Thema:
2.2 Psychotherapie, Interventionsverfahren und -methoden: Neuentwicklungen, Wirksamkeit, Kombinationsbehandlungen, Synchrontherapie (bei Komorbidität)
Leitung:
Prof. Dr. Alexander L. Gerlach
Dipl.-Psych. Timo Skodzik
Dr. Fritz Renner
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Empirische Befunde messen mentalen Bildern eine große Bedeutung als ätiologischer Faktor bei verschiedenen psychischen Störungen aber auch als Ansatzpunkt für deren Behandlung bei. Dieses Symposium gibt einen Überblick über aktuelle Studien, die an der Schnittstelle von Grundlagen- und Therapieforschung liegen. Bei verschiedenen Störungsbildern wurde untersucht, welche Rolle mentale Bilder bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Psychopathologie spielen und wie imaginative Techniken die psychotherapeutische Behandlung verbessern können.
Im ersten Teil des Symposiums werden zwei Studien vorgestellt, in denen untersucht wurde, in welchem Bezug mentale Bilder zu anderen, störungsrelevanten kognitiven Prozessen stehen: Zunächst zeigt Angela Bieda auf, inwiefern bildliches Denken zum einen mit Angst und Depressionssymptomen, zum anderen aber auch mit Wohlbefinden und Optimismus assoziiert ist. Im zweiten Vortrag geht Timo Skodzik dann der Frage nach, ob und wenn ja unter welchen Umständen bildliche Vorstellungen zur Entstehung und Aufrechterhaltung von pathologischem Sich-Sorgen beitragen.
Der zweite Teil des Symposiums widmet sich der Frage, welchen therapeutischen Nutzen imaginative Techniken haben: Fritz Renner berichtet zunächst von zwei Studien, die untersuchen, ob positive mentale Bilder zur Verhaltensaktivierung (bei Depressionen) beitragen. Zum Abschluss des Symposiums stellt Anna Kunze dann eine randomisierte klinische Studie zur Wirksamkeit von Imagery Rescripting und Imagery Exposure bei der Behandlung von Alpträumen vor.
Discussant: Prof. Dr. Alexander Gerlach
Organisation: Timo Skodzik (timo.skodzik@uni-muenster.de) & Fritz Renner (fritz.renner@mrc-cbu.cam.ac.uk)
A matter of imagination? Bildliche Vorstellung im Zusammenhang mit Wohlbefinden und Angst- und Depressionssymptomen
Angela Bieda
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Autoren:
Angela Bieda
Dr. Marcella Lydia Woud
Dr Simon Blackwell
Prof. Dr. Jürgen Margraf
Zahlreiche Studien belegen die Zusammenhänge zwischen bildlichem, konkretem Denken und Psychopathologie. So zeigen bspw. Trainings im positivem bildlichen Denken positive Effekte bei dysphorischen und depressiven Probanden.
Unklar ist bisher, ob die generelle Fähigkeit, sich bildlich etwas vorzustellen (Verarbeitungsmodus), die Fähigkeit, sich bildlich emotionale Ereignisse vorzustellen (Verarbeitungsmodus + Valenz), oder die Fähigkeit, sich positiv und lebhaft zukünftige Ereignisse vorzustellen (Verarbeitungsmodus+Valenz+ Zukunft) stärker mit Angst- und Depressionssymptomen, sowie Wohlbefinden assoziiert ist.
In einer gesunden Stichprobe (n=304) wurden u.a. folgende Konstrukte erfasst: Ängstlichkeit (STAI-T), Depressivität (BDI-II), repetitive Denken (PTQ), bildliches Denken (SUIS), emotionales bildliches Denken (E-SUIS), Optimismus (LOT-R), Dankbarkeit (GQ-6) und Fähigkeit, sich künftige Ereignisse bildlich vorzustellen (PIT). Die Analyse erfolgte anhand eines Pfadmodells mit jeweils zwei abhängigen Variablen, die Psychopathologie und Wohlbefinden repräsentieren.
Nur die Fähigkeit sich konkrete zukünftige Ereignisse bildhaft vorzustellen, nicht aber die generelle Fähigkeit, sich (emotionale) Situationen vorzustellen, oder generelles repetitives Denken zeigte sich mit Wohlbefinden sowie Depressions- und Angstsymptomen assoziiert. So geht bspw. die Fähigkeit, sich positive zukünftige Ereignisse vorstellen zu können, mit höheren Optimismus- und Dankbarkeitswerten einher.
Dies weist auf eine protektive Eigenschaft dieser Fähigkeit im Zusammenhang mit Angst- und depressiven Störungen hin. Im Vortrag werden weitere theoretische und klinische Implikationen dieser Befunde diskutiert.
Der Einfluss von bildlichem Denken, kognitiver Vermeidung und experiential avoidance auf pathologisches Sich-Sorgen
Dipl.-Psych. Timo Skodzik
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Autoren:
Dipl.-Psych. Timo Skodzik
Jens Barenbrügge
Prof. Dr. Thomas Ehring
Nach der Kognitiven Vermeidungstheorie des Sich-Sorgens können Sorgen als Vermeidungsverhalten verstanden werden: Intrusive, negative mentale Bilder und damit einhergehende unangenehme emotionale Reaktionen werden kurzfristig durch verbale, abstrakte Sorgengedanken unterdrückt.
