Thema:
1.4 Komorbidität und (Langzeit-)Verläufe, Transdiagnostische Ansätze
Leitung:
Prof. Dr. Henning Schöttke (Universität Osnabrück, Institut für Psychologie)
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Die Vorträge dieses Symposium befassen sich in erster Linie nicht mit den erfolgreichen und wirksamen Seiten der Psychotherapie in naturalistischen Settings, sondern versuchen die bisher wenig untersuchte „dark side“ der Psychotherapie in den Fokus der Forschung zu bringen. Neben den vielfältigen Studien, die die Wirksamkeit unterschiedlichen psychologischer Interventionen bei psychischen Störungen belegen, ist die empirische Forschung zu den unerwünschten Nebenwirkungen, zu den Therapieabbrüchen oder Bedingungen und Möglichkeiten Verbesserung ungünstiger Therapieverläufe und –ausgänge eher selten. Mit den vorliegenden Studien werden die Therapien von mehr als 2.300 Patienten untersucht. Arndt et al. untersuchen die Abbrüche und frühen Verschlechterungen in der Internettherapie. Die Quantifizierung von unerwünschten, negativen Nebenwirkungen psychotherapeutischer Interventionen und über die Ergebnisse möglicher unerwünschter, aber positiver Nebenwirkungen wird Hoyer et al. berichten. Inwiefern ungünstige Therapieverläufe durch modifizierte Expositionsbehandlung verbessert werden kann, ist Inhalt des Vortrages von Noack und Lorenz. Lutz et al. berichten über einen auf dem Einzelfall und dem Therapieverlauf basierenden Problemlösealgorithmus zur Verhinderung ungünstiger Therapieverläufe. Schöttke berichten über die Effektivität der Korrektur intialer Verschlechterungen des Wohlbefindens durch Verlaufsfeedback und deren Generalisierung auf die Symptomreduktion zum Ende der Therapie.
Positive und negative Verläufe, Adhärenz und Abbrüche in Internet Therapien – alles nur ein Muster?
Alice Arndt | Universität Trier, FB I – Psychologie - Klinische Psychologie und Psychotherapie
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Autoren:
Alice Arndt | Universität Trier, FB I – Psychologie - Klinische Psychologie und Psychotherapie
Prof. Dr. Wolfgang Lutz | Universität Trier, FB I – Psychologie - Klinische Psychologie und Psychotherapie
Dr. Julian Rubel | Universität Trier, FB I – Psychologie - Klinische Psychologie und Psychotherapie
Die Nützlichkeit von Internet Interventionen bleibt umstritten: So gibt es Patienten, die sich während der Internet Interventionen nicht verbessern oder sich wenig adhärent zeigen und abbrechen. Es konnten bisher nur wenig verlässliche Prädiktoren für den Behandlungserfolg mit Internet Interventionen identifiziert werden. In dieser Studie wurden frühe und späte Veränderungsmuster in Zusammenhang mit Behandlungsergebnis, Adhärenz und Abbruch untersucht. Zur Identifikation früher Veränderungsmuster bei den Teilnehmern einer Internet Intervention wurde ein piecewise growth mixture model (PGMM) verwendet. Mittels Regression wurde der Zusammenhang früher Veränderungsmuster mit Adhärenz und Behandlungsergebnis untersucht. In einem weiteren Schritt wurde ein Modell aufgestellt (Muthen, 2011), das sowohl Veränderungsmuster als auch Abbruchwahrscheinlichkeiten berücksichtigt, um latente Klassen unter den Teilnehmern zu identifizieren. Verschiedene frühe Veränderungsmuster wurden identifiziert. Das Risiko für frühe Verschlechterung stieg mit geringer physischer Gesundheit. Durch die Hinzunahme früher Veränderung als Prädiktor, konnten Behandlungsergebnis und Adhärenz besser erklärt werden. Außerdem zeigte sich, dass bestimmte Veränderungsmuster mit einem hohen Abbruchsrisiko einhergehen. Veränderungsmuster können nützlich sein, um Adhärenz und Behandlungsergebnis vorherzusagen sowie Abbrüche zu verstehen. Wenn Veränderungsmuster berücksichtigt werden, kann dies dazu beitragen, Entscheidungen zur Behandlungsmaßnahmen zu optimieren und negative Entwicklungen zu verhindern.
