Thema:
1.4 Komorbidität und (Langzeit-)Verläufe, Transdiagnostische Ansätze
Leitung:
Prof. Dr. Silja Vocks (Universität Osnabrück)
Prof. Dr. Tanja Hechler (Universität Triier)
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
In dem Symposium werden Untersuchungen zur familiären Transmission psychopathologischer Symptome präsentiert, deren gemeinsamer Nenner darin liegt, dass sowohl Kinder als auch ihre Eltern fokussiert werden. Die Beiträge unterschieden sich jedoch bezüglich der jeweils definierten Indexperson, der fokussierten psychischen Störung, der eingesetzten Methoden sowie des Entwicklungsstadiums der Kinder. Das Symposium beginnt mit zwei Längsschnittstudien, die bereits während der Schwangerschaft bei den Eltern existente psychopathologische Faktoren untersuchen. So präsentiert Anna-Lena Zietlow (Heidelberg) Befunde zum Einfluss von postpartal vorliegenden Depressionen und Angststörungen der Eltern auf das im Vorschulalter auftretende internalisierende Verhalten ihrer Kinder. Dana Schmidt (Bochum) stellt eine vier Messzeitpunkte einschließende Studie zur Prädiktion der wahrgenommenen Bindung der Mutter zum eigenen Kind durch depressives Grübeln während der Schwangerschaft vor. Maren Frerker (Trier) berichtet die Ergebnisse einer Studie zum Vergleich der kognitiven und verhaltensbezogenen Reaktionen auf kindliche Schmerzen von gesunden Eltern sowie Eltern mit chronischen Schmerzen und mit Angstsymptomen. Anika Bauer (Osnabrück) präsentiert eine Studie zum Zusammenhang zwischen der Defizitorientierung der Aufmerksamkeitsmuster auf den eigenen Körper von Jugendlichen mit Anorexia Nervosa und deren Müttern sowie dem Einfluss von elterlichem Feedback. In Ergänzung zu diesen eher grundlagenorientierten Untersuchungen beinhaltet der Beitrag von Hanna Christiansen (Marburg) einen Überblick über Studien zur Prävention für Kinder psychisch kranker Eltern, gefolgt von der Präsentation von Daten zur Wirksamkeit der „Family Talk Intervention“.
Internalisierendes Verhalten und interaktionelle Responsivität bei Kindern im Vorschulalter von postpartal depressiven und angstgestörten Müttern
Dr. Anna-Lena Zietlow | Universitätsklinikum Heidelberg | Germany
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Autoren:
Dr. Anna-Lena Zietlow | Universitätsklinikum Heidelberg | Germany
Dipl.-Psych. Nora Nonnenmacher | Universitätsklinikum Heidelberg | Germany
Prof. Dr. Corinna Reck | Ludwig-Maximilians-Universität München München | Germany
Ziel dieser Studie war es, kindliches internalisierendes Verhalten (IV) im Vorschulalter auf Symptom- und Verhaltensebene näher zu beleuchten und hierbei auch den Zusammenhang zur mütterlichen Psychopathologie im Verlauf und der mütterlichen Bindungsunsicherheit in einer Stichprobe postpartal depressiver und angsterkrankter Mütter herauszustellen. Die Datenerhebung erfolgte 3-9 Monate postpartal sowie im Vorschulalter (M=4,6 Jahre). N=28 Frauen hatten eine nach DSM-IV diagnostizierte postpartale Depression und/oder Angststörung, n=31 waren gesunde Kontrollen. IV im Vorschulalter wurde auf Symptomebene anhand eines Fragebogens (CBCL/C-TRF) von Müttern, Vätern und zusätzlichen Betreuungspersonen eingeschätzt und auf Verhaltensebene durch die Auswertung einer Freispiel-Interaktion mit der Mutter. Mütterliche Bindungsunsicherheit, wurde als Mediator zwischen der mütterlichen Psychopathologie und IV untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder postpartal depressiver und/oder angsterkrankter Mütter den Einschätzungen von Mutter, Vater und zusätzlicher Betreuungsperson zufolge mehr IV im Vorschulalter aufweisen als Kinder psychisch gesunder Mütter. Die Einschätzung der Mutter wurde dabei allein durch eine aktuelle mütterliche Psychopathologie beeinflusst, jedoch nicht durch ihre Bindungsunsicherheit. Kinder der klinischen Gruppe verhielten sich im Vergleich zu Kindern der gesunden Kontrollstichprobe in der Interaktion mit der Mutter signifikant weniger responsiv. Der Zusammenhang zwischen dieser reduzierten Responisivität und mütterlicher aktueller Psychopathologie wurde durch die Bindungsunsicherheit der Mutter mediiert. Die Ergebnisse werden in Hinblick auf familiäre Transmission psychischer Störungen diskutiert.
