontation mit Reaktionsverhinderung und die Stärkung von Selbstkontrollstrategien.
Methoden
In der aktuell laufenden randomisiert-kontrollierten IMPULS-Studie (Schag et al., 2015) sollen 78 Patienten erfasst werden, 39 nehmen an dem IMPULS-Programm teil und 39 erhalten keine Intervention. Neben Eyetracking-, NIRS- und Fragebogenuntersuchungen führen wir innerhalb des Behandlungszeitraums von 8 Wochen Prozessuntersuchungen durch. Dabei wird in beiden Gruppen die wöchentliche Anzahl an Essanfällen und anderen impulsiven Verhaltensweisen sowie eingesetzte Kontrollstrategien über einen Online-Fragebogen erfasst.
Erste Ergebnisse
Die IMPULS-Studie ist im Zentralen Register für Klinische Studien registriert (DRKS00007689). Aktuell wurden 64 Probanden randomisiert und 6 IMPULS-Gruppen durchgeführt. In dem Vortrag werden die Verlaufsdaten der Prozessuntersuchungen unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit vorgestellt. Dabei wird untersucht, ob sich Muster in der Entwicklung der Essanfälle und impulsiven Verhaltensweisen erkennen lassen.
Diskussion
Wir haben positive Erfahrungen bezüglich des Bedarfs, der Machbarkeit und Zufriedenheit mit dem IMPULS-Programm gemacht. Die Prozessuntersuchungen können Aufschluss geben, ob es zu einer Reduktion der Impulsivität kommt, ob Symptomverlagerungen entstehen und welche Kontrollstrategien für die Patienten hilfreich sind.