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Warum man gut zu seinen Seepferdchen sein sollte

Am 6. März 2014 fand an der TU Chemnitz die 2. Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten statt - etwa 500 Studierende opferten ihren Schlaf für das Schreiben an ihren Seminar- und Abschlussarbeiten

  • Jana Mangels und Svenja Neubauer nutzten die Gelegenheit, an verschiedenen Workshops und Vorträgen teilzunehmen - aber auch das Schreiben an ihren Seminararbeiten kam im Hauptsaal nicht zu kurz. Foto: Micele Ulbricht
  • Während im letzten Jahr um 19 Uhr die Mensa gefüllt war, wurde es dieses Jahr im Laufe der ersten Stunde nach und nach voller. Viele Studierende sind mit Beginn der Workshops erschienen. Foto: Mark Frost
  • So voll und dennoch leise erlebt man den Hauptsaal der Mensa sonst nur selten. Trotzdem wurde mit einem der Ohrstöpselautomaten aus der Universitätsbibliothek vorgesorgt. Foto: Mark Frost
  • Auch für das leibliche Wohl wurde gesorgt. Sowohl Essen als auch Kaffee zum Wachbleiben wurde von den sich teils ehrenamtlich engagierenden Helfern bereitgestellt. Foto: Mark Frost
  • Der Psychoanalytiker Hans-Werner Rückert (2.v.l.) reiste extra aus Berlin an, obwohl dort am gleichen Tag auch eine Lange Nacht stattfand - was die Organisatoren Ulrike Bergmann, Sara Rodefeld und Ingo Gebhardt (v.l.) umso mehr freute. Foto: Mark Frost
  • Zur Erholen und Entkrampfen vom Schreiben wurden über den Abend verteilt verschiedene Sport- und Entspannungskurse angeboten. Unter anderem ein Yogakurs, der speziell auf Verspannungen im Kreuz abzielte. Foto: Mark Frost
  • Die Hippocampi, von denen in jeder Gehirnhemisphäre einer sitzt, sind wichtiger Bestandteil der Überführung von Informationen vom Kurz- ins Langezeitgedächtnis. Richtig funktionieren sie jedoch nur, wenn man sich in gute Laune versetzt - bestenfalls bereits einige Woche vor einer Klausur, und nicht nur Stunden. Bild: Wikipedia/Laszlo Seress, Anthony H. Cole

"Der Mensch ist leider einfach so gemacht", erklärt Alexandra Cook, studentische Hilfskraft der Professur für Klinische Psychologie, im Workshop zum Thema "Zeiträuber Prokrastination" bei der "Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten" am 6. März 2014: "Wir alle schieben oft Dinge vor uns her, aber faul sind wir deswegen noch lange nicht." 80 bis 95 Prozent der Studierenden berichten von gelegentlichem Aufschiebeverhalten; bei etwa 50 Prozent von ihnen ist dies schon als "Problemverhalten" zu bezeichnen. Ein erleichtertes Aufatmen geht durch die große Runde der Teilnehmer: Wer verzweifelt vor seiner Seminararbeit sitzt oder sich einfach nicht dazu ermutigen kann, mit dem Lernen für die Klausur zu beginnen, muss sich also keineswegs allein oder gar schlecht fühlen. "Wir sind tendenziell eher auf der Suche nach unmittelbaren Belohnungen. Wenn wir uns große Ziele setzen, die noch weit in der Zukunft liegen, blenden wir diese oft aus. Es gibt allerdings durchaus Möglichkeiten diese Mechanismen zu umgehen und seine Selbstkontrolle und Selbstregulation zu stärken und die eigene Arbeit damit wieder positiver zu sehen. Dazu werden an der Psychosozialen Beratungsstelle der Professur für Klinische Psychologie Einzelberatungen und ein Prokrastinationskurs angeboten", so Cook. Interessierte und Betroffene können sich gern direkt an Corinna Bliedtner, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Klinische Psychologie und Mitarbeiterin der Psychosozialen Beratungsstelle der TU Chemnitz unter corinna.bliedter@psychologie.tu-chemnitz.de wenden.