Repetitives negatives Denken und Beeinträchtigungen in der Mutter-Kind-Bindung: Eine Längsschnittstudie
Dipl.-Psych. Dana Schmidt | Ruhr-Universität Bochum
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Autoren:
Dipl.-Psych. Dana Schmidt | Ruhr-Universität Bochum
Dr. Sabine Seehagen | University of Waikato | New Zealand
Prof. Dr. Gerrit Hirschfeld | Hochschule Osnabrück | Germany
Prof. Dr. Silja Vocks | Universität Osnabrück | Germany
Prof. Dr. Silvia Schneider | Ruhr-Universität Bochum | Germany
Dr. Tobias Teismann | Ruhr-Universität Bochum | Germany
Theoretische Modelle nahe, dass repetitive negative Denkprozesse eine Ursache für die negativen Auswirkungen mütterlicher Psychopathologie auf die Mutter-Kind-Beziehung sein könnten. Allerdings besteht eine bedeutende Wissenslücke in Bezug auf die Bedeutung des Verlaufs repetitiver negativer Denkprozesse während der Schwangerschaft und unmittelbar nach der Geburt für die Mutter-Kind-Bindung. Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, inwieweit habituelles repetitives negatives Denken und der Verlauf von repetitivem negativem Denken während der Schwangerschaft und nach der Geburt die mütterliche Bindungswahr-nehmung vorhersagt. Die nicht-klinische Stichprobe bestand aus N=184 Frauen. Die Datenerhebung erfolgte zu vier Messzeitpunkten: innerhalb der ersten vier Schwangerschaftsmonate (T1), während der zweiten Schwangerschaftshälfte (T2), 3 bis 6 Wochen nach dem errechneten Entbindungstermin (T3) und 3 bis 4 Monate nach dem errechneten Entbindungstermin (T4). Habituelles repetitives negatives Denken war ein signifikanter Prädiktor für die mütterliche Bindungswahrnehmung in den Bereichen „Verzögerte Bindung“, „Angst im Umgang mit dem Kind“ und „Ablehnung und Ärger“ zu T4. Der Verlauf von repetitivem negativen Denken war ebenfalls prädiktiv für die mütterliche Bindungswahrnehmung in dem Bereich „Verzögerte Bindung“ aus Sicht der Mutter. Diese Ergebnisse zeigen, dass sowohl gleichmäßig anhaltendes repetitives negatives Denken als auch der Anstieg von repetitivem negativem Denken während und nach der Schwangerschaft die Entwicklung der Mutter-Kind-Bindung vorhersagen.
Elterliche Reaktionen auf kindliche Schmerzen im Vergleich: Wie reagieren gesunde, chronisch schmerzkranke und ängstliche Eltern?
Maren Frerker | Universität Trier | Germany
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Autoren:
Maren Frerker | Universität Trier | Germany
B.Sc. Monique Elteste | Universität Trier | Germany
Prof. Dr. Gerrit Hirschfeld | Hochschule Osnabrück | Germany
PD Dr. Meinald Thielsch | Westfälische Wilhelms-Universität Münster | Germany
Prof. Dr. Tanja Hechler | Universität Trier | Germany
Elterliche Reaktionen gegenüber ihren Kindern können sich ungünstig verändern, wenn Eltern psychisch oder körperlich erkranken. Im Bereich von kindlichen Schmerzen wurde nachgewiesen, dass kindliche Schmerzen und Beeinträchtigung durch dysfunktionale elterliche Reaktionen verstärkt werden können. Ziel des Projektes ist der Vergleich von elterlichen Reaktionen auf kindliche Schmerzen (z.B. Schonung, Katastrophisieren) von Eltern mit chronischen Schmerzen, Eltern mit Angstsymptomen und gesunden Eltern. Die beiden klinischen Gruppen (N=je 70) werden aus Spezialkliniken für Erwachsene rekrutiert. Eingeschlossen werden deutschsprachige Eltern mit Schmerz- oder Angstsymptomen, deren 0- bis 21-jährige Kinder im gleichen Haushalt leben. Für den Vergleich mit gesunden Eltern liegen Daten aus einer Erhebung über das Online-Panel PsyWeb von N=105 Eltern vor. Die elternbezogenen Variablen werden durch validierte Fragebögen erfasst. Zusätzlich werden demografische Aspekte sowie kindliche Schmerz- und Angstsymptome erhoben. Erste Ergebnisse zu den Reaktionen chronisch schmerzkranker Eltern (N=55) zeigen positive Zusammenhänge zwischen elterlicher Angst und elterlichem schmerzbezogenen Katastrophisieren, sowie zwischen elterlichem chronischem Schmerz und ablenkenden Reaktionen. In einer gematchten Stichprobe von Eltern mit chronischen Schmerzen (n=20) und gesunden Eltern (n=20) zeigten sich ähnliche elterliche Reaktionen auf kindliche Schmerzen. Die Befunde schaffen die Grundlage für die Gestaltung von elternspezifischen Interventionen mit dem Ziel, über die Modifikation von dysfunktionalen elterlichen Reaktionen die Verstärkung der kindlichen Schmerzen und der schmerzbezogenen Beeinträchtigung zu verhindern.
