Unser Zeichen ist der Esel
(... oder die schwere Geburt eines Vereinssymbols)
Als
der 1. Akademische Faschingsclub Chemnitz e.V. Ende 1989 über sein Fortbestehen
nachdachte, wurde auch nach dem Ursprung des bekannten und beliebten Esels im
Vereinssymbol geforscht. Wie war das damals in der Zeit des tiefsten Konservatismus,
in der Fasching zu den politischen Provokationen zählte? Ein geheimer Elferrat
an der TH Karl-Marx-Stadt ließ in aller Heimlichkeit an mindestens acht
Tagen im Jahr eine kleine "rosarote Sau" raus. Da ergab es sich, daß die
Närrinnen und Narren nach einem Symbol verlangten, unter dem sie sich,
ohne Kompromisse eingehen zu müssen, vereinigen konnten. Doch alle Symbole
dieser Welt schienen bereits vergeben: Die Schlange, der Adler, der Hammer,
die Sichel, der Ehrenkranz ... Lange dachten die Stammväter des Mensafaschings
nach, und sie tranken noch länger und noch mehr. Sie dachten und tranken,
bis auch der letzte seinem Rausch erlag. Mit allen vieren klammerten sie sich
an der schnelldrehenden Welt fest, bis einer von ihnen schrie: "Heur-I-A! Ich
hab' es!".
Im Glitzern vorbeirauschender Sternhaufen hatte er ein neues Sternzeichen
entdeckt - den Esel! Dieses Grautier wurde fortan zum Symbol des 1. AFCC erhoben.
Seine heraushängende Zunge kommentierte fortan nicht nur die Ereignisse
im Lande, sondern war auch Ausdruck eines ständigen Durstgefühles.
Nach Wende und EG-Agrarmarkt stand der 1. AFCC vor der schweren Entscheidung, seinen Esel entweder zum Rollbraten abzuwickeln oder ihn von Grund auf zu sanieren. Die einzige Alternative, das Chamäleon mit chronischer
Rotallergie, war schnell vom Tisch. Der Esel blieb. Mindestens sechs Gründe sprachen damals dafür:
Erstens: Der Esel trägt eine zeitgemäße ganz liberale Farbe.
Das Eselsgrau ist eine echte Farbe der Mitte. Da außerdem alle Theorie
grau ist, kann es an einer Uni keine praktischere Farbe geben.
Zweitens: Der Esel ist ein Lastentier. Damit verlangt er geradezu nach Altlast.
Drittens: Der Esel blickt nicht durch. Seine treudoofen Augen verbirgt er hinter
einer Brille zum Nulltarif, was ihm die notwendige Volkszugehörigkeit verleiht.
Viertens: Der Esel ist nicht schlau. Einen Widerspruch zwischen der Eselsdummheit
und dem 1. Akademischen Faschingsclub Chemnitz gibt es nicht, denn bekanntlich
ist Dummheit ein häufiger Sonderfall der Intelligenz.
Fünftens: Der Esel hat ein großes Maul, das ihm beim Schreien unverhofft
zuklappte. Mit heraushängender Zunge steht er in Pose zur stummen Kommentierung
vieler Ereignisse in Chemnitz und an der höheren universitären Leeranstalt.
Über die Farbe des Mundlappens wird im Sinne der Erneuerung nach jeder
Landtagswahl entschieden.
Sextens: Der Esel hat einen langen Schwanz. (Anmerkung: Die nächsten zwei
Sätze sind der Zensur durch das INTERNET zum Opfer gefallen.)
Und darum will der 1. AFCC auf der blühenden Wiese der
sächsisch-frei(staatlich)en Marktwirtschaft statt der lila Milka-Kuh einen
grauen Faschings-Esel sehen, der auf den Ruf an all' seine Narren "Seid Ihr zur
nächsten Fete bereit !?!" in sattem bayerischen Dialekt antwortet: I.A.! -
It's cool man!
© Mario Steinebach, Vereinssprecher des 1. AFCC