"Liebe dein Symptom wie dich selbst"

Ein Highlight des Abends bildete der Vortrag des Gastreferenten Hans-Werner Rückert von der Freien Universität Berlin, die an diesem Abend ebenfalls eine "Lange Nacht" veranstaltete. Unter dem Motto "Schluss mit dem ewigen Aufschieben" erklärte der Psychoanalytiker Rückert unter Einbeziehung von Klassikern wie "À la recherche du temps perdu" von Marcel Proust und Einblicken in sein eigenes Buch, wie man Aufschiebeverhalten am besten meistert. Sein Tipp: Sich bloß nicht selbst fertigmachen, weil man sich in die Enge manövriert hat, denn die für das Lernen essentiell wichtigen sogenannten Hippocampi, im Temporallappen befindliche Strukturen der Großhirnrinde, die vom Aussehen her Seepferdchen ähneln und deshalb auch so heißen, können nur richtig arbeiten, wenn sich der Lerner in gute Laune versetzt. Und das funktioniert nicht, wenn man sich die ganze Zeit Vorwürfe macht. "Liebe dein Symptom wie dich selbst", gibt Rückert den gebannt zuhörenden Studierenden mit auf den Weg. Das bedeutet: Wenn es doch wieder einmal kurz auf knapp fertig werden muss und man Panik schiebt - nicht verzagen, sondern so gut wie es geht am Ball bleiben. Und falls doch alle Stränge reißen, muss man "über ein gutes Repertoire an Ausreden verfügen", um seinen Dozenten zu beruhigen. "Das kann durchaus charakterbildend sein", so Rückert schmunzelnd.

Von der Yogamatte an den Schreibtisch und zurück

Unter den etwa 400 bis 500 Teilnehmern der Langen Nacht befand sich auch die Psychologiestudentin Klara Große-Bölting, die fleißig an ihrer Arbeit zur transkraniellen Gleichstromstimulation schrieb. Um sich zwischendurch aufzulockern, nahm sie gemeinsam mit einer Kommilitonin an dem "Mini-Sportkurs" zur progressiven Muskelrelaxation teil. Hier wurde den Teilnehmern gezeigt, wie sie mit ganz einfachen Schritten entspannen, indem sie nacheinander verschiedene Muskelgruppen anspannen und wieder lockern. "Nachdem man die Muskeln dann angespannt hat, merkt man beim Lockern erst wirklich, dass man vorher unter Umständen ziemlich verkrampft war", berichtet Klara Große-Bölting. Svenja Neubauer, die beim Campusradio UNiCC aktiv ist, nahm an einem Workshop zum "Gelassenen Sprechen" teil und war positiv überrascht: "Das sind genau die Übungen, die man auch bei professionellen Sprechtrainings oder Logopäden lernt."

Ein voller Erfolg und viele Helfer

Die Organisatoren der Langen Nacht vom Projekt TUChemnitz4U, die mit zahlreichen Sponsoren, Unterstützern und Kooperationspartnern, wie dem Studentenwerk Chemnitz-Zwickau, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Gesellschaft der Freunde der TU Chemnitz e.V., dem Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät und dem Studentenrat die Veranstaltung auf die Beine gestellt haben, ziehen eine positive Bilanz: "Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Universitätsbereichen hat hervorragend funktioniert. Hier sei noch einmal der Tischlerei, den Technikern, dem Universitätssport und dem Studentenwerk als logistischen Unterstützern gedankt. Wichtig war vor allem auch der Rückhalt vom Rektorat der TU Chemnitz", so Ingo Gebhardt. Auch Sara Rodefeld ist von dem Abend begeistert: "Sowohl die Schreib- und Rechercheberatung als auch die Auflockerungskurse sowie die Workshops zum Wissenschaftlichen Arbeiten wurden sehr gut angenommen. Für die, die sich hingesetzt und an ihrer Arbeit geschrieben haben, mussten wir sogar noch ein paar Tische mehr hinstellen." Für die Projektmitarbeitenden steht nun die Auswertung der Veranstaltung an, um darauf aufbauend bereits die 3. Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten für das nächste Jahr zu planen.

(Autor: Micele Ulbricht)

Katharina Thehos
10.03.2014

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