Thema:
2.1 Therapie psychischer Störungen im Erwachsenenalter
Leitung:
Dr. Michael Odenwald (Universität Konstanz)
Dr. Verena Ertl
Präsentationsart:
Symposium
Dauer:
90 Minuten
Suchtprobleme sowie Angst- und affektive Störungen treten häufig komorbid auf, jedoch fokussiert sich die psychotherapeutische Behandlung zumeist nur auf einen der beiden Bereiche. Während in den letzten Jahren querschnittliche und längsschnittliche Studien diese Komorbidität und die verwobene Ätiologie dieser beiden Bereiche beleuchtet haben, gibt es wenige empirische Erkenntnisse zu den Mechanismen, wie sich Suchtmittelprobleme und komorbide Angst- und affektive Störungen im Rahmen von Psychotherapie gegenseitig beeinflussen. Diese Erkenntnisse sind jedoch Voraussetzungen für die Entwicklung von evidenzbasierten integrierten Therapieverfahren.
In diesem Symposium werden thematisch verbundenen Studien aus Deutschland und Afrika vorgestellt, die anhand verschiedener Gruppen (Psychotherapiepatienten, Alkoholpatienten, Allgemeinbevölkerung) relevante Prozesse (gegenseitigen Beeinflussung, Ätiologie, Aufrechterhaltung) in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen: In der querschnittlichen Perspektive werden Komorbiditätsraten und Mechanismen der Entstehung von Komorbidität untersucht (Abstract 1, 2). In der längsschnittlichen Perspektive werden die Auswirkungen von Suchtmittelkonsum auf die Psychotherapie von Angststörungen und Depressionen betrachtet (3) als auch die Auswirkung von komorbider PTBS und Depression auf Suchttherapie (4). Die generationenübergreifende Betrachtungsweise (1) versucht die Weitergabe von Sucht- und psychischen Problemen in Familien näher zu beleuchten.
Abschließend werden Schlussfolgerungen für ein Paradigmenwechsel hin zu einer extern valideren Psychotherapieforschung diskutiert, z.B. wie mit komorbiden Störungen umgegangen werden kann außer sie auszuschließen.
Traumatisierung, Psychopathologie und Alkoholkonsum im Postkonfliktkontext
Dr. Verena Ertl | Universität Bielefeld | Germany
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Autoren:
Dr. Verena Ertl | Universität Bielefeld | Germany
Melissa Preuße | Universität Bielefeld | Germany
Prof. Dr. Frank Neuner | Universität Bielefeld | Germany
Claudia Catani | Universität Bielefeld | Germany
Einleitung: Studien legen nahe, dass Substanzgebrauch und –missbrauch während und nach kriegerischen Auseinandersetzungen erhöht sind. Substanzkonsumstörungen gelten als Folge und Ursache für erhöhte psychische Belastung und gehen mit gravierenden Einschränkungen im psychosozialen Funktionsniveau der Betroffenen und deren Familien einher. In kriegsbetroffenen Populationen unzureichend untersucht sind Mechanismen des Zusammenspiels von frühkindlicher Misshandlung, Kriegstraumatisierung, Psychopathologie, Konsummustern und deren spezifische Beiträge zu einem gewalttätigen Familienumfeld.
Methoden: Innerhalb einer epidemiologischen Querschnittsstudie untersuchen wir derzeit konfliktbetroffene Männer, Frauen und deren Kinder im Nachkriegskontext Nordugandas (aktuell: n=215 Männer, n=122 Frauen, n=35 Kinder). Standardisierte Screeninginstrumente dokumentieren u.a. (frühkindliche) Traumatisierungen, psychopathologische Symptome, Alkoholkonsummuster und –motive, sowie Gewalt gegen PartnerInnen und Kinder, im Selbst- als auch Fremdbericht.
Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass etwa 40% der durchschnittlich 26-jährigen Männer die DSM5 Kriterien einer Alkoholkonsumstörung erfüllen, bzw. mindestens riskanten Alkoholkonsum (AUDIT) aufweisen. Die hohe Traumabelastung spiegelt sich nur in geringem Maße in der PTBS-Rate wider (13% nach DSM5). Hinweise auf klinisch relevante Depressionssymptome (HSCL) zeigen 24%. Es bestehen signifikante bivariate Zusammenhänge zwischen Traumabelastung und Psychopathologie, sowie diesen Variablen und Alkoholkonsum.
