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Ein "Superbaby" der ersten Stunde

Ingrid Böhl gehörte 1964 zu den ersten Schülern der Spezialklasse für Mathematik und Naturwissenschaften, danach studierte sie Informationselektronik und engagierte sich in der "Studentenbühne"

  • Ingrid Arlt verbindet einiges mit der TH Karl-Marx-Stadt. Hier besuchte sie eine Spezialklasse für Mathematik und Naturwissenschaften, danach studierte sie Informationselektronik, promovierte zügig und engagierte sich in der "Studentenbühne". Nun schrieb sie einen Roman über ihre Schul- und Studienzeit. Foto: Mario Steinebach
  • 1964 gehörte Ingrid Böhl zu den ersten Schülern der Spezialklasse für Mathematik und Naturwissenschaften an der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt. Sie ist das mittlere der drei Mädchen auf diesem Bild. Foto: privat
  • Der handschriftliche Eintrag "S-Oberschüler" im Studierendenausweis zeigt, dass Ingrid Böhl 1964 zu den Exoten an der Hochschule gehörte, denn für die Spezialklasse wurde kein eigener Ausweis angefertigt. Foto: Mario Steinebach
  • Ingrid Böhl war das einzige Mädchen der Seminargruppe 66/77 IT und wie man sieht sehr technikinteressiert. Foto: Blick/M. Backhaus
  • Studenten wussten auch damals zu feiern. Ingrid Böhl unternahm hier mit ihren Kommilitonen eine Wanderung durch die Sächsische Schweiz. Bei einer Rast gab es selbstgemixte Waldmeister-Bowle. Foto: privat
  • Ingrid Böhl bei einem Auftritt der "Studentenbühne". Foto: privat

Wenn die heute in Potsdam lebende Ingrid Arlt (geb. Böhl) von ihrer Studienzeit an der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt erzählt, kommt sie schnell ins Schwärmen: "Ich zählte zu den Superbabys! So wurden die 19 Schüler der ersten Spezialklasse für Mathematik und Naturwissenschaften an der Hochschule scherzhaft genannt. Alle aus dieser Klasse studierten übrigens im Anschluss an der TH - insbesondere Mathematik oder Physik." Kaum hatte Ingrid Arlt ihr Abitur in der Tasche, betrat sie schon wieder Neuland: Sie gehörte zu den ersten Studenten des 1966 an der TH neu eingerichteten Studienganges Informationselektronik. Sie war die einzige junge Frau in der Gruppe.

"Meine Liebe zu Zahlen wurde bereits während der Karl-Marx-Städter Schulzeit bei den Stadtolympiaden für Mathematik deutlich, so dass ich gezielt von der Hochschule angesprochen wurde", berichtet Arlt. Der Sprung von der Spezialklasse zum Studium war dann etwas irrational: "Mich reizten Fächer, die ich in der Oberschule noch nicht bis ins Letzte verstanden hatte", gibt sie mit einem Lächeln zu, "und mein Wunschstudium sollte unbedingt praktische Komponenten haben." Der neue Studiengang Informationselektronik passte da wie der Punkt auf dem i. Damit trat sie zugleich in die beruflichen Fußstapfen ihres Vaters, der Elektroingenieur war. "Er begeisterte mich schon früh für die Elektrotechnik", erinnert sich Ingrid Arlt, die übrigens aus Mittweida stammt.

1966 begann für sie ein bewegtes Studentenleben. "In den Vorlesungen spitzte sie aufmerksam die Ohren, experimentierte gern in den Praktikumsräumen und lernte schnell, wie Geräte hergestellt werden, die beispielsweise Messwerte auswerten und Prozesse steuern können", zitiert die heute 64-Jährige aus einem Artikel für den Karl-Marx-Städter "Blick" aus dem Jahr 1969. Gemeinsam mit wissenschaftlichen Assistenten, Professoren und Hochschullehrern konnte sie bereits zu diesem Zeitpunkt im Rahmen der Vertragsforschung mit dem Kombinat Robotron eine Forschungsaufgabe auf dem Gebiet der Automatischen Zeichenerkennung in Angriff nehmen.

In ihrer Freizeit folgte sie einer weiteren Liebe - nämlich der zur Literatur und Musik. So engagierte sie sich in der 1966 gegründeten Studentenbühne. "Wir probten auf der damaligen Probenbühne unter der Kuppel des Opernhauses und inszenierten beispielsweise Brecht-Texte", sagt Ingrid Arlt. An das an Bertolt Brecht angelehnte Studentenbühne-Projekt "Mann ist Mann" kann sie sich noch besonders gut erinnern: "Als Reaktion auf die Ereignisse um die Niederschlagung des Prager Frühlings und den Einmarsch von Truppen des Warschauer Vertrages in der benachbarten Tschechoslowakische Sozialistische Republik kam es dann leider mit Beginn des Wintersemesters 1968/69 nicht mehr dazu, das Stück aufzuführen. Als Ersatz wurde ein literarisch-musikalisches Programm erarbeitet. Sein Titel: "Kleinkunst im Keller." Und im Keller wurde es am 17. Dezember 1968 auch uraufgeführt, nämlich in der "60-Pfennig-Mensa" in der Bahnhofstraße, dem späteren Studentenclub "Fuchsbau". Unebenheiten aus dem Studentenleben nahm die Studentenbühne auch aufs Korn, etwa im Einakter unter dem Titel "Die Zentralheizung".

Rückblickend stand für Ingrid Arlt jedoch immer das Studium bis hin zur Promotion im Mittelpunkt. Bereits im Alter von 25 Jahren konnte sie sich 1973 über den Doktortitel freuen. Zugunsten von Familie und Kindern verzichtete sie nach der Promotion auf eine weiterführende akademische Laufbahn. Sie arbeitete als Informatikerin im VEB Geräte- und- Reglerwerke Teltow (GRW) und danach im Rechenzentrum des Bezirkshygiene-Instituts Potsdam. Nach der Wende konnte sie in der Zentralen Datenverarbeitung des Bundesgesundheitsamtes in Berlin und bis zum Renteneintritt im Universitätsklinikum Charité ihr Können als Informatikerin unter Beweis stellen. Seit mehr als 40 Jahren lebt sie in Potsdam. "Mein Sprung von der Hochschule ins Berufsleben war übrigens mit viel Frust verbunden", erinnert sich Ingrid Arlt und ergänzt: "Vieles von dem, was ich an der Hochschule gelernt hatte, war in der Praxis nicht anwendbar. Und vor allem im sozialistischen Großbetrieb VEB GRW Teltow musste man sich, wenn es um politische Dinge ging, ständig für seine Meinung rechtfertigen."

Ihre Schul- und Studienzeit reflektiert Ingrid Arlt nun, wenn auch in verfremdeter Form, im Roman "Omi, deine Ideale!", der kürzlich im Wagner-Verlag erschienen ist. Vor allem das Leben in der Studentenbühne fand Einzug in die Handlung, so die Autorin. "In meinem Buch kommt die Hauptfigur Ina mit ihrer Enkelin ins Gespräch. Es geht um Gefühle und in diesem Zusammenhang auch um Ideale der Jugendzeit. Denn wissen Enkeltöchter im Allgemeinen, dass ihre Großmütter wie sie in ihrer Jugend geliebt und gelacht, aber auch gelitten haben?" Die im Herzen jung gebliebene Großmutter hat, wie sie sagt, noch viele Geschichten auf Lager, die sie in Zukunft im Kreis von Familienangehörigen oder Studienkollegen noch gern erzählen möchte. Vielleicht entsteht ja daraus ein weiteres Buch…

Mario Steinebach
14.11.2012

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