Wann scheitert Expositionstherapie bei Angststörungen – Analysen in einem spezialisierten Versorgungssetting
Dr. René Noack | Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik
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Autoren:
Dr. René Noack | Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik
Dipl. Psych. Thomas Lorenz | Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik
Expositionstherapie bei Angststörungen erweist sich in klinischen Therapiestudien zwar als hochwirksam, wird in der ambulanten Versorgungspraxis jedoch eher selten adäquat umgesetzt. Der Vortrag zeigt die Effekte einer Exposition fokussierenden, tagesklinischen Kurzzeitbehandlung bei vorherigen Non-Respondern in ambulanter Psychotherapie sowie prädiktive Faktoren für einen weiterhin persistierenden Verlauf. Es werden demografische, psychopathologische und Therapieprozessvariablen berichtet. Die Analysen erfolgen anhand der Behandlungs- und katamnestischen Daten von n=322 Patienten der Angst-Tagesklinik am Uniklinikum Dresden, die zwischen 2009 und 2015 eine 5-wöchige theoriegeleitete Intensivbehandlung durchliefen.
Sind Nebenwirkungen zu vermeiden?
Prof. Dr. Jürgen Hoyer | Technische Universität Dresden, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
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Autoren:
Prof. Dr. Jürgen Hoyer | Technische Universität Dresden, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Dr. Samia Härtling | Technische Universität Dresden, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
M.Sc. Eva Henschke | Technische Universität Dresden, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Tabea Schweden | Technische Universität Dresden, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Gibt es präzise auf einen bestimmten „defekten“ Mechanismus hin ausgerichtete Interventionen, dann lassen sich Nebenwirkungen möglicherweise vermeiden. Dieses ursprünglich medizinische Leitbild sind nur bedingt auf die Verhaltenstherapie zu übertragen: Es ist mit vielfältigen, jedoch nicht nur negativen, Nebeneffekte zu rechnen, die wir in 3 Studien untersucht haben. In Studie 1 wurden 70 konsekutive ambulante Psychotherapiepatienten zur Vermeidung von Erinnerungsverzerrungen während ihrer laufenden Therapie mit dem Inventar zur Erfassung negativer Effekte von Psychotherapie (INEP) befragt. In Studie 2 wurde bei N = 411 Patienten einer Hochschulambulanz untersucht, ob sich Indikatoren für werteorientiertes Leben (gemessen mit dem Valued Living Questionnaire) nach einer Psychotherapie verbessern, und ob dies eine positive Nebenwirkung darstellen könnte. In Studie 3 wurden N = 35 Psychotherapie-Patienten mittels strukturiertem Interview nach positiven, aber nicht direkt intendierten Wirkungen der Psychotherapie befragt. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass von der Untersuchung von Nebenwirkungen ein fruchtbarer Impuls für die Psychotherapieforschung zu erwarten ist. Die positiven und negativen Resultate einer Verhaltenstherapie sollten unter einer multifinalen Perspektive erfasst werden, denn Nebenwirkungen sind nicht sicher zu verhindern.