Im vorliegenden Forschungsprojekt wurde diese erste Annahme der Kognitiven Vermeidungstheorie in drei aufeinander aufbauenden fragebogengestützten Studien in unabhängigen, nicht-klinischen Stichproben überprüft:
• Führen spontane mentale Bilder zu einer erhöhten Sorgenaktivität und wird dieser Zusammenhang durch den Einsatz kognitiver Vermeidungsstrategien vermittelt (Studie 1: N = 618, querschnittliches Design)?
• Welche Personeneigenschaften moderieren diesen Zusammenhang (Studie 2: N = 615, querschnittliches Design)?
• Sind die genannten Zusammenhänge prädiktiv für spätere Sorgenaktivität unter Stressbedingungen (Studie 3: N = 234, längsschnittliches Design)?
Die Auswertung mittels latenter Pfadanalysen zeigt studienübergreifend ein übereinstimmendes Ergebnismuster und bestätigt die Grundannahme der Kognitiven Vermeidungstheorie: 1) Die Neigung, im Alltag in mentalen Bildern zu denken, ist ein signifikanter Prädiktor für pathologisches Sich-Sorgen; 2) Dieser Zusammenhang wird vermittelt durch den Einsatz kognitiver Vermeidungsstrategien; 3) Dies gilt insbesondere für Personen mit einer erhöhten Neigung, unangenehme emotionale Zustände zu vermeiden (experiential avoidance).
Im Vortrag werden die Implikationen dieser Befunde für das Verständnis von Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung pathologischen Sich-Sorgens diskutiert.
Mental Imagery und Verhaltensaktivierung bei Depressionen
Dr. Fritz Renner
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Autoren:
Dr. Fritz Renner
Prof. Dr. Emily Holmes
Dr Simon Blackwell
Julie Ji
Dr Fionnuala Murphy
Mental imagery (mentale Bilder) könnten eine Rolle bei der Behandlung von Depression spielen (Holmes, Blackwell, Burnett Heyes, Renner, & Raes, 2016). Depression geht oft mit einer Verminderung an potenziell belohnenden Verhaltensweisen und einer erhöhten Rate an Vermeidungsverhalten einher. Die zentrale Idee des vorliegenden Forschungsprojekts ist, dass potenziell belohnende Verhaltensweisen durch mentale Bilder simuliert werden können, was wiederum die Motivation zur Ausübung potenziell belohnender Verhaltensweisen steigern könnte. Diese Idee basiert auf einer Serie von experimentellen Studien an nicht-klinischen Stichproben, die gezeigt haben, dass diverse Verhaltensweisen durch mentale Bilder stimuliert werden können. In diesem Symposium werde ich zwei Studien vorstellen: Die erste Studie an einer nicht-klinischen Stichprobe geht der Frage nach ob die Motivation, spezifische Aktivitäten auszuführen (z.B. Schreibtischschubladen aufräumen) durch mentale Bilder gesteigert werden kann. Die zweite Studie zeigt, dass Verhaltensaktivierung bei Patienten mit Depression durch positive mentale Bilder stimuliert werden kann. Im Rahmen des Vortrags werden die theoretischen und (vorläufigen) klinischen Implikationen dieser Befunde diskutiert.
Wirksamkeit von Imagery Rescripting und Imaginal Exposure bei Alpträumen
Anna Kunze
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Autoren:
Anna Kunze
Arnoud Arntz
Nexhmedin Morina
Merel Kindt
Jaap Lancee
Verhaltenstherapeutische Verfahren sind gegenwärtig die Methode der Wahl zur Behandlung von Alpträumen. Die Imagery Rehearsal-Therapie, bei der die Modifikation des Alptraums durch sogenanntes Imagery Rescripting im Vordergrund steht, ist am weitesten verbreitet. Andere Verfahren, wie die Exposition in Sensu, wurden in der Vergangenheit eher vereinzelt eingesetzt, jedoch scheint auch diese Methode bei der Behandlung von Alpträumen wirksam zu sein. Während die spezifischen Wirkmechanismen der verschiedenen Verfahren bisher noch weitestgehend unbekannt sind, werden Rescripting und Exposition als die wirksamsten und damit wichtigsten Bestandteile der jeweiligen Behandlungsmanuale gehandelt. Für diese Annahme liegt jedoch bislang wenig empirische Evidenz vor. In einer randomisiert-kontrollierten Therapiestudie wurde daher die Wirksamkeit der zwei Behandlungskomponenten (Rescripting und Exposition) untersucht. Patienten, die unter einer Alptraumstörung nach DSM-5 litten (N = 104), wurden zufällig der (a) Imagery Rescripting- (IR), (b) Imaginal Exposure- (IE) oder (c) Wartelisten-Kontrollgruppe zugeteilt. Alptraumfrequenz und Symptombelastung wurden zum Prä-, Post- und Follow-up-Zeitpunkt erhoben. Im Vergleich zur Wartelisten-Kontrollgruppe führten beide Therapieansätze zu einer signifikanten Reduktion der Alptraumfrequenz und der Symptombelastung. Der Behandlungserfolg beider Therapien war auch zum Katamnesezeitpunkt von 6 Monaten noch stabil. Die Ergebnisse der Studie lassen darauf schließen, dass IR und IE zur Symptomreduktion wirksame Bestandteile in der Behandlung von Alpträumen sind. Eine Überlegenheit einer der beiden Behandlungsansätze ließ sich jedoch nicht feststellen.