Diskussion: Da es sich um eine laufende Studie handelt, werden weitere Daten und komplexere Analysen im Rahmen des Symposiums präsentiert und deren Implikationen diskutiert werden können.
Risikowahrnehmung und traumatische Erfahrungen in der Kindheit bei alkoholabhängigen Patienten
Sarah Klepper | Universität Konstanz | Germany
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Autoren:
Sarah Klepper | Universität Konstanz | Germany
Dr. Michael Odenwald | Universität Konstanz | Germany
Brigitte Rockstroh | Universität Konstanz | Germany
Einleitung: Voraussetzung für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Gesundheitsverhalten ist die adäquate Wahrnehmung eigener Risiken. Alkoholabhängige Personen (AP) berichten häufig von traumatischen Erfahrungen in der Kindheit. Wir untersuchten, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß erlebter traumatischer Erfahrungen und der Wahrnehmung eigener alkoholbezogener Risiken gibt.
Methode: Wahrgenommene Vulnerabilität für alkoholbezogene Risiken (WV) und traumatischer Erfahrung wurden bei 73 AP in Entzugsbehandlung und 75 Kontrollpersonen (KP) untersucht. Mittels Regressionsanalyse wurde überprüft, ob WV durch traumatische Erfahrungen vorhergesagt werden kann. WV wurde mit dem Fragebogen zur alkoholbezogenen Risikowahrnehmung (FAR) erhoben, traumatische Erfahrungen in der Kindheit mit dem Childhood Trauma Questionnaire (CTQ).
Ergebnisse: AP berichten von mehr traumatischen Erfahrungen als KP (U=1639, p=.001) und schätzen ihre alkoholbezogenen Risiken als höher ein (F=83.01, p<0.001). WV korrelierte positiv mit dem Ausmaß an traumatischen Erfahrungen (r=.30, p<0.001; AP: r=.26, p=.014). WV konnte durch Alter (T=-2.49, p=.015), die konsumierte Alkoholmenge vor Aufenthalt (T=2.35, p=.022) und durch das Ausmaß der Gesamttraumabelastung (T=2.14, p=.036) vorhergesagt werden (F=6.96, R2=.24). Die Subskala emotionaler Missbrauch eignete sich als Prädiktor der WV in einem separaten Modell (R2=.11).
Diskussion: Kindheitserlebnisse korrelieren mit der Wahrnehmung von alkoholbezogenen Risiken; andere Studien zeigen, dass belastende Kindheitserfahrung auch mit geringerer Selbstwirksamkeit korreliert. Der komplexe Zusammenhang von Faktoren, die eine Verhaltensänderung fördern und erschweren, sollte weiter untersucht werden.
Therapieabbruch in der ambulanten Psychotherapie: Der Einfluss von riskantem Alkoholkonsum auf den Therapieverlauf
Anne Schawohl | Universität Konstanz | Germany
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Autoren:
Anne Schawohl | Universität Konstanz | Germany
Dr. Michael Odenwald | Universität Konstanz | Germany
Einleitung: Psychische Erkrankungen und Alkoholkonsum treten häufig gemeinsam auf. Es gibt wenige Erkenntnisse darüber, wie sich riskantes Trinkverhalten auf den Verlauf ambulanter Psychotherapien auswirkt. Diese Studie untersucht, wie sich komorbider Alkoholkonsum (bei Therapiebeginn) auf qualitätsrelevanten Therapieabbruch in einer verhaltenstherapeutischen Hochschulambulanz auswirkt.
Methode: Insgesamt wurden 178 Patienten, die zumindest eine Probatoriksitzung wahrgenommen hatten, in zwei Gruppen unterteilt: (a) Completer (reguläre Beendigung der Psychotherapie) und (b) Dropouts (vorzeitiger Abbruch; während oder nach der Probatorik). Symptombelastung bei Therapiebeginn wurde mittels des Brief Symptom Inventory und Alkoholkonsum mit dem AUDIT erfasst.