Einfluss von Verlaufsfeedback auf die Behandlungseffektivität initial ungünstiger Therapieverläufe
Prof. Dr. Henning Schöttke | Universität Osnabrück, Institut für Psychologie, Klinische Psychologie u. Psychotherapie
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Autoren:
Prof. Dr. Henning Schöttke | Universität Osnabrück, Institut für Psychologie, Klinische Psychologie u. Psychotherapie
Dr. Michael Unrath | Universität Osnabrück, Institut für Psychologie, Klinische Psychologie u. Psychotherapie
Dr. Christina Uhlmann | Universität Osnabrück, Institut für Psychologie, Klinische Psychologie u. Psychotherapie
Patientenorientierte Psychotherapieforschung verfolgt das Ziel, die Qualität therapeutischer Versorgung individuell zu verbessern. Dabei hat sich die Vorhersage von negativen Therapieergebnissen und -verläufen durch Therapeuteneinschätzungen als wenig valide herausgestellt. Aus diesem Grund wird diskutiert, ob die formalisierte Rückmeldung an den Therapeuten über Veränderungen der psychischen Belastung im Therapieprozess den Therapieerfolg erhöhen kann. In der klinischen randomisierten Kontrollgruppenstudie (N=257) wird die Wirkung von Verlaufsfeedback bei ambulanten Psychotherapiepatienten untersucht und mit zwei Kontrollbedingungen (Verlaufsmessung ohne Feedback; keine Verlaufsmessung) verglichen. Als gesonderter Effekt der Feedbackbedingung wird die bessere Effektivität dieser Therapiegruppe gegenüber den Patienten der KG erwartet, die am Anfang der Therapie keine Verbesserung oder eine Verschlechterung des Wohlbefindens zeigen. Als Outcomeinstrumente werden der FEP-2, der OQ30 und der ASC eingesetzt. Es werden generelle und differentielle Effekte (initiale Non-Verbesserung) des Feedbacks auf die symptomatische und die generelle Beschwerdeverbesserung und den Verlauf der Besserung überprüft. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund internationaler Befunde und im Hinblick auf die Implementierung ambulanter Monitoringmaßnahmen für Teilpopulationen mit initialer Therapieverschlechterung oder als generalpräventive Maßnahme gegenüber Therapiemisserfolg diskutiert.
Was bedeutet “individually tailored mental health care”? Personalisierte Vorhersagen und adaptives Problemlösen bei ungünstigen Therapieverläufen.
Prof. Dr. Wolfgang Lutz | Universität Trier, FB I – Psychologie - Klinische Psychologie und Psychotherapie
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Autoren:
Prof. Dr. Wolfgang Lutz | Universität Trier, FB I – Psychologie - Klinische Psychologie und Psychotherapie
Dr. Julian Rubel | Universität Trier, FB I – Psychologie - Klinische Psychologie und Psychotherapie
M.Sc. Dirk Zimmermann | Universität Trier, FB I – Psychologie - Klinische Psychologie und Psychotherapie
M.Sc. Brian Schwarz | Universität Trier, FB I – Psychologie - Klinische Psychologie und Psychotherapie
M.Sc. Viola Müller | Universität Trier, FB I – Psychologie - Klinische Psychologie und Psychotherapie
In dieser Studie wird ein computergestütztes Feedback-, Entscheidungs- und Problemlösetool für die klinische Praxis sowie die zugrundeliegenden Forschungskonzepte präsentiert. Der Fokus liegt auf der Entwicklung unterschiedlicher Bestandteile zur Vorhersage und zum Tracking personalisierter Behandlungsempfehlungen insbesondere bei ungünstigen Therapieverläufen. Die Stichprobe bestand aus 1181 Patienten der Psychotherapieambulanz der Universität Trier. Zusätzlich wurden Daten von 58 Patienten auf der Warteliste analysiert, die über einen Zeitraum von zwei Wochen (bei vier Messungen pro Tag) mit Ecological Momentary Assessment (EMA) erhoben wurden. Die Methode der Nearest Neighbors und Netzwerkanalysen wurden eingesetzt, um Vorhersagen für jeden Fall bezüglich der frühen Behandlungsstrategie und der Abbruchwahrscheinlichkeit abzuleiten. Darüber hinaus wurden erweiterte adaptive Modellierungstools entwickelt, um Risikopatienten für einen Behandlungsmisserfolg zu identifizieren und die Verwendung klinischer Problemlösetools anzuzeigen. Die Ergebnisse dieser Studie werden in Bezug auf die Implikationen solcher Tools für die Praxis, die Ausbildung und die zukünftige Forschung diskutiert.