Hängt ein defizitorientiertes körperbezogenes Aufmerksamkeitsmuster von Jugendlichen mit Anorexia nervosa mit dem Körperbild und figurbezogenem Feedback von Vater und Mutter zusammen?
Dipl.-Psych. Anika Bauer | Universität Osnabrück | Germany
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Autoren:
Dipl.-Psych. Anika Bauer | Universität Osnabrück | Germany
Prof. Dr. Silvia Schneider | Ruhr-Universität Bochum | Germany
Dr. Manuel Waldorf | Universität Osnabrück | Germany
Prof. Thomas Huber | Klinik am Korso | Germany
Dipl.-Psych. Karsten Braks | Klinik an Korso | Germany
Prof. Dr. Silja Vocks | Universität Osnabrück | Germany
Familiale Transmissionsprozesse scheinen zur Entwicklung eines gestörten Körperbildes beizutragen, wobei die elterliche Einflussnahme sowohl über körperbezogenes Feedback als auch über Modelllernen erfolgen kann. Diese angenommenen Transmissionspfade wurden bislang kaum an klinischen Gruppen untersucht, ebenso wie der väterliche Einfluss auf das Körperbild der Tochter. N=44 Mädchen mit Anorexia nervosa (AN) und ihre Mütter sowie n=41 gesunde Mädchen und ihre Mütter betrachteten Fotos des eigenen und eines fremden Körpers, während ihre Blickbewegungen aufgezeichnet wurden. Außerdem beantworteten sie sowie n=28 Väter der Patientinnen und n=31 Väter der gesunden Mädchen Fragebögen zu Körperbild und Essverhalten. Auch wurde körperbezogenes Feedback beider Elternteile erfasst. Es zeigte sich, dass körperbezogene Blickbewegungsmuster von Müttern und Töchtern sowie mütterliches körperbezogenes Feedback und töchterliche körperbezogene Blickbewegungsmuster in der Kontrollgruppe signifikant korrelierten, nicht jedoch in der Patientengruppe. Körperbild- und Essstörungssymptomatik der Töchter waren in beiden Gruppen nicht mit derer der Eltern korreliert, jedoch geben Eltern von Mädchen mit AN signifikant mehr negatives körperbezogenes Feedback als Eltern gesunder Mädchen. Hinweise auf familiale Transmissionsprozesse liegen somit nur für die nicht-klinische Gruppe vor. Die nicht nachweisbaren Zusammenhänge in der AN-Gruppe sind möglicherweise durch elterliche Verhaltensänderungen durch die Erkrankung der Tochter erklärbar.
Transgenerationale Transmission psychischer Störungen
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Autor:
Prof. Dr. Hanna Christiansen | Phillips-Universität Marburg | Germany
Nach internationalen Studien leben weltweit ca. 25% der Kinder und Jugendlichen mit einem psychisch kranken Elternteil zusammen. Diese Kinder sind einem signifikant erhöhten Risiko für Entwicklungsstörungen ausgesetzt, insbesondere eigenen psychischen Störungen, so dass diese intergenerational fortgesetzt werden. Eine Meta-Analyse zur transgenerationalen Transmission psychischer Störungen konnte differentielle Effekte je nach Art der elterlichen Störung nachweisen; eine weitere Meta-Analyse zudem geschlechtsspezifische Transmissionen. Wir konnten 95 Studien zu präventiven Interventionen für Kinder psychisch kranker Eltern identifizieren, die auf 50 unabhängigen Stichproben beruhen. Hinsichtlich der Mutter-Kind-Interaktion als auch der kindlichen Psychopathologie konnten kleine positive Effekte erzielt werden, wobei größere Effekte bei gemeinsamer Mutter-Kind-Adressierung erzielt werden. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde die Family Talk Intervention (FTI) von Beardslee in einer Pilotstudie mit N=77 Kindern überprüft (n=28 FTI, n=9 Wartekontrollgruppe, n=40 gesunde Kontrollgruppe). Nach der Intervention verbesserte sich das Wissen über psychische Störungen in der FTI Gruppe signifikant und elterliche Beurteilungen externalisierender Symptome reduzierten sich. Insgesamt fehlen Studien, die die Spannbreite elterlicher Störungen sowie Komorbiditäten erfassen und deren Effekte auf die Kinder prüfen. Indizierte Programme, die sich an die betroffenen Kinder richten, resultieren in kleinen positiven Effekten. Die Pilotstudie zeigte, dass Familien mit psychischen Erkrankungen eine schwer erreichbare Gruppe sind, die von Hilfen profitiert, wenngleich mit kleinen Effekten.