Ergebnisse: Von den untersuchten Patienten schlossen 93 (52.25%) die Psychotherapie regulär ab (Completer), 85 (47.75%) brachen vorzeitig ab (Dropouts; davon 56% in Probatorik und 44% danach). Dropouts waren bei Therapiebeginn älter als Completer (M = 35.49 vs. M =29.08, p < .05), hatten häufiger komorbide Diagnosen (54.2% vs. 34.3%, p < .05), wiesen eine höhere Symptombelastung auf (GSI, M = 1.28 vs. 1.01, p < . 05) und konsumierten riskanter Alkohol (M = 10.43 vs. M = 4.70, p < .001). In einer binär logistischen Regressionsanalyse war die Alkoholkonsummenge bei Therapiebeginn alleiniger signifikanter Prädiktor von vorzeitigem Therapieabbruch (b = .10, p < .001). Dieser Zusammenhang fand sich sowohl für Dropouts, die in der Probatorik auftraten als auch in der Zeit danach.
Diskussion: Riskanter Alkoholkonsum ist bei Psychotherapiepatienten mit vorzeitigem Therapieabbruch korreliert. Komorbides riskantes Trinkverhalten sollte in der ambulanten Psychotherapie von Beginn an mehr Beachtung finden.
Der Effekt einer Kurzintervention zur Reduktion von Substanzgebrauch wird durch komorbide psychische Störungen verringert.
Dr. Michael Odenwald | Universität Konstanz | Germany
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Autoren:
Dr. Michael Odenwald | Universität Konstanz | Germany
Marina Widmann | Universität Konstanz | Germany
Bernice Apondi | Africa Mental Health Foundation | Kenya
Abednego Musau | Africa Mental Health Foundation | Kenya
Abdulkadir Hussein Warsame | Tawakal Medical Clinic | Kenya
Maimuna Isse | Tawakal Medical Clinic | Kenya
Victoria Mutiso | Africa Mental Health Foundation | Kenya
Clemens Veltrup | Fachklinik Freudenholm-Ruhleben | Germany
David Ndetei | Africa Mental Health Foundation | Kenya
Einleitung: Bei Flüchtlingen sind Psychopathologie und Substanzgebrauch hoch korreliert. Wir berichten von einem RCT in Ostafrika. Wir testeten die Hypothese, dass die Effektivität einer Kurzintervention (Motivational Interviewing) zur Verringerung von Khatkonsum durch komorbide psychische Probleme verringert wird.
Methoden: 330 männliche Khatkonsumenten wurden randomisiert zur Kurzintervention (2 Sitzungen) oder Kontrollgruppe (Warteliste) zugeteilt. Mit Hilfe des Timeline Follow Back wurde der Khatkonsum erhoben, mit dem PHQ-9 und dem PDS wurde auf PTBS und Depression gescreened. In Regressionsanalysen und mit dem Reliable Change Index wurde untersucht, ob die komorbide Symptomatik die therapiebedingte Veränderung des Suchtmittelkonsums beeinflusst.
Ergebnisse: Vor Beginn der Intervention lagen 51% der Teilnehmer über dem Cut-off für Depression und 22% über dem für PTBS. Die Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich der Komorbiditätsraten. Im Laufe der Beobachtungszeit (3 Monate) ging der Khatkonsum in beiden Gruppen erwartungskonform zurück und die Funktionsfähigkeit verbesserte sich (Zeit * Gruppe p ≤ .046); die komorbiden Probleme verringerten den Rückgang des Suchtmittelkonsums (Haupteffekte p ≤ .035), jedoch nicht gruppenspezifisch (Zeit * Gruppe p > .470). Deutlich mehr Teilnehmer unterhalb des PTSD- und Depressions-Cut-Offs erreichten einen verringerten Khatkonsum (RCI) im Vergleich zu Teilnehmern mit positiven Screening (p = .024).
Diskussion: Komorbide Symptomatik verringert die Wirksamkeit von Motivational Interviewing bei Khatkonsumenten. Effektive Strategien zur integrierten Behandlung der multimorbiden Mehrheit der somalischen Flüchtlinge müssen entwickelt werden.